Am Mittwoch hat Viola Amherd den vielleicht wichtigsten Posten in ihrem Departement neu besetzt: Mit Michaela Schäfer als Direktorin des Bundesamts für Bevölkerungsschutz (Babs) besteht die Chance, das sicherheitspolitische Silodenken zu überwinden.

Das Krisenmanagement der Schweiz braucht eine Fitnesskur.
Wenn selbst die Bundespräsidentin das Krisenmanagement im Corona-Herbst zeitweise als «Gstürm» wahrgenommen hat, dann braucht das System eine Fitnesskur. Die Ernennung von Michaela Schäfer als oberste Krisenmanagerin an der Spitze des Babs schafft günstige Voraussetzungen dafür. Sie kennt aus ihrer beruflichen Laufbahn die Mechanismen der Bundespolitik und die wesentlichen Instrumente der Sicherheitspolitik aus der Innensicht – auch den Bereich Verteidigung.
Schlankere Strukturen des Krisenmanagements
Damit kann sie zusammenführen, was zusammengehört. Denn obschon alle Akteure über den Sicherheitsverbund Schweiz (SVS) vernetzt sind, ist das Denken in Silos weit verbreitet. Befindlichkeiten zwischen den Departementen, einzelnen Ämtern, der Armee oder Bund und Kantonen haben das Krisenmanagement in der gegenwärtigen Krise erschwert. Das Babs mit seinem Führungsorgan, dem Bundesstab Bevölkerungsschutz, wäre die zentrale Drehscheibe für die Koordination von Interessen, Aufgaben und Ressourcen. Heute wird es aber – bewusst oder unbewusst – kleingehalten. Dies hat nicht nur mit dem erzwungenen Abgang von Benno Bühlmann als Amtsdirektor Anfang Jahr zu tun, sondern auch mit Machtansprüchen innerhalb der Verwaltung.

Michaela Schäfer, designierte Direktorin Babs.
Umso mehr ist es ein Vorteil, dass die neue Direktorin in einem aufgeräumten Amt anfangen kann. Nach den Turbulenzen der letzten Jahre konnte das Babs unter einer Leitung ad interim beruhigt werden. Die Zusammenarbeit mit den Kantonen hat sich stark verbessert. An dieses neue Vertrauensverhältnis kann Michaela Schäfer anknüpfen. Denn dank der Nähe der Kantone und Gemeinden zu den Menschen bewährt sich der Föderalismus in der Krise grundsätzlich. Das «Gstürm» entsteht dann, wenn das Krisenmanagement nicht systematisch und ausserhalb der bewährten Strukturen erfolgt – wie es im Vorfeld der zweiten Welle geschehen ist.
Es wird deshalb für Michaela Schäfer zuerst darum gehen, die bestehenden Instrumente zu stärken und weiterzuentwickeln, namentlich den Bundesstab Bevölkerungsschutz. Dieser könnte die Rolle eines stehenden Krisenstabs einnehmen. Allerdings braucht es dazu einen Kernstab als Führungsorgan, der die unmittelbare Zusammenarbeit mit dem Bundesrat pflegt und die strategischen Entscheide vorbereitet. Dies würde die Strukturen auf Stufe Bund tatsächlich krisenfest vereinfachen. Ad-hoc-Stäbe mit politischer Zusammensetzung wären damit passé.
Fokus auf Kernaufträge der Sicherheitsinstrumente
Potenzial zur Vereinfachung gibt es auch in den komplexen Organigrammen der Zusammenarbeit unter den verschiedenen Akteuren des Sicherheitsverbundes Schweiz. Auch hier ist das Babs die richtige Stelle, um die Instrumente aller Staatsstufen oder auch Firmen nach einheitlichen Strukturen zu vernetzen. Krisen und Ereignisse können sich überlagern, etwa wenn mitten in einer Pandemie ein grosser Terroranschlag geschieht oder Cyberangriffe eine Strommangellage provozieren. Gefragt ist dafür eine Weiterentwicklung der Gesamtverteidigung, die zivile, militärische und private Ressourcen bündelte. Diese Zusammenarbeit ist wie bisher zu üben, auch wenn dies nicht allen Machtmenschen in der Verwaltung passt.
Eine grössere Baustelle für die neue Babs-Direktorin sind die tiefen Bestände der Zivilschutzorganisationen der Kantone. Ähnlich wie die Armee kämpfen diese mit Personalproblemen. In einem ersten Schritt könnte der Zivildienst als zusätzliche Ressource ins Babs übergeführt werden. Dazu sollte ein Impuls für einen Bürgerdienst aller Schweizer Bürgerinnen und Bürger deshalb auch beim Bevölkerungsschutz aktiv aufgenommen werden. Zwingend ist der Fokus auf Einsätze im Bereich Sicherheit – von der Armee bis zum Gesundheitswesen.
Widerstandskraft gegen die Machtmühlen
Der Fokus des Babs liegt richtigerweise auf den zivilen Risiken. Gerade weil aber die Grenzen zwischen Krieg und Frieden fluider werden, müssen die Profile der einzelnen Instrumente geschärft werden. Die Armee kämpft und schützt primär, der Bevölkerungsschutz hilft. In komplexen Krisen und ungewissen Lagen können so massgeschneiderte Task-Forces aus verschiedenen Elementen, uniformierten und nicht uniformierten, gebildet und Fähigkeiten kombiniert werden.
Das Babs ist ein Dreh- und Angelpunkt der Sicherheit des 21. Jahrhunderts. Die neue Direktorin hat aus der gegenwärtigen Pandemie genügend Stoff, um die Lehren für ein besseres Krisenmanagement abzuleiten und mit allen Beteiligten zu diskutieren. Föderalismus und Milizsystem bleiben die bewährten Grundpfeiler des Sicherheitssystems. Sie dürfen aber auch an die Bedürfnisse einer vernetzten Gesellschaft angepasst werden. So lässt sich die eidgenössische Schwarmintelligenz auch für die nächste Krise nutzen, statt als «Gstürm» abgetan zu werden. Der neuen Babs-Direktorin ist für ihre Aufgabe vor allem Widerstandskraft gegen die Machtmühlen der Verwaltung zu wünschen.