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Wo sind bloss all die Köche geblieben? Eine neue Analyse gibt Antworten

Job kündigen: 15 lustige Beispiele, wie du es tun könntest

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Job kündigen: 15 lustige Beispiele, wie du es tun könntest

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In der Coronakrise glaubte man, es würden massenhaft Arbeitsplätze verschwinden – nun sind die Arbeitenden nicht mehr zu finden. Wollen sie bessere Jobs, die mehr Lebenssinn geben?

Niklaus Vontobel / ch media

Dieses Phänomen ist aufgetreten, als die Wirtschaft sich gerade einigermassen von der Coronakrise befreit hat – und es hält bis heute an, in der Schweiz wie in den USA, Italien oder Deutschland. Es gibt zu wenige Velomechanikerinnen, zu wenige Köche, zu wenige Verkäuferinnen, zu wenige von allem. Das britische Magazin «The Economist» fragt verblüfft: «Wo sind all die Mitarbeitenden hin?» Ein Rätsel.

Nun gibt es die Lösung für die Schweiz. Nachgeforscht hat die KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich.

Köchinnen und Köche sind plötzlich kaum mehr zu finden: warum nur?

Köchinnen und Köche sind plötzlich kaum mehr zu finden: warum nur?Bild: keystone

Keine «Grosse Kündigung»

Doch zunächst die Vorgeschichte. Einer der ersten Erkläransätze kam aus den USA, wo sich das Phänomen früh zeigte: Die Arbeitnehmenden würden in rekordhoher Zahl freiwillig ihre Jobs kündigen. Warum sie das taten, darüber konnte nur spekuliert werden, aber die Statistik zeigte, dass es so war. Sogleich entstand ein einprägsamer Begriff: «The Great Resignation», auf Deutsch also «die Grosse Kündigung».

In der Schweiz kam die Ursachenforschung ebenso in Gang, diskutiert wurde auch eine schweizerische Version der «Grossen Kündigung». Doch bis vor Kurzem ist dieser Erklärversuch weder zu bestätigen noch zu widerlegen gewesen. Die Daten zu freiwilligen Kündigungen haben auf sich warten lassen. Jetzt sind sie da.

Neu gibt es eine Analyse der KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich. Arbeitsmarktexperte Michael Siegenthaler kann darum sagen: «Der wichtigste Grund für diesen grossen Fachkräftemangel ist der boomende Arbeitsmarkt.» Eine grosse Welle freiwilliger Kündigungen habe es hingegen nicht gegeben. Siegenthaler sagt:

«Die Leute sind nicht in Massen weggelaufen von ihren Arbeitsplätzen. Jene, die gingen, gingen meist unfreiwillig.»

Die «Grosse Kündigung» hatte als Erkläransatz an sich ihre schönen Seiten. In den USA wurde sie von Ökonomen erklärt mit einem «Grossen Erwachen». Gerade in Branchen, die niedrige Löhne zahlen, hätten die Menschen gemerkt, wie schlecht ihre Jobs seien, zum Beispiel in der Gastronomie oder der Aviatik. Die Pandemie habe sie aus dem Alltagstrott befreit, sodass sie erkennen konnten: Es stünden ihnen bessere Jobs offen.

Die Bilder ähneln sich überall: In den USA, wie in der Schweiz oder Deutschland wird Personal händerigend gesucht.

Die Bilder ähneln sich überall: In den USA, wie in der Schweiz oder Deutschland wird Personal händerigend gesucht.Bild: keystone

Theorien aus dem Terrormanagement herbeigezogen

Entlang solcher Linien dachte auch jener Assistenzprofessor, der den Begriff von der «Grossen Kündigung» prägte. Antony Klotz arbeitete an einer texanischen Management-Universität, als er von der Newsagentur «Bloomberg» befragt wurde zu seiner akademischen Nische: Warum Menschen kündigen. Klotz nutzte dafür auch eine Theorie aus dem Terror-Management: Angesichts der Pandemie, von Tod oder schwerer Krankheit würden die Menschen die Sinnhaftigkeit ihres Lebens hinterfragen. «Bloomberg» zitierte Klotz wie einen Propheten: «Die ‹Grosse Kündigung› wird kommen.»

Ist sie nicht, zumindest in der Schweiz. Dennoch ist der Fachkräftemangel derart gross, dass er auf dem Boulevard die grossen Schlagzeilen schreibt. Der «Blick» berichtet von einem «Velomech», der Kunden um Hilfe bitten muss: 1000 Franken, wenn sie ihm Mitarbeitende vermitteln. Solche kleinen Dramen des aktuellen schweizerischen Alltags erklärt KOF-Experte Siegenthaler eben mit dem boomenden Arbeitsmarkt:

«Es braucht schlicht viel mehr Personal als vor der Krise.»

Notabene lief die Wirtschaft damals auch schon gut.

«Boom», «konjunkturelle Hochphase» – mit solchen Begriffen wird der Arbeitsmarkt von der KOF im neuen Konjunkturbericht beschrieben. «Weit überdurchschnittlich» sei das Jobwachstum. Alle möglichen Indikatoren schlagen nach oben aus. Es kommen so viele offene Stellen auf so wenige Suchende wie noch nie. Es fehlt in so vielen Betrieben wie noch nie an Personal (s. Chart). In der Gastronomie, die sonst kaum je unter Fachkräftemangel leidet, haben in einer KOF-Befragung zuletzt fast 40 Prozent der Betriebe angegeben, sie hätten nicht genug Personal, um der Nachfrage nachzukommen. Vier von zehn Betrieben!

Bild: keystone

Mit anderen Worten: Der Arbeitsmarkt boomt gerade schlicht allzu heftig.

Zu viele Chefs, die nicht wirklich arbeiten?

Damit erübrigt sich die Suche nach irgendwelchen fundamentalen Ursachen, wie etwa: Die Generation Z ist arbeitsfaul; wir alle arbeiten weniger als früher; oder eben eine grosse Sinnsuche infolge der Coronakrise.

Auch eine Theorie taugt wohl wenig, die laut Gewerkschaftern unter vielen Arbeitnehmenden kursiert: Dass es zu viele Chefs gebe, von denen man nicht wisse, was sie arbeiten – oder ob überhaupt. Der Eindruck sei wohl entstanden, weil es heute viel mehr Führungskräfte gibt als noch vor 20 Jahren. Nämlich fast doppelt so viele.

Es ist also der Boom, welcher Personal suchende Velomechs verzweifeln lässt – obendrauf kommen die besonderen Eigenschaften dieser Hochphase. In normalen Zeiten ist es in der Schweiz erst die Exportindustrie, die sich von einer Rezession erholt, und beispielsweise dann die Gastronomie, die hinterherkommt. Doch die Zeiten sind nicht normal, sondern geprägt von einer Pandemie, wie es sie nur einmal alle 100 Jahre gibt – hoffentlich. Und so kommt es, dass derzeit nahezu alle Branchen zugleich boomen. KOF-Ökonom Siegenthaler sagt:

«In vielen Branchen ist der Personalmangel nahe oder über dem historischen Höchststand.»