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Ungewöhnlicher Superstar: Wie ein übergewichtiger Cola-Trinker zum Basketball-Riesen wurde

Ungewöhnlicher SuperstarWie ein übergewichtiger Cola-Trinker zum Basketball-Riesen wurde

Nikola Jokic hat sich gegen jede Regel zum besten Spieler der Welt entwickelt: Einst schaffte der Serbe keine zwei Liegestütze und wurde von den Teamkollegen verspottet.

Ein «cheat code» sei Nikola Jokic, so gut, dass es Beschiss sei, heisst es, weil er sowohl begnadeter Skorer wie Spielmacher ist.

Ein «cheat code» sei Nikola Jokic, so gut, dass es Beschiss sei, heisst es, weil er sowohl begnadeter Skorer wie Spielmacher ist.

Foto: Aaron Ontiveroz (Getty Images)

Es ist ein Bild, das in diesen Tagen, in denen Nikola Jokic die Denver Nuggets in den NBA-Final geführt hat, um die Welt geht. Es zeigt einen Teenager, der im Kreise seiner Familie sitzt. Dieser ist, das ist gut sichtbar und das darf man feststellen, ohne ihm zu nahe zu treten: übergewichtig. Vielleicht auch, weil er drei Liter Coca-Cola pro Tag trinkt, wie er später einmal freimütig bekennt.

Das Bild erfreut sich gerade grosser Beliebtheit, weil es von einer spektakulären Verwandlung erzählt. Aus dem dicken Jungen aus Sombor in Serbien ist der beste Basketballer der Welt geworden. Jokic dominiert in einer Liga, in der es von Sprungwundern und Muskelbergen wimmelt, er bricht Rekorde, die jahrzehntelang als unerreichbar galten. Ein «cheat code» sei der 28-Jährige, so gut, dass es Beschiss sei, heisst es, weil er in drei der wichtigsten Kategorien zur Spitze gehört. Jokic ist nicht nur ein begnadeter Skorer und Rebounder, sondern auch ein unverschämt guter Vorbereiter.

Der junge Nikola Jokic im Kreise seiner Familie.

Der junge Nikola Jokic im Kreise seiner Familie.

Foto: Twitter

Dabei sieht er nach wie vor nicht wie ein Modellathlet aus. Das «Wall Street Journal» schrieb über ihn, er bewege sich «wie ein Pinguin auf Stelzen». Und die «New York Times» spekulierte, dass er stolpern könnte, wenn er versuchen würde, über die Sonntagszeitung zu springen. Als Jokic 2021 vor seiner ersten von zwei Ernennungen zum wertvollsten Spieler der NBA stand, verstand dies sein Berater auch als stimulierende Botschaft an alle Kinder dieser Welt. Wenn es einer wie Jokic schaffe, «warum sollte ich dereinst nicht MVP sein?»

Die Teamkollegen spotten längst nicht mehr

Nun muss man wissen, dass Jokic trotz allem deutlich bessere Voraussetzungen für eine Karriere als Basketballer hat als der Durchschnittsmensch. Er ist 211 Zentimeter gross, was die Wahrscheinlichkeit, es in die beste Liga der Welt zu schaffen, signifikant erhöht. Der Autor David Epstein rechnet in seinem Buch «Die Siegergene» vor, dass ein Amerikaner, der zwischen 183 und 189 Zentimeter gross ist, eine Chance von fünf zu einer Million hat, einen NBA-Vertrag zu erhalten. Von jenen, die über 213 Zentimeter messen, schafft es hingegen jeder Sechste. Eine spektakulär grosse Differenz.

Was Jokics Aufstieg so aussergewöhnlich macht, ist vielmehr seine Spielweise. Er ist kein typischer «big man», wie die Center genannt werden, er bulldozt sich nicht durch die gegnerischen Reihen, obwohl er 130 Kilogramm wiegt. Er glänzt vielmehr mit seinem Spielverständnis, seiner Uneigennützigkeit, seiner Fussarbeit, die unterschätzt wird, wie der Pinguin-Vergleich zeigt. Ihm kommt jetzt zugute, dass ihm als Teenager nicht viel zugetraut wurde, dass er andere Wege finden musste, dass er sich auch im Volleyball, Fussball und Wasserball versuchte. 

Als Jokic mit 17 in Belgrad seinen ersten Profivertrag unterschreibt, muss mit ihm erst wochenlang ein Crashkurs in Sachen Kondition unternommen werden. Nicht einmal zwei Liegestütze schafft er. Was ihn zum Gespött der Teamkollegen macht. So erzählt das sein früherer Trainer einmal. Aber sobald er den Ball in den Händen hat, ist er schon ein aussergewöhnlicher Spieler. «Ein Rohdiamant», wie der Scout der Denver Nuggets vermerkt. Das ermöglicht ihm den Sprung in die NBA – trotz der körperlichen Defizite.

Seinen ersten grossen Moment verschläft er

2014 wird Jokic von Denver in der zweiten Runde an 41. Stelle gezogen. Die Nacht des Drafts wird in den USA als TV-Spektakel inszeniert, die Talente lassen sich Anzüge massschneidern, reisen mit ihren Familien und Beratern an.

Als Jokic endlich gewählt wird, läuft gerade eine Werbung der Fast-Food-Kette Taco Bell. Jokic muss daheim in Serbien von seinem Bruder geweckt werden, weil er längst eingeschlafen ist. Spieler, die so spät gezogen werden, haben es schwer, sich in der NBA zu etablieren, und erst recht, zu Leistungsträgern zu avancieren. Jokic ist überhaupt der erste MVP, der so spät gedraftet wurde. «Niemand konnte diese Entwicklung erahnen», sagte sein Trainer Michael Malone kürzlich. «Und wer etwas anderes behauptet, der labert Scheisse.»

Jetzt wird er schon mit LeBron James verglichen: Nikola Jokic wird zum wertvollsten Spieler der Halbfinal-Serie gekürt. Seine Teamkollegen knuddeln ihn.

Jetzt wird er schon mit LeBron James verglichen: Nikola Jokic wird zum wertvollsten Spieler der Halbfinal-Serie gekürt. Seine Teamkollegen knuddeln ihn.

Foto: Ashley Landis (AP Photo)

Malone ist schon Trainer der Nuggets, als Jokic 2015 in die Liga kommt. Er erinnert sich, wie er Jokic beim ersten Work-out erlebt habe, dieser wog noch ein paar Kilogramm mehr, «war ausser Form», wie Malone sagt. Der Trainer macht deutlich, wem der Serbe seine Entwicklung zu verdanken habe: allein sich selbst. «Nikola hat vom ersten Tag an sehr hart an sich gearbeitet.»

Den letzten Schluck Cola trinkt Jokic 2015 während des Flugs nach Denver. Er ist viel agiler geworden, sprintet auch dann noch rauf und runter, wenn er schon 40 der 48 Minuten auf dem Platz gestanden ist, was in den Playoffs bei ihm oft der Fall ist. Sein Teamkollege Kentavious Caldwell-Pope verglich ihn kürzlich mit LeBron James. «Die einzige Differenz ist, dass LeBron höher springen kann.»

James und die Lakers wurden von den Nuggets in der Halbfinalserie 4:0 besiegt, in der Finalserie, die in der Nacht auf Freitag Schweizer Zeit beginnt, sind die Nuggets gegen Miami hoch favorisiert. Alles andere als der Premiere-Titel für Jokic wäre eine grosse Überraschung. Die spektakuläre Verwandlung des Serben ist nicht abgeschlossen. 

Dominic Wuillemin schreibt für Tamedia über Sportthemen – mit Fokus auf Fussball und YB. Vor dem Einstieg in den Journalismus hat er an der ZHAW Journalismus und Kommunikation studiert. Mehr Infos

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