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Knatsch hoch über dem Vierwaldstättersee: Katarer bleiben auf ihren Bürgenstock-Suites sitzen – wegen bizarren Küchenstreits

Knatsch hoch über dem VierwaldstätterseeKatarer bleiben auf ihren Bürgenstock-Suites sitzen – wegen bizarren Küchenstreits

Ein aktuelles Gerichtsurteil legt offen, wie sich der Kanton Nidwalden und der Bund um die Auslegung der Lex Koller streiten. Was der harzige Verkauf der 67 Luxusapartments mit Küchen zu tun hat. 

Die Sicht vom Bürgenstock Hotel auf das Palace Hotel: Im Resort über dem Vierwaldstättersee hängt der Haussegen schief.

Die Sicht vom Bürgenstock Hotel auf das Palace Hotel: Im Resort über dem Vierwaldstättersee hängt der Haussegen schief.

Foto: Keystone

Sie tragen Namen wie «Panorama Residence» oder «Lakeview Villas», versprechen ein «sorgloses Leben» im «Zuhause über den Wolken». Der glamouröse Webauftritt verspricht schon lange: «Coming soon» – demnächst verfügbar. Aber davon ist man auf dem Bürgenstock, hoch über dem Vierwaldstättersee, weit entfernt.

Auch fünf Jahre nach Eröffnung des Resorts ist noch keine einzige der 67 Residenzwohnungen und Villas, die wie die vier Hotels dem Staatsfonds von Katar gehören, verkauft. Teilweise sind die bis zu 200 Quadratmeter grossen Luxuswohnungen sogar noch im Rohbau. Der Grund: die Lex Koller. Jenes Gesetz, das den Kauf von Immobilien, insbesondere Wohnungen, durch Ausländer entweder verbietet oder stark einschränkt.

Das gilt aber nicht für ständige Betriebsstätten. Darum darf die Katara Hospitality Group auch Besitzerin des Resorts sein. Doch weil keiner die teuren Luxuswohnungen auf dem Bürgenstock mieten will, verkündete der damalige Resortchef 2019, die Immobilien verkaufen zu wollen – auch an schwerreiche Ausländerinnen und Ausländer. Und hier kommt die Lex Koller ins Spiel.

Ein aktuelles Urteil des Nidwaldner Verwaltungsgerichts von Ende März, das dieser Zeitung vorliegt, blockiert den Verkauf nämlich bis auf weiteres. 

Denn um die Lex Koller ist ein heftiger Streit entbrannt. Im einen Lager stehen die katarischen Eigentümer des Bürgenstocks, unterstützt von den Behörden des Kantons Nidwalden. Dieses Lager kämpft für lockere Verkaufsbedingungen. Auf der anderen Seite steht das Bundesamt für Justiz, das als Hüterin der Lex Koller amtiert: Es kämpft für eine strenge Einhaltung der Lex Koller.

Aber von vorn.

Küche oder Kitchenette – das ist die Frage

Anders als viele glauben, verbietet die Lex Koller den Verkauf von Wohnungen an Ausländer nicht in allen Fällen. Vielmehr dürfen auch Personen im Ausland Wohnungen in der Schweiz kaufen – sofern diese zu einer sogenannten Betriebsstätte gehören, also Teil einer hotelähnlichen Anlage sind.

Genau das war das Konzept, mit dem die katarischen Investoren die 67 Apartments auf dem Bürgenstock ursprünglich planten. Und gestützt auf dieses Konzept, erteilte ihnen 2010 der Kanton Nidwalden die nötige Bewilligung. Sie liegt dieser Zeitung vor. Wegen der Lex Koller erliessen die Behörden aber strenge Auflagen:

  • Erstens dürfen die Wohnungen keine richtige Küche haben. Sondern nur eine Kitchenette, sodass die Bewohnerinnen mehr oder weniger gezwungen sind, in den Hotel-Restaurants zu essen.

  • Zweitens müssen die Besitzer ihre Wohnungen zwingend vom Resort-Personal putzen lassen. Auch den Wäscheservice der Bürgenstock-Hotels müssen sie zwingend in Anspruch nehmen – alles natürlich gegen Bezahlung.

  • Drittens dürfen die Besitzerinnen nicht einmal ihre Möbel frei bestimmen. Die Wohnungen müssen gemäss Verfügung «nach einheitlichen Kriterien» möbliert sein. 

Besonders einschneidend für die künftigen Besitzer ist jedoch eine vierte Auflage: Das Bürgenstock-Resort darf und muss die Wohnungen auch an Drittpersonen weitervermieten. Die Rechte der künftigen Besitzerinnen an ihren Wohnungen seien «beschränkt», schrieb der Kanton Nidwalden in seiner Verfügung.

Die ausländischen Besitzerinnen dürfen die Wohnungen nicht wie eine Ferienwohnung benutzen, sondern nur wie eine Hotel-Suite. Das heisst: Wer eine der Luxuswohnungen kauft, kann dort nicht einmal sein Pyjama und seine Zahnbürste zurücklassen, weil auch andere Mieter das Schlaf- und das Badezimmer benutzen können sollen.

Die Suites sind bis zu 200 Quadratmeter gross – und bieten eine spektakuläre Aussicht.

Foto: Bürgenstock Hotels & Resort

Die Nidwaldner Behörden mussten ihren Entscheid mit diesen Auflagen damals zur Prüfung nach Bern schicken. Dort hatte man keine Einwände: Das Bundesamt für Justiz befand, dass das Bürgenstock-Konzept so gesetzeskonform ist, und gab sein Okay.

Luxus-Käufer wollen «in ihren Privatgemächern» bekocht werden

Doch in den Jahren darauf veränderten sich die Bedürfnisse. Die Bürgenstock Hotels AG, die die Immobilien für die Katarer verwaltet, beantragte beim Kanton, dass man anstelle der Kitchenettes sogenannte «Hotelsatellitenküchen» bauen dürfe. Diese sind in grossen Hotels nicht selten: In der Hauptküche werden Gerichte vorbereitet, in den Satellitenküchen fertiggestellt und angerichtet.

Die Bürgenstock Hotels AG argumentierte, dass «insbesondere Gäste aus den nah- und fernöstlichen Ländern» nur sehr eingeschränkt bereit seien, sich in den öffentlichen Bürgenstock-Restaurants verpflegen zu lassen. Dies geht aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts hervor. Mit anderen Worten: Sie wollen nicht unters gemeine Volk. Die Bekochung solle «in ihren Privatgemächern» stattfinden. Das hätte zur Folge gehabt, dass die Küchen unter anderem grössere Herdplatten gehabt hätten, Backöfen und «Platz und Raum für die Küchenmannschaft».

Die Justiz- und Sicherheitsdirektion des Kantons Nidwalden gab dem Anliegen statt und hiess das Gesuch 2021 gut. Allerdings verschärfte der Kanton die Auflagen in einem Punkt entscheidend: Käufer und Mieter der Luxuswohnungen müssten ein monatliches Entgelt (eine Service-Zusatzpauschale) «zwingend und nicht rückstattbar» bezahlen. Je nach Grösse der Wohnungen zwischen 900 und 2000 Franken. Damit wollte der Kanton sicherstellen, dass die Hoteldienste bezahlt werden – ob genutzt oder nicht.

Doch dieses Mal stellte sich das Bundesamt für Justiz quer, das damals noch Bundesrätin Karin Keller-Sutter (FDP) unterstand. Es erhob gegen den Entscheid der Justizdirektion Beschwerde vor dem kantonalen Verwaltungsgericht wegen «Verletzung von Bundesrecht», wie die NZZ kürzlich publik machte. Mit den geplanten ausgebauten Küchen würden sich die Luxuswohnungen kaum mehr von Ferienwohnungen unterscheiden, monierte das Bundesamt. Die Zusatzpauschale befand der Bund als «derart tief und wenig konkretisiert angesetzt, dass eine hotelmässige Bewirtschaftung nicht sichergestellt werden könne».

Küchen-Streit landet vor Bundesgericht

Das Gericht gibt dem Bund bezüglich der Zusatzpauschale recht. Die 900 bis 2000 Franken würden «in keinem Verhältnis zu den luxuriösen Wohneinheiten» stehen. Was jedoch die vom Bund kritisierten ausgebauten Küchen angeht, stellt sich das Verwaltungsgericht auf die Seite der Nidwaldner und letztlich der Katarer. Es könne nachvollziehen, dass im Hoch- und Luxussegment das Bedürfnis existiere, Gerichte vor Ort zuzubereiten und fertigzustellen. Und das bedinge eben grosszügige und voll ausgestattete Küchen.

Entsprechend positiv reagiert daher die Nidwaldner Justizdirektorin auf das Urteil. «Wir wurden darin bestätigt, dass wir inhaltlich nicht ganz falschliegen», sagt Karin Kayser-Frutschi auf Anfrage. Dass das Gericht die Höhe der Service-Zusatzpauschale als zu niedrig bemängelte, kann sie nachvollziehen. «Wir sind uns alle einig, dass es diese Bezahlung braucht, wenn die Hoteldienste nicht in Anspruch genommen werden.» Sie mahnt aber auch, dass es keine Richtwerte gibt, an denen sich der Kanton hätte orientieren können.

Der Kanton wäre also bereit, die Pauschale zu erhöhen, wie es das Urteil verlangt. Damit könnten die Katarer eigentlich schon bald mit dem Küchenausbau und dem Wohnungsverkauf loslegen.

Wäre da nicht die nächste Beschwerde. Wie das Bundesgericht am Freitag auf Anfrage bestätigt, wird das Urteil des Nidwaldner Verwaltungsgerichts weitergezogen. Damit verzögert sich der Verkaufsstart für die Katarer wohl noch um weitere Jahre.

Die Bürgenstock Hotels AG will zurzeit keine Stellung nehmen und lässt über eine PR-Agentur verlauten, man prüfe noch allfällige Massnahmen. Die Beschwerde dürfte also vom Bundesamt für Justiz stammen. Was wiederum andeutet: Es ist mit dem Entscheid, die Luxuswohnungen mit voll ausgestatteten Küchen auszubauen, nicht einverstanden. Das Amt gibt auf Anfrage keinen Kommentar ab – wegen des laufenden Verfahrens.

Damit geht der Küchen-Streit in eine weitere Runde.

Alexandra Aregger schreibt als Wirtschaftsredaktorin über Energie, Arbeitsmarkt, öffentlicher Verkehr und Reportagen aus der ganzen Bandbreite des Wirtschaftslebens. Davor absolvierte sie das Förderprogramm für investigativen Journalismus beim Recherchedesk Tamedia.Mehr Infos@AlexAregger

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