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Rätsel um eine junge Italienerin: Plötzlich war ihr Handy stumm

Rätsel um eine junge ItalienerinPlötzlich war ihr Handy stumm

Die italienische Flugbegleiterin Ilaria de Rosa war in Saudiarabien tagelang verschwunden. Dann erhielten ihre Eltern eine schreckliche Nachricht.

Sie bestreitet jede Schuld: Ilaria de Rosa.

Sie bestreitet jede Schuld: Ilaria de Rosa.

Foto: PD

Sogar Matteo Renzi, italienischer Senator und ehemaliger Premier, hat sich zum Fall Ilaria de Rosa geäussert. Wenn seine Hilfe notwendig sei, um die junge Frau zu befreien und aus Saudiarabien heimzuholen, stehe er dem italienischen Aussenministerium zur Verfügung.

Seine Gegner werfen Renzi vor, aus Kalkül eine Notlage zu instrumentalisieren, um sich mal wieder wichtigzumachen. Seine Beratertätigkeit, seine hoch bezahlten Vorträge in einer der übelsten Diktaturen der Welt, seine persönliche Freundschaft mit dem saudischen Premier Mohammed bin Salman seien schändlich – auch wenn er seine guten Beziehungen nun nutzen wolle, um den Vermittler zu spielen.

Die Angehörigen sind beunruhigt

Was ist geschehen? Die 23-jährige Ilaria de Rosa aus Treviso, einer Stadt in der Nähe von Venedig, lebt seit drei Monaten in Saudiarabien. Sie arbeitet dort als Flugbegleiterin für die litauische Charterfluggesellschaft Avion Express. Anfang Mai verstummt ihr Handy, sie antwortet nicht mehr auf die Nachrichten ihrer Eltern und nimmt auch keine Anrufe entgegen. Da sie zuvor jeweils täglich zumindest eine Nachricht schickte, sind die Angehörigen sehr schnell sehr beunruhigt.

Nach zwei Tagen meldet de Rosas Mutter Marisa Boin ihre Tochter als vermisst. Einen Tag später erhält sie von Beamten der «Farnesina», des italienischen Aussenministeriums, die Nachricht: Ilaria de Rosa ist in der saudischen Stadt Jidda am Roten Meer verhaftet worden.

Die Festnahme müsse ein Fehler sein, sagt Boin in einem Interview mit der italienischen Zeitung «La Stampa». Sie wisse nicht, was die saudischen Behörden ihrer Tochter vorwürfen, aber es sei sicher alles ein Missverständnis, das sich bald aufklären werde. Auch in de Rosas Heimatort in Venetien zweifeln die Menschen laut italienischen Medien keine Sekunde: Die junge Frau ist unschuldig. Schliesslich stamme sie aus einer «famiglia per bene», aus einer guten Familie. Sie sei eine intelligente, sympathische, selbstbewusste junge Frau, die unbeirrt ihre Ziele verfolge.

Sie soll einen Joint im BH versteckt haben.

Ilaria de Rosa hat an einer internationalen Universität in Maastricht studiert, wo ihr Vater als Offizier für die Nato arbeitet. Sie hat eine Zeit lang in Deutschland gelebt und spricht angeblich vier Sprachen, und sie nutzt ihren Job als Flugbegleiterin, um die Welt zu erkunden. Ihr Instagram-Profil ist voller Aufnahmen mit Stränden auf Kuba oder Sansibar und mit Fotos asiatischer, europäischer und arabischer Metropolen.

Bald stellt sich heraus, was die saudische Justiz der Italienerin vorwirft: Sie habe einen Joint in ihrem BH versteckt. Drogenbesitz, selbst in kleinsten Mengen, ist in Saudiarabien ein schweres Verbrechen. Die englische Boulevardzeitung «The Mirror» schreibt, die «Air Hostess» könnte dafür sogar hingerichtet werden.

«Eine intelligente, sympathische junge Frau» – so schildern ihre Nachbarn Ilaria de Rosa in italienischen Medien.

«Eine intelligente, sympathische junge Frau» – so schildern ihre Nachbarn Ilaria de Rosa in italienischen Medien.

Foto: PD

Nachdem sich Italiens Aussenminister Antonio Tajani persönlich eingeschaltet hat, darf der italienische Konsul in Jidda de Rosa im Gefängnis besuchen. Ihrer Erzählung zufolge hat sie gemeinsam mit einer Gruppe von Bekannten bei einem Freund zu Abend gegessen, als plötzlich zehn Männer in Zivil ins Haus eingedrungen seien. Sie durchsuchten die anwesenden männlichen Gäste und als einzige Frau sie, de Rosa – vielleicht, vermutet die Italienerin, weil sie im Unterschied zu den anderen Frauen keine Araberin sei.

Ist es eine Entführung?

Die Unbekannten geben sich laut de Rosa nicht als Polizisten zu erkennen. Sie denkt zunächst an einen Überfall und an eine Entführung durch Kriminelle – bis man sie auf einen Polizeiposten bringt und nach fünf Tagen erstmals verhört.

Die Italienerin bestreitet laut dem Konsul kategorisch, etwas mit illegalen Substanzen zu tun zu haben. Ihre Mutter betont, die Fluggesellschaft, für die de Rosa arbeitet, lasse ihre Angestellten regelmässig auf Drogenkonsum testen. In italienischen Medien kursiert nun die Vermutung, de Rosa habe den Joint vielleicht versteckt, um dessen wahren Besitzer zu schützen – in der Meinung, dass man sie als Frau nicht durchsuchen würde. Immer vorausgesetzt, dass die Behauptung der saudischen Polizei zutrifft.

Amnesty International schildert in seinem jüngsten Länderreport Saudiarabien als Land willkürlicher Verhaftungen, grotesk unfairer Prozesse, Folterungen, Hinrichtungen und systematischer Menschenrechtsverletzungen, insbesondere gegenüber Frauen. 

Sie hat ein Dokument unterschrieben, ohne den Inhalt zu verstehen.

Fragt sich, wie sehr in Italien die öffentliche Aufmerksamkeit für Ilaria de Rosas Schicksal von ihrem Profil als junge Frau und von Äusserlichkeiten mitbestimmt ist. Das Ziel der italienischen Behörden besteht nun jedenfalls darin, die saudische Justiz zu bewegen, de Rosa des Landes zu verweisen. Allerdings hat sie dem Konsul erzählt, nach dem Verhör ein arabisch geschriebenes Dokument unterzeichnet zu haben, ohne dessen Inhalt zu verstehen. Unklar ist, ob man sie dazu gezwungen hat. Und was genau drinsteht.

Das italienische Aussenministerium und italienische Konsularbeamte haben den Ruf, verhafteten Landsleuten energisch und effektiv konsularischen Schutz zu bieten – auch ohne die Hilfe von Renzi. Aber falls de Rosa ein Schuldeingeständnis unterschrieben hat, könnte sie eine dunkle Zeit erwarten.

Sandro Benini ist Redaktor im Ressort Kultur und Gesellschaft. Er hat italienische und deutsche Literatur studiert und war elf Jahre lang Lateinamerika-Korrespondent mit Wohnsitz in Mexiko. Mehr Infos

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