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Mutterkonzern der Swiss kauft zu: Warum Lufthansa eine italienische Krisen-Airline übernimmt

Mutterkonzern der Swiss kauft zuWarum Lufthansa eine italienische Krisen-Airline übernimmt

Lange ging es hin und her, nun ist es offiziell: Die deutsche Fluggesellschaft übernimmt zunächst teilweise und später ganz die ITA Airways. Ob sich der Deal auszahlt, ist zweifelhaft. 

Bald ein Teil der Lufthansa: Eine Maschine der ITA Airways über Los Angeles.

Bald ein Teil der Lufthansa: Eine Maschine der ITA Airways über Los Angeles.

Foto: Jae C. Hong (Keystone) 

Die Lufthansa steigt bei der italienischen Fluggesellschaft ITA Airways ein. Der deutsche Konzern, zu dem auch die Schweizer Airline Swiss gehört, vereinbarte mit dem italienischen Staat die Übernahme einer Minderheit. Das teilten die Lufthansa und das Finanzministerium in Rom am Donnerstag mit.

Der Deal kommt nicht überraschend – und stiess schon vorab auf Widerstand. An der Lufthansa-Generalversammlung kritisierte unter anderem Hendrik Pontzen vom Lufthansa-Aktionär Union Investment die Pläne. Sein Arbeitgeber glaube nicht, «dass sich die Übernahme der defizitären ITA für die Aktionäre auszahlen wird». Bei der Integration übernommener Gesellschaften habe sich «die Lufthansa schon in der Vergangenheit nicht mit Ruhm bekleckert. Wir können uns nicht vorstellen, wie sich eine ITA oder gar ein weiterer potenzieller Übernahmekandidat aus Portugal erfolgreich integrieren lässt.»

«Keine Strategie und keine Vision»

Und überhaupt, rief Pontzen Lufthansa-Chef Carsten Spohr zu: «Wir wissen nicht, wo Sie nach dem Ende der Pandemie mit der Lufthansa eigentlich hinwollen. Sie haben keine klare Strategie und keine klare Vision.»

Wichtigster Lufthansa-Aktionär: Der deutsche Unternehmer Klaus-Michael Kühne.

Wichtigster Lufthansa-Aktionär: Der deutsche Unternehmer Klaus-Michael Kühne.

Foto: Oliver Ruhnke (Imago)

Kritik kam auch vom grössten Aktionär der Lufthansa-Gruppe: dem in Schindellegi SZ wohnhaften Logistikmilliardär Klaus-Michael Kühne (lesen Sie hier über seine Kritik an der Swiss). Dessen Statthalter Karl Gernandt wurde an der Generalversammlung in den Aufsichtsrat gewählt. Gernandt habe in Kühnes Auftrag nachgefragt, ob man die Fülle von Marken nicht reduzieren könne. 

Irgendwie aber hat Spohr an dieser ITA einen Narren gefressen. Und so liess er seine Leute auch lange nach dem Ende der offiziellen Deadline weiterverhandeln, vor allem darüber, wie viel Lufthansa am Ende für die wirklich sehr defizitäre italienische Fluggesellschaft zahlen muss. Am Donnerstag flog Spohr dann endlich nach Rom, denn am Ende bekam Lufthansa nun doch nach jahrelangen Wirrungen den Zuschlag: Die Lufthansa wird zunächst 41 Prozent der Anteile an der italienischen Fluggesellschaft ITA Airways übernehmen.

Dafür werden im Rahmen einer Kapitalerhöhung 325 Millionen Euro investiert, wie der Konzern am Donnerstagabend mitteilte. Das Wirtschafts- und Finanzministerium in Rom als bisheriger Alleineigner verpflichte sich, weitere 250 Millionen Euro einzubringen. «Wir sehen für ITA als Teil unserer Gruppe gute Erfolgsaussichten», versprach Spohr den Aktionären.

Lufthansa will Zugang zu wichtigen Märkten

Mit dieser Einschätzung stehen Spohr und sein Verhandlungsteam allerdings ziemlich allein da, denn Pontzen ist bei weitem nicht der Einzige, der die Logik hinter der Übernahme infrage stellt. Spohr selbst hatte unlängst eingeräumt, dass ITA wohl eher nicht so profitabel werden könne wie die Lufthansa-Tochter Swiss International, sondern eher so wie die anderen beiden Ableger in Nachbarländern, Austrian und Brussels Airlines. Sprich: entweder gar nicht oder nur ein kleines bisschen in sehr guten Zeiten wie zum Beispiel dem Jahr 2023.

Doch Spohr geht es um die im Lufthansa-Konzern seit vielen Jahren gepflegte Idee, in Europa ein wachsendes System von Drehkreuzen aufzubauen, durch das Lufthansa sich den Zugang zu wichtigen Märkten sichern soll. In den einzelnen Ländern dürfen die zugekauften Fluglinien ihre eigene Marke, ein eigenes Management und ein gewisses Mass an Autonomie behalten. Das Argument des Marktzugangs wiegt dabei in den internen Debatten offenbar weit schwerer als die Frage, ob der Markt wirklich so attraktiv ist oder dass das übernommene Unternehmen funktioniert.

Schön ablesen kann man das an Swiss, Austrian und Brussels. Swiss war ein grosser Erfolg, vor allem weil der Schweizer Markt so ungeheuer lukrativ ist. Ausserdem hatte die Airline vor dem Einstieg der Lufthansa eine harte Sanierung durchlaufen. Das Gegenbeispiel ist Austrian. Der Markt Österreich ist weniger attraktiv (weniger Langstrecken, weniger Geschäftsreisende) und Austrian war nicht wirklich saniert, als Lufthansa einstieg.

Ein schwieriger Fall

ITA dürfte ebenfalls ein schwieriger Fall werden. Die Airline wurde 2021 vom Staat gegründet, nachdem die notorisch defizitäre Alitalia im Zuge der Corona-Pandemie endgültig pleitegegangen war. Zuletzt hatten die Verhandlungen auch deswegen gestockt, weil Lufthansa keinesfalls in alte Forderungen gegen Alitalia hineinlaufen wollte – die italienischen Gewerkschaften betrachten ITA als deren Nachfolger, eine Einschätzung, die die Regierung vehement bestreitet.

Für den Aufbau der ITA hat die Europäische Kommission mehr als eine Milliarde Euro an Staatshilfen genehmigt, doch nach horrenden Verlusten seit dem Start im Herbst 2021 ist das Geld schon wieder knapp. Zwar hat ITA derzeit sehr niedrige Personalkosten, die Tarifverträge für Piloten und Flugbegleiter sind deutlich unter dem Branchenschnitt. Aber genau das dürfte Teil des Lufthansa-Problems werden: Die Kosten werden deutlich steigen, wenn der neue Eigentümer eingestiegen ist.

Rom soll als Drehkreuz aufgebaut werden und sich auf Nordafrika spezialisieren.

ITA hat zudem längst die Kontrolle über den italienischen Markt an Ryanair und andere Billig­fluggesellschaften verloren – allein Ryanair kommt auf einen Marktanteil von 40 Prozent. Es bleiben ein paar attraktive Strecken wie Rom–Mailand und vielleicht ein paar Langstrecken, aber ob das reicht, um wenigstens an das Austrian-Niveau heranzukommen?

Spohr jedenfalls glaubt, dass es gelingt. Rom (und nicht Mailand) soll als Drehkreuz aufgebaut werden und sich vor allem auf Nordafrika und perspektivisch Lateinamerika spezialisieren. Allerdings: In Afrika sind die Konzerntöchter Swiss und Brussels Airlines schon eifrig zugange. 

Und was Lateinamerika angeht, da steht TAP Air Portugal bald zum Verkauf. Und die hat im Gegensatz zu ITA Airways ein wirklich attraktives Streckennetz über den Südatlantik.

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