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Nach Jahrhundert-Erdbeben in Marokko: Über 2000 Todesopfer +++ dreitägige Staatstrauer

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Das Jahrhundert-Erdbeben in Marokko hat bislang über 2000 Menschenleben gefordert und schwere Schäden verursacht.Bild: keystone

In der Nacht von Freitag auf Samstag ereignete sich ein schweres Erdbeben in Marokko. Die Opferzahl liegt derzeit bei 2012 bestätigten Toten. In weiten Gebieten vom Atlasgebirge bis zur berühmten Altstadt von Marrakesch wurden Gebäude teils völlig zerstört und berühmte Kulturdenkmäler beschädigt.

In der Bevölkerung brach nach dem Erdbeben Panik aus. Rettungskräfte suchten unter den Trümmern fieberhaft nach Überlebenden. Es wurde jedoch befürchtet, dass die offizielle Zahl der Opfer weiter steigt, wenn die Einsatzkräfte entlegene Regionen erreichen.

Marokko hat nach dem verheerenden Erdbeben eine dreitägige Staatstrauer ausgerufen. Die Geschehnisse im Überblick:

Das Erdbeben

Das Beben vom späten Freitagabend war das schlimmste seit Jahrzehnten in Marokko. Es ereignete sich Freitagnacht um 23.11 Uhr Ortszeit und dauerte mehrere Sekunden. Nach Angaben der US-Erdbebenwarte USGS hatte es eine Stärke von 6,8, laut dem Helmholtz-Zentrum Potsdam 6,9. Das Epizentrum lag gut 70 Kilometer südwestlich von Marrakesch im Atlasgebirge. Dem USGS zufolge ereignete sich das Beben in einer Tiefe von 18,5 Kilometern. Erdbeben in einer solch geringen Tiefe sind laut Experten besonders gefährlich.

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Das Epizentrum des Erdbebens befand sich südwestlich von Marrakesch, wie eine Karte des United States Geological Survey zeigt.Bild: keystone

Das Beben sei in einem Umkreis von 400 Kilometern zu spüren gewesen, sagte Nasser Jabour, Leiter einer Abteilung des Nationalen Instituts für Geophysik, der marokkanischen Nachrichtenagentur MAP. Es sei das erste Mal seit einem Jahrhundert, dass ein derart starkes Erdbeben in Marokko registriert worden sei.

Die Erschütterung riss auch in Spanien und Portugal Menschen aus dem Schlaf. Auch in Algerien war es zu spüren. Über Schäden oder Opfer wurde dort jedoch nichts bekannt.

Kurz danach kam es zu einem Nachbeben der Stärke 4,9. Aus Angst vor weiteren Beben blieben viele im Freien. Verängstigte Bewohner standen in Strassen oder kauerten auf Gehwegen.

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Hunderte von Menschen schlafen im Freien auf dem Platz Jeema El Fna in Marrakesch.Bild: keystone

Erdbeben treten in Nordafrika nur relativ selten auf. 1960 hatte sich nach Angaben des Senders Al Arabiya in der Nähe von Agadir ein Beben der Stärke 5,8 ereignet, bei dem Tausende Menschen ums Leben gekommen waren. Das letzte grosse Beben erschütterte Marokko 2004 mit einer Stärke von 6,4. Mehr als 600 Menschen kamen damals ums Leben.

Todesopfer, Verletzte und Überlebende

Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO sind mehr als 300 000 Menschen in Marrakesch und umliegenden Gebieten vom Erdbeben betroffen. Sie verbrachten die zweite Nacht in Unsicherheit und Trauer. Die Zahl der Toten stieg nach Angaben marokkanischer Behörden auf inzwischen 2012. Mindestens 2059 weitere Menschen wurden verletzt, mehr als die Hälfte davon schwer, wie marokkanische Medien in der Nacht auf Sonntag unter Berufung auf das Innenministerium berichteten.

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Die Armee birgt die Leichen der Erdbebenopfer in Tafeghaghte, Marokko.Bild: keystone

Auf Bildern und Videos in sozialen Netzwerken waren in der Nacht zum Samstag und am frühen Morgen zerstörte Gebäude und beschädigte Teile der berühmten roten Mauern zu sehen, die die Altstadt von Marrakesch umgeben, ein UNESCO-Weltkulturerbe. Andere Videos zeigten schreiende Menschen, die Restaurants in der Stadt verliessen. Aus vielen Provinzen wurden Tote gemeldet. Kurz danach kam es zu einem Nachbeben der Stärke 4,9. Aus Angst vor weiteren Beben blieben viele im Freien. Verängstigte Bewohner standen in Strassen oder kauerten auf Gehwegen.

Schwierige Rettung

Nach dem schweren Erdbeben mit mindestens 2000 Toten stehen die Bergungs- und Rettungstrupps vor grossen Herausforderungen. «Einige der am schlimmsten betroffenen Gebiete sind recht abgelegen und bergig und daher schwer zu erreichen», teilte die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRC) in einer Mitteilung mit. Die marokkanische Nachrichtenseite Hespress berichtete am Sonntag, dass ein Einsatzteam aus Spanien mit Hunden inzwischen in Marokko eingetroffen sei, um die Such- und Rettungskräfte zu unterstützen.

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Eine Familie sitzt nach einem Erdbeben im Dorf Moulay Brahim in der Nähe von Marrakesch vor ihrem Haus.Bild: keystone

Es wurde unterdessen befürchtet, dass die Zahl der Opfer weiter steigt, wenn Einsatzkräfte entlegene Regionen erreichen. Das ganze Ausmass der Katastrophe war daher zunächst ungewiss. «Meine Frau, meine Kinder und ich versuchten, das Haus zu verlassen, aber meine kleine Tochter und mein Vater, der 102 Jahre alt ist, blieben. Ich habe versucht, zurückzugehen, um sie herauszuholen, aber vergeblich, mein Vater und meine Tochter sind dort gestorben», schilderte ein Überlebender in der Stadt Imintanoute der Nachrichtenseite Hespress.

Die Schäden

Das Epizentrum lag gut 70 Kilometer südwestlich von Marrakesch im Atlasgebirge. Dort liegen Ortschaften entlang steiler und kurvenreicher Serpentinen. Da Erdbeben in Nordafrika relativ selten auftreten, sind Gebäude nach Einschätzung von Experten nicht robust genug gebaut, um solchen starken Erschütterungen standzuhalten. Das Beben der Stärke 6,8 hatte am späten Freitagabend Panik ausgelöst.

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Die angerissene Fassade eines Minaretts in Moulay Brahim, in der Nähe von Marrakesch.Bild: keystone

In Gebieten vom Atlasgebirge bis zur Altstadt von Marrakesch wurden einige Gebäude zerstört und berühmte Kulturdenkmäler beschädigt. Das Beben sei in einem Umkreis von 400 Kilometern zu spüren gewesen, sagte Nasser Jabour, Leiter einer Abteilung des Nationalen Instituts für Geophysik, der marokkanischen Nachrichtenagentur MAP. Es dauerte mehrere Sekunden an. Nach Angaben der US-Erdbebenwarte USGS ereignete sich das Beben in einer Tiefe von 18,5 Kilometern. Erdbeben in einer solch geringen Tiefe sind Experten zufolge besonders gefährlich.

Auch Teile des Unesco-Welterbes in der Altstadt von Marrakesch sind beschädigt worden. Der Regionalleiter des marokkanischen Kulturministeriums, Hassan Hernan, bestätigte der Deutschen Presse-Agentur am Samstag, dass die Gebäude der Medina von Marrakesch teilweise beschädigt worden seien. Einige der historischen Gebäude wiesen Risse auf. «Das Bild wird erst in 48 Stunden vollständig sein, aber sicher ist, dass der Schaden an wichtigen historischen Stätten in der Altstadt bisher gering ist», sagte Hernan.

Staatstrauer

Marokko hat nach dem verheerenden Erdbeben eine dreitägige Staatstrauer ausgerufen. Nationalflaggen an allen öffentlichen Einrichtungen sollen dafür auf halbmast gesetzt werden, wie die staatliche Nachrichtenagentur (MAP) unter Berufung auf eine Mitteilung des Königshofs am Samstagabend berichtete. Zuvor hatte König Mohammed VI. demnach ein Krisentreffen mit Sicherheitsbeamten abgehalten, um das weitere Vorgehen zu beraten.

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Eine Gruppe von Männern reiht die Leichen der beim Erdbeben in Marrakesch getöteten Menschen auf.Bild: keystone

Hilfsangebote und Reaktionen aus dem Ausland

Rettungskräfte in mehreren Ländern packten bereits Hilfsmittel zusammen – für den Fall, dass sie von Marokko angefordert werden. «Die Zeit läuft», sagte Julián Hidalgo, Koordinator der spanischen Hundestaffel der Feuerwehr von Sevilla. Die Chancen, noch Überlebende unter den Trümmern zu finden, schwänden von Stunde zu Stunde.

Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen nahmen nach eigenen Angaben Kontakt zu den marokkanischen Behörden auf, um Teams in das Katastrophengebiet zu entsenden. «Fest steht, die Menschen in den Katastrophenregionen brauchen nun dringend humanitäre Hilfe», sagte Christian Reuter, Generalsekretär des Deutschen Roten Kreuzes (DRK).

Bundespräsident Alain Berset (SP) hat nach dem schweren Erdbeben in Marokko sein Mitgefühl ausgedrückt. Auf dem Kurznachrichtendienst X, vormals Twitter, schrieb er am Samstagvormittag, dass die Schweiz mit Marokko solidarisch sei.

Nos pensées sont avec les
Marocaines et les Marocains touchés par ce terrible tremblement de terre. Nos plus sincères condoléances aux familles des victimes. La #Suisse 🇨🇭 est solidaire avec le #Maroc 🇲🇦.

— Alain Berset (@alain_berset) September 9, 2023

«Unsere Gedanken sind bei den Marokkanerinnen und Marokkanern, die von diesem schrecklichen Erdbeben betroffen sind», twitterte Berset. Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) hat am Samstagmorgen entschieden, Marokko ein Hilfsangebot zu unterbreiten.

Das Hilfsangebot aus der Schweiz werde auf die Bedürfnisse vor Ort ausgerichtet, die Krisenzelle der Humanitären Hilfe des EDA sei weiterhin aktiv und analysiere die Situation laufend. Man stehe dazu in regelmässigem Kontakt mit der Schweizer Botschaft in Rabat und den zuständigen Behörden in Marokko, schrieb das EDA am Samstagnachmittag in einer Mitteilung.

Den Mitarbeitern der Botschaft gehe es nach dem Erbeben der Stärke 6,8 bis 6,9 gut. Hinweise auf Schweizer Opfer gebe es keine. Bei der Helpline des Bundes gingen bis zum späteren Samstagnachmittag rund hundert Anfragen ein. Aktuell sind 102 Schweizer Reisende in Marokko in der TravelAdminApp des Bundes registriert. 2545 Schweizerinnen und Schweizer leben in Marokko.

Bist du vor Ort?

Befindest du dich gerade in Marokko und möchtest deine Eindrücke aus dem Erdbebengebiet teilen? Dann melde dich bei uns über [email protected].

Hilfsangebote aus der ganzen Welt

Die Europäische Union bot Marokko Hilfe an. «Die EU ist bereit, Marokko in diesen schwierigen Momenten zu unterstützen», schrieb EU-Ratspräsident Charles Michel über den Kurznachrichtendienst X (ehemals Twitter). Die Nachrichten aus dem Land seien schrecklich.

Auch der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz drückt sein Mitgefühl aus:

Das sind schlimme Nachrichten aus #Marokko. In diesen schweren Stunden sind unsere Gedanken bei den Opfern des verheerenden Erdbebens. Unser Mitgefühl gilt allen Betroffenen dieser Naturkatastrophe.

— Bundeskanzler Olaf Scholz (@Bundeskanzler) September 9, 2023

US-Präsident Joe Biden hat sich «tieftraurig» über den Verlust von Menschenleben und die Zerstörungen durch das Erdbeben in Marokko geäussert. «Unsere Gedanken und Gebete sind bei all denen, die von diesem schrecklichen Elend betroffen sind», heisst es in einer Mitteilung des Weissen Hauses vom Samstag. Seine Regierung sei in Kontakt mit den marokkanischen Behörden. «Die Vereinigten Staaten stehen an der Seite Marokkos und meines Freundes König Mohammed VI. in diesem schwierigen Augenblick», schrieb Biden. Die Vereinigten Staaten seien bereit, Marokko bei der Bewältigung der Katastrophe «jede notwendige Unterstützung zukommen zu lassen», teilte US-Aussenminister Antony Blinken mit.

Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez, der wegen einer Corona-Infektion nicht an dem Gipfel teilnehmen konnte, sicherte Marokko die Solidarität seines Landes zu. «Spanien ist bei den Opfern und ihren Angehörigen dieser Tragödie», schrieb der Sozialist auf der bisher als Twitter bekannten Plattform X.

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Hunderte von Menschen schlafen im Freien auf dem Platz Jeema El Fna in Marrakesch.Bild: keystone

Auch Portugals Regierungschef António Costa zeigte sich bestürzt. «Das Erdbeben in Marokko macht uns zutiefst traurig und ich spreche seiner Majestät dem König, den Opferfamilien und dem gesamten marokkanischen Volk, unserem Nachbarn, unser Beileid aus», schrieb er auf X. Portugals Aussenministerin Teresa Gouveia bot in einer Botschaft Hilfe ihres Landes «im Rahmen des Katastrophenschutzes» an, wie die Zeitung «Público» unter Berufung auf das Aussenministerium in Lissabon berichtete.

Auch Israel will Marokko nach dem schweren Erdbeben humanitäre Hilfe leisten und Suchtrupps schicken. Alle Regierungsbehörden seien angewiesen worden, die Entsendung einer Hilfsdelegation vorzubereiten, teilte das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Samstag mit. Das israelische Volk stehe «in dieser schweren Stunde» an der Seite des marokkanischen Volks, sagte Netanjahu demnach. Israelische Medien meldeten zudem, Verteidigungsminister Joav Galant habe die Armee angewiesen, die Entsendung von Such- und Rettungseinheiten vorzubereiten.

Chinas Staatschef Xi Jinping sprach dem König von Marokko sein Beileid aus. Der Papst äusserte in einem Kondolenzschreiben tiefe Trauer.

Auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan drückte sein Mitgefühl aus. «Wir stehen unseren marokkanischen Geschwistern an diesem schweren Tag mit allen Mitteln zur Seite», schrieb Erdogan auf der Plattform X. Der Südosten seines Landes sowie Syrien waren Anfang Februar selbst von einem verheerenden Erdbeben der Stärke 7,8 getroffen worden – allein in der Türkei kamen dabei mehr als 50'000 Menschen ums Leben.

Algerien will Luftraum zu Marokko wieder öffnen

Trotz diplomatischer Spannungen hat Algerien im Zuge des schweren Erdbebens in Marokko angeboten, den Luftraum zum Nachbarland wieder zu öffnen. Wie die staatliche Nachrichtenagentur APS am Samstag berichtete, brachten die algerischen Behörden «ihre volle Bereitschaft zum Ausdruck, humanitäre Hilfe zu leisten». Demnach soll der Luftraum für Flüge von Verwundeten und Verletzten und zum Transport humanitärer Hilfe «im Falle einer Anfrage des Königreichs Marokkos» wieder geöffnet werden.

Algerien und Marokko unterhalten seit August 2021 keine diplomatischen Beziehungen mehr. Grund seien «feindliche Aktionen von Rabat», hiess es damals. In dem Streit ging es um Gebiete in der Westsahara. Algerien hatte in dem Zusammenhang den Luftraum für alle marokkanischen Flugzeuge gesperrt. Die Grenze ist seit langem geschlossen.

(lak/lst/leo/sda/dpa)