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Interview zum Mangel an Windpocken-Impfstoff: «Am besten nach den Sommerferien nachfragen, ob es ihn wieder gibt»

Interview zum Mangel an Windpocken-Impfstoff«Am besten nach den Sommerferien nachfragen, ob es ihn wieder gibt»

Wer sein Kind gegen Windpocken impfen lassen möchte, geht zurzeit leer aus: Woran das liegt, und was Eltern tun können, sagt der Chef der Impfkommission, Christoph Berger.

Eine Mutter pflegt ihre kleine Tochter, die Windpocken (Wilde Blattern) hat. 

Eine Mutter pflegt ihre kleine Tochter, die Windpocken (Wilde Blattern) hat. 

Foto: Getty Images

Seit dem 1. Januar 2023 wird in der Schweiz die Varizellenimpfung als Basisimpfung für alle Säuglinge im Alter von 9 und 12 Monaten empfohlen, ebenso die Nachholimpfung für alle Personen unter 40 Jahren, welche die Windpocken, respektive Wilde Blattern, noch nicht durchgemacht haben. Doch seit mehreren Monaten kann die Firma GlaxoSmithKline aufgrund von Qualitätskontrollen den Windpocken-Impfstoff Varilrix nicht mehr liefern.

Herr Berger, war der Start für die Windpocken-Impfkampagne Anfang dieses Jahres ungünstig gewählt?

Nein, das würde ich nicht sagen. Wir hatten die betreffenden Firmen rechtzeitig informiert, dass es durch die neue Empfehlung der Eidgenössischen Kommission für Impffragen und des Bundesamts für Gesundheit zu einer stark erhöhten Nachfrage kommen wird. Wir wussten jedoch auch, dass GlaxoSmithKline damals bereits Probleme bei der Lieferung von Varilrix hatte. Wie es jetzt aussieht, wird die Produktion dort auch erst ab August wieder normal laufen. Doch der andere Windpocken-Impfstoff, Varivax von dem Pharmaunternehmen MSD, ist weiterhin erhältlich. Beides sind Lebendimpfstoffe mit abgeschwächten Viren, die bei jeder produzierten Charge ständig neu aufwendig kontrolliert werden müssen.

Dennoch fehlt ausgerechnet jetzt der Windpocken-Impfstoff in vielen Kinderpraxen, sodass Eltern mit ihren Babys wieder nach Hause geschickt werden. Was raten Sie ihnen?

Am besten irgendwann nach den Sommerferien nachfragen, ob es ihn wieder gibt. Das ist natürlich für alle Eltern sehr mühsam, da es ein weiterer Termin ist und einiges an Mehraufwand bedeutet. Dennoch sind die Erreger der Windpocken, die sogenannten Varizellen, nicht plötzlich gefährlicher als in den Jahren davor.

Ist eine Impfung gegen Windpocken überhaupt notwendig?

Ja, darum haben wir den Impfplan angepasst. Weltweit empfahlen im Jahr 2021 bereits 45 Länder die Impfung gegen Windpocken für alle Kleinkinder, darunter Deutschland, Österreich, Australien, Kanada und die USA. Die Schweiz hat nun nachgezogen. Doch ob die Impfung etwas früher oder später im Jahr stattfindet, spielt bei Windpocken nicht so eine grosse Rolle.

Warum?

Die durch das sogenannte Varizella-Zoster-Virus (VZV) ausgelösten Windpocken verlaufen im Kindesalter in der Regel glimpflich. Dagegen ist das Risiko von Komplikationen viel höher, wenn Jugendliche und Erwachsene daran erkranken. Denn die Krankheitserreger bleiben für immer im Körper und können später eine schwerwiegende Gürtelrose auslösen. Wenn ein Säugling bereits geimpft ist, hat er für sich selbst einen effizienten Schutz und überträgt das Virus auch nicht auf andere Personen.

Wie hoch ist der Schutz nach der ersten Impfdosis?

Er liegt bei rund 80 Prozent. Das heisst, dass die Wahrscheinlichkeit einer schweren Infektion und insbesondere einer schweren Infektion mit Varizellen bei einem Säugling oder einem Kleinkind schon bei der ersten Impfdosis deutlich reduziert wird. In der Regel ist es deshalb im Augenblick auch nicht weiter schlimm, wenn die zweite Impfdosis nicht bereits im Alter von 13 Monaten, sondern erst ein paar Monate oder sogar wenige Jahre später erfolgt. Der neue Impfplan empfiehlt zwei Dosen.

Auch der Kombi-Impfstoff Priorix Tetra von GlaxoSmithKline gegen Masern, Mumps, Röteln und Windpocken soll erst wieder ab Juli verfügbar sein. Müssen sich Eltern hier ebenfalls gedulden?

Hier ist es ratsam, bei Engpässen entweder auf den derzeit weiterhin noch verfügbaren Mehrfach-Impfstoff Proquad von MSD zu wechseln. Oder den Babys und Kleinkindern rechtzeitig zuerst einen Dreifach-Impfstoff gegen Masern, Mumps und Röteln zu spritzen und später den Einzelimpfstoff gegen Windpocken. Denn vor allem der Schutz vor Masern ist in den ersten Lebensjahren sehr wichtig. Das aktuelle Problem mit dem Mehrfach-Impfstoff Priorix Tetra ist auch hier durch die Produktion des Windpocken-Impfstoffs bei GlaxoSmithKline verursacht. Hinzu kommt, dass durch die generell gestiegene Nachfrage wegen der neuen Impfempfehlung allein in den vergangenen Monaten ein paar Zehntausend Kinder bereits das erste Mal gegen Windpocken geimpft worden sind.

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