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Staatsbesuch in Aserbaidschan: Alijew dankt dem «lieben Bruder» Erdogan, und dieser denkt schon weiter

Staatsbesuch in AserbaidschanAlijew dankt dem «lieben Bruder» Erdogan, und dieser denkt schon weiter

Der türkische Präsident und sein Amtskollege aus Baku inszenieren sich als beste Freunde. Die Flucht Tausender aus Berg-Karabach ist vor lauter wirtschaftlicher Interessen kein Thema.

Langjährige Verbündete: Ilham Alijew (rechts) und Recep Tayyip Erdogan.

Langjährige Verbündete: Ilham Alijew (rechts) und Recep Tayyip Erdogan.

Foto: AFP

Recep Tayyip Erdogan mag es, wenn sich Politik mit einem Bauvorhaben überschneidet. Die Betonung liegt auf Vorhaben, denn oft steht noch nicht viel, wenn der Präsident anreist. Er wohnt dann, wie am Montag in Aserbaidschan, der Grundsteinlegung bei. Allerdings verrät er mit solchen Auftritten häufig etwas darüber, was er in Zukunft vorhat. Auch das war am Montag so.

Erdogan, gerade zurück von der UNO-Generalversammlung in New York, reiste nach Nachitschewan, einer Exklave von Aserbaidschan, eingeklemmt zwischen Armenien, Iran und Türkei. Dort traf der türkische Präsident auf seinen aserbaidschanischen Kollegen Ilham Alijew, mit dem ihn eine langjährige Freundschaft verbindet. Erdogan und Alijew legten den Grundstein für eine Gaspipeline, die Nachitschewan mit der Türkei verbinden soll.

Neben der Grundsteinlegung war schon das Timing des Besuchs symbolhaft. Erdogan kam, nur wenige Tage nachdem Aserbaidschan mit seiner Militäroperation die Armenier in der eingeschlossenen Region Berg-Karabach in ein Friedensabkommen gezwungen hatte.

«Berg-Karabach ist aserbaidschanischer Boden»

Recep Tayyip Erdogan

Während Ilham Alijew den Gast aus Ankara auf dem Flughafen von Nachitschewan begrüsste, flüchteten etwas weiter nordöstlich gerade Tausende Armenier aus ihrer Heimat. Erdogan störte das nicht, im Gegenteil. Wo die Türkei in dem Konflikt steht, war nie ein Geheimnis, vor wenigen Tagen erst machte es der Präsident noch einmal deutlich. «Berg-Karabach ist aserbaidschanischer Boden», sagte Erdogan.

Am Montag, beim gemeinsamen Auftritt mit Alijew, sagte Erdogan, die Aserbaidschaner hätten eine Operation «in ihrem eigenen Land» ausgeführt, weil ihre Forderungen unerhört geblieben seien. Die Operation sei so schnell und erfolgreich verlaufen, dass «sie uns alle stolz gemacht haben». Erdogan ging so weit, «unseren verletzten Soldaten» eine schnelle Genesung zu wünschen.

Aserbaidschan und die Türkei, sagte Erdogan, verbinde «eine einzigartige Beziehung». Alijew wiederum bedankte sich bei seinem «lieben Bruder» Erdogan dafür, dass dieser sich vor den Vereinten Nationen in New York für Aserbaidschan starkgemacht habe. «Für unsere gerechte Sache», wie es Alijew formuliert. «Wir werden die Unterstützung nie vergessen.»

Zwei langjährige Verbündete

Jetzt wird es den brüderlichen Freunden aus Ankara und Baku darum gehen, was auf den Sieg folgt. Die Türkei arbeitet mit Aserbaidschan eng zusammen, teils aus ethnischer Verbundenheit – in der Türkei heisst es oft, die beiden Völker seien eine Nation in zwei Staaten. Die türkische Regierung unterstützt Aserbaidschan militärisch, zum Beispiel mit ihren TB2-Drohnen, die im letzten Krieg um Berg-Karabach vor drei Jahren eine wichtige Rolle spielten. In der Freundschaft mit Erdogan dürfte es auch nicht unwichtig sein, dass Alijew Türkisch spricht. Beide regieren seit 2003, sie kennen und schätzen sich seit langem.

Daneben aber verbinden die Türkei und Aserbaidschan schlicht gemeinsame Interessen, gerade in der Energiepolitik. Armenien habe die Menschen in Nachitschewan zuletzt von der Aussenwelt abgeschnitten, klagte Ilham Alijew am Montag. Aserbaidschan verfügt über Öl und Gas, von beidem über viel. Doch Nachitschewan, die Exklave, kann Baku bisher nur über den Iran versorgen, es fehlt die Landverbindung.

Erdogans strategische Interessen

Die Türkei ihrerseits will ein «Energiehub» werden, so jedenfalls plant es Erdogan, mit einem LNG-Terminal für Gas aus Russland, aber auch mit Pipelines aus dem Kaspischen Meer und Zentralasien. Über die Pipeline nach Nachitschewan, deren Bau nun beginnt, kann Gas aus der Türkei direkt dorthin fliessen, der Umweg über den Iran entfällt.

Erdogan und Alijew schwächen mit der Pipeline also das Regime in Teheran. Und sie zeigen, was sie sich für die Zukunft vorstellen: Die beiden wollen, dass Armenien den versprochenen Landweg nach Nachitschewan öffnet, den Sangeschur-Korridor. Dieser soll das aserbaidschanische Staatsgebiet und Nachitschewan verbinden, entlang der armenisch-iranischen Grenze. Damit bekäme nicht nur Baku einen Landweg nach Nachitschewan und weiter in die Türkei. Auch die Türkei hätte dann, in der anderen Richtung, eine direkte Handelsverbindung zum Kaspischen Meer und weiter zu den Turkstaaten in Zentralasien.

Erdogan würde durch den Sangeschur-Korridor hindurch gern ein Eisenbahntrassee bauen, das, so die Hoffnung, von China in die «Belt and Road»-Initiative aufgenommen werden könnte, also in die neue Seidenstrasse. Die Türkei als Tor nach Europa, für Russland, für China, für die Turkstaaten, unter Umgehung Armeniens und des Iran, das ist Erdogans Idee. Jetzt, nach Armeniens Niederlage, erscheint ihm die Zeit dafür wohl günstig. Er wünsche sich, so Erdogan am Montag, dass Armenien seinem Nachbarn Aserbaidschan nun «die Hand reicht».

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