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Rätselhafter Insektenschwund: Findet die Apokalypse der Sechsbeiner bereits statt?

Rätselhafter Insektenschwund Findet die Apokalypse der Sechsbeiner bereits statt?

Das dramatische Insektensterben in Naturschutzgebieten ist eine Folge veränderter Wetterlagen im Zuge des Klimawandels, wie eine aktuelle Studie nun zeigt.

Der Lebensraum vieler Libellenarten ist zunehmend bedroht.

Der Lebensraum vieler Libellenarten ist zunehmend bedroht.

Foto: Getty Images

Ob Bienen, Ameisen, Schmetterlinge, Laufkäfer, Heuschrecken – unsere Welt ist voller Insekten. Sie machen rund drei Viertel aller Tierarten aus und sind für das Funktionieren von Ökosystemen rund um den Globus unerlässlich. Doch vielerorts verschwinden sie mehr und mehr, wodurch unter anderem auch vielen Vogelarten die Nahrung fehlt.

2017 sorgte eine Nachricht über den Insektenschwund in deutschen Naturschutzgebieten weltweit für Schlagzeilen: Über einen Zeitraum von 27 Jahren kam es zu einem Verlust von mehr als 75 Prozent der Fluginsekten-Biomasse. Doch wie konnte es dazu kommen? Wie lassen sich die Ergebnisse der sogenannten Krefelder-Studie von 1989 bis 2016 erklären? 

Bekannt ist, dass es in der intensiv genutzten Agrarlandschaft und auch in Städten viel weniger Insekten als früher gibt. Unklar war aber, warum es auf einmal auch in Westdeutschland mitten in Naturschutzgebieten zu diesem Phänomen kam. Gefangen wurden die Tiere damals mit Malaise-Fallen, wo sie zuerst gegen ein Netz flogen, dann nach oben stiegen, schliesslich in einem Behälter landeten und wo später deren Masse gewogen wurde.

Eine Malaise-Falle zum Fang flugfähiger Insekten, mit der sich die Biomasse wissenschaftlich ermitteln lässt.

Eine Malaise-Falle zum Fang flugfähiger Insekten, mit der sich die Biomasse wissenschaftlich ermitteln lässt.

Foto: Julia Rothacher

Eine neue Studie von Forschenden aus Deutschland und der Schweiz in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift «Nature» kommt jetzt zu dem Schluss, dass die Ursache für den 2017 publik gemachten Schwund an Insektenbiomasse insbesondere die Witterung und Witterungsanomalien im Zuge des Klimawandels waren.

Zuverlässige Prognosen möglich

«Diese wichtigen Treiber für die Entwicklung der Insektenpopulationen konnten wir nun erstmals in einem komplexen Modell abbilden», sagt der Biostatistiker Torsten Hothorn von der Universität Zürich. Die dafür eingesetzten Wettervariablen hätten sie auch noch von 2019 bis 2022 für andere Gebiete und Landschaften in Deutschland getestet und vor Ort mit Feldversuchen überprüft, sodass sich mit der verwendeten Methode in Zukunft sogar zuverlässige Prognosen machen liessen. 

Insekten sind als wechselwarme Tiere in ihrer gesamten Aktivität allgemein stark durch Temperatur und Feuchtigkeit geprägt. Klimatische Veränderungen haben sie deshalb schon immer beeinflusst. Manchmal war es demnach in den untersuchten Naturschutzgebieten der zu warme, trockene Winter, der die Überwinterungsstadien traf. In anderen Jahren ungünstige Frühjahrsbedingungen, die den Schlupf beeinträchtigten. Oder widrige Witterungsbedingungen während der Flugzeit.

Lebensräume besser schützen

«Die Autoren der aktuellen Studie haben nun einen Weg gefunden, einen grossen Teil des Rückgangs der damals gemessenen Biomasse in den Malaise-Fallen mithilfe der Einbeziehung von nur wenigen Wettervariablen endlich erklären zu können», sagt Roel van Klink vom Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung in Leipzig. Dies veranschauliche, dass die Auswirkungen des Klimawandels auf Insekten nicht nur in den Tropen, sondern auch bei uns in Europa bereits jetzt zu beobachten seien. 

Deshalb brauche es, so Roel van Klink, neben der massiven Reduktion von Treibhausgasen unbedingt auch eine Renaturierung und ein Ende der Zerstörung sowie der Verschmutzung von Lebensräumen. Denn in unserer intensiv genutzten Landschaft haben viele bedrohte Arten seit Jahrzehnten nur noch kleine und stark fragmentierte Restvorkommen. Werden diese grossräumig über viele Jahre synchron in ihren Populationen stark reduziert, ist das Aussterben vieler Arten nicht überraschend.

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