Der Fall des insolventen Zahlungsdienstleisters Wirecard hat weitreichende Folgen: Nach dem Chef der Finanzaufsicht Bafin und weiterem Personal nimmt auch Edgar Ernst, der Präsident der «Bilanzpolizei» DPR, seinen Hut.

Das Gewitter über Wirecard hat sich schon vor Jahren angekündigt. Im Bild die Firmenzentrale in Aschheim bei München.
Die neusten Entwicklungen
- Edgar Ernst, der Präsident der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR), beendet seine Tätigkeit per Ende Jahr. Er werde sein Amt vorzeitig zum 31. Dezember 2021 niederlegen, teilte die DPR am Mittwoch (24. 1.) mit. Damit wolle er der DPR einen personellen Neustart ohne die um seine Person entstandene Diskussion zur Wahrnehmung von Aufsichtsratsmandaten ermöglichen. Zuvor hatte das Justizministerium klar gemacht, dass DPR-Mitglieder zur Vermeidung von Interessenkonflikten keine Aufsichtsratsmandate haben dürfen, falls die DPR weiterhin eine Rolle bei der Prüfung von Unternehmensbilanzen spielen wolle. Ernst hat derartige Mandate bei den Konzernen Vonovia, TUI und Metro. Im Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags zur politischen Aufarbeitung des Wirecard-Betrugsskandals ist er bei einer Befragung als Zeuge am 11. Februar auch deswegen unter Druck geraten. Die privatrechtlich organisierte «Bilanzpolizei» DPR war von der Finanzaufsicht Bafin im Februar 2019 gemäss den bisher gültigen Verfahren mit der Überprüfung konkreter Hinweise zu Wirecard beauftragt worden. Die Prüfung zog sich ergebnislos hin, bis der Zahlungsdienstleister im Juni 2020 Insolvenz anmeldete. Vor dem Untersuchungsausschuss sagte Ernst, die DPR habe mit ihren knappen personellen Ressourcen und Befugnissen kaum Chancen gehabt, betrügerische Machenschaften aufzudecken. In Reaktion auf den Wirecard-Skandal hat Deutschland inzwischen eine Neuorganisation der Bilanzprüfung eingeleitet.
- Die deutsche Finanzaufsicht Bafin gerät ins Visier der Frankfurter Staatsanwaltschaft. Man habe im Rahmen einer Vorprüfung von der Bafin Informationen eingefordert, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft am Mittwoch (24. 2.) der Nachrichtenagentur dpa. Es gehe um die Frage, ob die Bafin ihren Aufsichtspflichten nachgekommen sei. Ein förmliches Ermittlungsverfahren ist noch nicht eingeleitet worden. Hintergrund sind laut den dpa-Angaben Anzeigen von Wirecard-Aktionären. Weitere Auskunftsersuche seien an eine weitere Bundesbehörde und an eine Bank gegangen. Im Rahmen der politischen Aufarbeitung des Betrugsskandals um den im Juni 2020 zusammengebrochenen deutschen Zahlungsdienstleister Wirecard ist auch ein Leerverkaufsverbot hinterfragt worden, das die Bafin im Februar 2019 für Wirecard-Papiere erlassen hatte. Dieses stärkte damals das von Wirecard verbreitete Narrativ, wonach es sich bei kritischen Medienberichten über den Konzern um Versuche der Kursmanipulation handle. Im Januar 2021 wiederum hat die Bafin selbst bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart Anzeige gegen einen eigenen Mitarbeiter wegen des Verdachts auf Insiderhandel mit Wirecard-Derivaten erstattet (sh. unten).
- EY-Vertreter dürfen vor dem Untersuchungsausschuss aussagen, Bundesgerichtshof hebt Ordnungsgelder auf. Zwei Mitarbeiter der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY und ein früherer Revisor von Wirecard hatten gegen Ende letzten Jahres die Zeugenaussage vor dem Wirecard-Untersuchungsausschuss des Bundestags mit Hinweis auf ihre Verschwiegenheitspflicht verweigert, woraufhin der Ausschuss Ordnungsgelder gegen sie verhängte. Dagegen legten die Zeugen Einspruch beim Bundesgerichtshof (BGH) ein. Dies sollte zur Klärung der nicht eindeutigen Rechtslage führen. Nun hat der BGH laut EY-Angaben vom Donnerstag (11. 2.) die Ordnungsgelder aufgehoben und die Rechtslage geklärt. Demnach könne ab jetzt jeder vom Ausschuss als Zeuge geladene EY-Mitarbeiter zur Abschlussprüfung bei Wirecard aussagen. Der BGH hielt hierzu am Freitag (12. 2.) in einer Mitteilung fest, die vorliegenden Entbindungen von der Schweigepflicht durch den Insolvenzverwalter und den aktuellen Wirecard-Vorstandes würden ausreichen.
- Der deutsche Finanzminister kündet einen Reform der Finanzaufsicht Bafin an und setzt deren Chef vor die Tür. Finanzminister Olaf Scholz hat am Dienstag (2. 2.) einen Sieben-Punkte-Plan vorgestellt, der der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) «mehr Biss» verleihen soll. Bereits am Freitag (29. 1.) hatte sein Ministerium mitgeteilt, der Skandal um den Zahlungsdienstleister Wirecard habe offenbart, dass die Finanzaufsicht eine Re-Organisation brauche. Man sei in einem Gespräch mit dem Bafin-Präsidenten Felix Hufeld einvernehmlich zum Entschluss gekommen, das es dafür neben organisatorischen Veränderungen auch einen personellen Neustart an der Spitze der Behörde geben sollte. Ebenfalls ausscheiden wird die Vizepräsidentin und Exekutivdirektorin für Wertpapieraufsicht, Elisabeth Roegele. Zum Bericht über die Reorganisation der Bafin
- Die Bafin zeigt Mitarbeiter wegen mutmasslichen Insiderhandels mit Wirecard-Aktien an. Die Finanzaufsicht Bafin hat laut eigenen Angaben vom 28. 1. einen Mitarbeiter des Bereichs Wertpapieraufsicht wegen des Verdachts des Insiderhandels bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart angezeigt. Der Beschäftigte hatte am 17. Juni 2020 strukturierte Produkte mit dem Basiswert Wirecard AG verkauft. Einen Tag später machte der Zahlungsdienstleister ein Bilanzloch von 1,9 Mrd. € öffentlich. Die Bafin hat den Verdacht gegen den Mitarbeiter laut eigenen Angaben im Rahmen ihrer Sonderauswertung entdeckt, diesen freigestellt und ein Disziplinarverfahren eröffnet. Mitte Oktober 2020 hat sie die Compliance-Regeln für private Wertpapiergeschäfte ihrer Mitarbeiter verschärft. Spekulative Finanzgeschäfte, also das kurzfristige Handeln, beispielsweise mit derivativen Finanzinstrumenten oder Aktien, sind seither nicht mehr möglich.
- Der Ex-Finanzchef von Knoop verweist auf Marsalek. Mit der Befragung von Alexander von Knoop, des ehemaligen Finanzvorstands von Wirecard, hat der zuständige Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags am Donnerstag, 28. 1., seine jüngste, bis Freitag dauernde Sitzung begonnen. Von Knoop las eine Erklärung vor, in der er hervorhob, dass der gesamte Geschäftsbereich mit Drittpartnern (TPA), auch die Führung der Treuhandkonten, nicht in seinem Aufgabenbereich gelegen habe. Dafür sei ausschliesslich Jan Marsalek zuständig gewesen, das flüchtige Vorstandsmitglied des Konzerns. Das Drittpartnergeschäft steht im Zentrum der Betrugsvorwürfe. Von Knoop beteuerte, er habe zu keiner Zeit Hinweise auf kriminelle Machenschaften gehabt. Zu einer Befragung durch die Abgeordneten kam es nicht, da von Knoop unter Hinweis auf die gegen ihn geführten Ermittlungen ein Zeugnisverweigerungsrecht beanspruchte. Er kooperiere mit der Staatsanwaltschaft, sagte er.