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Nachhaltigkeit im Schweizer ÖV: Weg vom Diesel, mit Geldern vom Bund – aber wohin?

Nachhaltigkeit im Schweizer ÖVWeg vom Diesel, mit Geldern vom Bund – aber wohin?

Der nationale ÖV-Verband fordert Bundesgelder für Elektro- und Wasserstoffbusse. Doch was taugen sie im täglichen Einsatz? Und braucht es wirklich Geld vom Staat?

Während des kurzen Zwischenhalts wird mit voller Leistung nachgeladen: Die Verkehrsbetriebe Glattal haben am Flughafen Zürich einen sogenannten Pantografen montiert. 

Während des kurzen Zwischenhalts wird mit voller Leistung nachgeladen: Die Verkehrsbetriebe Glattal haben am Flughafen Zürich einen sogenannten Pantografen montiert. 

Foto: Leo Wyden

Wäre er nicht gross angeschrieben, hielten ihn die Passagiere für einen ganz normalen modernen Linienbus. Doch dieser Bus fährt mit Wasserstoff. Unter der Haube produziert eine Brennstoffzelle Strom, der den Akku lädt und einen Elektromotor antreibt. Auf der abschüssigen Strasse Richtung Münster wird Energie zurückgespeist. Der Wasserstoffbus ist derzeit testweise in der Schweiz unterwegs. Heute bringt er Gäste in Freiburg vom Bahnhof zum Ausstellungsgelände, wo die Fachmesse «Bus 22» stattfindet.

Spätestens dort wird klar, in welche Richtung der öffentliche Verkehr steuern soll: In der grossen Halle stehen 25 Busse der wichtigsten Hersteller. Alle haben einen Elektroantrieb. Ausser einem Postauto, das mit verschiedenen Flüssigtreibstoffen zurechtkommt, und dem Wasserstoffbus, der inzwischen vor der Halle parkiert worden ist. Bei der letzten Ausstellung vor vier Jahren war es genau umgekehrt: Damals waren hier nur Busse mit Verbrennungsmotoren zu sehen, ausser einem mit Akku bestückten Vorzeigemodell. 

«Es braucht eine Anschubfinanzierung durch den Bund.»

Ueli Stückelberger, Direktor des Verbands öffentlicher Verkehr

«Die Technik ist nun bereit», sagt Ueli Stückelberger, Direktor des Verbands öffentlicher Verkehr. Die Branche müsse schnell vom Diesel wegkommen. Es seien ökologischere Antriebe einzusetzen: etwa Elektro- oder sogar Wasserstoffmotoren. Die ÖV-Branche müsse ihren Beitrag leisten, damit der Bund seine Klimaziele erreiche. Einige Städte haben bereits beschlossen, dass bis 2030 kein Dieselfahrzeug mehr seine Runden ziehen soll.

Ohne Bundesgeld sei der ökologische Umbau nicht schnell zu schaffen, sagt Ueli Stückelberger, Direktor des Verbands öffentlicher Verkehr.

Ohne Bundesgeld sei der ökologische Umbau nicht schnell zu schaffen, sagt Ueli Stückelberger, Direktor des Verbands öffentlicher Verkehr.

Foto: Raphael Moser

Allerdings hapert es vielerorts beim Geld. «Es braucht eine Anschubfinanzierung durch den Bund», fordert Stückelberger. In einem Gesetzesentwurf zuhanden der nationalen Verkehrkommissionen legt er dar, wie diese aussehen könnte: Die Eidgenossenschaft soll bis im Jahr 2035 für jeden neuen, ökologischeren Bus einen Investitionsbeitrag überweisen – von 30’000 Franken für ein kleines Gefährt bis zu 250’000 Franken für einen Doppelgelenkbus. Das soll für die Verkehrsbetriebe ein Anreiz sein, neue, innovative Fahrzeuge zu beschaffen, die Ladeinfrastruktur aufzubauen und wenn nötig die Werkhallen anzupassen. 

Ist die Anschubfinanzierung wirklich nötig? In einigen grossen Städten, wo die Abkehr von fossilen Treibstoffen bereits forciert wird, wohl eher nicht. Eher schleppend voran geht der ökologische Umbau hingegen in einigen kleineren Städten und in ländlichen Kantonen. Zu reden geben könnte zudem, dass Wasserstoffbusse bereits heute gefördert werden: Betreiber, die Busse mit Wasserstoff betanken, können via My Climate und die Stiftung Klimaschutz und CO₂‑Kompensation (Klik) Förderbeiträge für Neuanschaffungen beziehungsweise für nicht verursachte Emissionen beziehen.

Diese Beiträge seien aber «recht bescheiden», argumentiert Ueli Stückelberger. Selbst wenn ein Betreiber Fördergelder aus mehreren Quellen erhalte, würden bei weitem nicht alle Mehrkosten gedeckt.

Schlusslicht Schweiz

Die Schweiz weist einen grossen Rückstand auf viele europäische Länder auf: In einem Nachhaltigkeitsrating, das der Niederländer Wim Chatrou Jahr für Jahr zusammenstellt, liegt die hiesige Busbranche auf dem viertletzten Rang. «Das ist nicht gut», kommentiert Stückelberger. «Wir müssen aufholen.»

Die Schweizer Transportbetriebe investierten in den letzten Jahren wenig in autonome Elektrobusse. Das zeigt auch eine eigene Auswertung der Daten zu den Fahrzeugzulassungen des Bundesamts für Strassen. Vier von fünf der in der Schweiz zugelassenen rund 6400 Busse werden mit Diesel angetrieben. Nur bei jedem zehnten Gefährt handelt es sich um einen Hybridbus mit Elektro- und Dieselantrieb. E-Busse hingegen machen nur 7 Prozent der Fahrzeugflotte aus, und Gasfahrzeuge lediglich 2 Prozent. Gezählt werden auch Fahrzeuge, die zwar zugelassen sind, aber kaum noch eingesetzt werden. 

Da Trolleybusse, die den Strom von einer Oberleitung beziehen, keine ordentliche Zulassung benötigen und auch kein Nummernschild haben, wurden sie vom Bund manuell erfasst, vermutlich aber nicht vollständig. Verzeichnet sind in den Daten 318 Trolleys. Solche Busse, wie sie insbesondere in grösseren Städten ihre Runden drehen, machen weiterhin Sinn: Sie fahren ökologisch, sind aber – im Gegensatz zu den autonomen Elektrobussen – nicht auf sehr grosse, entsprechend teure und ökologisch problematische Akkus angewiesen. 

Der ökologische Umbau hat seine Tücken

Die Auswahl an E-Bussen ist gross, wie die Ausstellung zeigt. Und trotzdem ist das Umrüsten nicht in jedem Fall sinnvoll. Das Hauptproblem neben den Kosten ist nach wie vor die Reichweite. Abhängig von der Strecke legt ein Bus im Linienverkehr täglich bis zu 500 Kilometer zurück. Die meisten aktuellen Busse schaffen es mit einer Ladung nicht so weit. Insbesondere nicht im Sommer, wenn die Klimaanlage brummt, oder im Winter, wenn geheizt werden muss. Und auch nicht, wenn der Bus regelmässig den Knicks machen muss, um den Gästen das Ein- und Aussteigen zu erleichtern.

In der Realität schaffen es die meisten Busse selbst in der teuersten Version mit leistungsstarken Akkus nur auf rund die Hälfte der beworbenen Reichweite. Viele bringen es gar nur auf 150 Kilometer. Entsprechend müssen die Akkus auf dem Dach regelmässig geladen werden. Entweder geschieht dies über Nacht im Depot. Dann wird aber für jeden einzelnen Bus teure Ladeinfrastruktur benötigt. Und das Depot muss, da viele Fahrzeuge gleichzeitig geladen werden, mit genügend Strom versorgt werden.

Die Alternative oder Ergänzung ist die sogenannte Gelegenheitsladung: Die Busse werden immer wieder zwischendurch geladen, wenn sie etwa am Bahnhof oder an der Wendeschleife stehen. Solche Installationen sind ebenfalls teuer. Oftmals können die Busse nicht genügend lange stehen gelassen werden. Und: Auf die Dauer schadet das Schnellladen den Akkus. 

Die Akkus auf einem Elektrobus der Basler Verkehrsbetriebe.

Die Akkus auf einem Elektrobus der Basler Verkehrsbetriebe.

Foto: Florian Baertschiger

Wasserstoffbusse hingegen lassen sich in relativ kurzer Zeit betanken. Und mit ihnen können auch längere Strecken abgespult werden. Allerdings gibt es erst wenige serienreife Modelle. Zudem gelten sie als nicht besonders effizient, denn bei der Produktion von Wasserstoff geht rund die Hälfte der Energie als Abwärme verloren. Elektrische Energie in Wasserstoff umzuwandeln, macht nur Sinn, wenn es zeitweise einen grossen Stromüberschuss gibt. Ein weiterer Verlust entsteht, wenn der Wasserstoff in der Brennstoffzelle wieder in Strom umgewandelt wird, mit dem schliesslich der Elektromotor des Busses angetrieben wird. Wie beim eingangs erwähnten Bus. 

Weitaus sinnvoller ist es, wenn ein Motor direkt mit Wasserstoff betrieben wird. An einem solchen arbeitet ein Team der Hochschule für Technik und Architektur in Freiburg gemeinsam mit der Maschinenfabrik Liebherr. Im Jahr 2025 soll ein erster mit einem solchen Motor ausgestatteter Bus auf dem Liniennetz der Freiburger Verkehrsbetriebe TPF unterwegs sein. 

Mathias Born ist Redaktor und Datenjournalist im Wirtschaftsressort. Er arbeitet seit dem Jahr 2000 als Journalist. Mathias Born hat ein Studium in Medienwissenschaft sowie eine Datenjournalismus-Ausbildung abgeschlossen.

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@thisss

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