Switzerland
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Gastbeitrag zur Verkehrspolitik: Gegen die verkehrspolitische Sackgasse

Gastbeitrag zur VerkehrspolitikGegen die verkehrspolitische Sackgasse

Will die Schweiz ihre Wirtschaftskraft erhalten, muss sie auf das steigende Verkehrsaufkommen reagieren – mit einem gezielten Ausbau des Strassennetzes.

Das Nadelöhr bei der Verzweigung Härkingen, wo die A1 und die A2 zusammenkommen.

Das Nadelöhr bei der Verzweigung Härkingen, wo die A1 und die A2 zusammenkommen.

Fotos: Raphael Moser

Liebe Frau Bertschy

Mit Interesse habe ich Ihre Kolumne gelesen, in der Sie sich gegen einen Autobahnspur-Ausbau stellen. Als Ökonomin argumentieren Sie – für mich überraschend – auf dem verkehrs- wie auch wirtschafts- und umweltpolitischen Pannenstreifen. Damit haben Sie in Zeiten gefährdeter Biodiversität eine Entenart produziert, die wohl nie vom Aussterben bedroht sein wird: die Zeitungsente.

Verkehrspolitisch liegen Sie falsch, weil die Schweiz als Land der Pendler und der Mobilität mit einem steigenden Verkehrsaufkommen rechnen muss, sofern sie ihre Wirtschaftskraft erhalten will und die Bevölkerung weiterwächst. Minderheiten wie die Anhänger der Ecopop-Initiative und Verfechter von Degrowth mögen das anders sehen. Aber die Frage lautet nicht, ob man mehr Strassenverkehr will oder nicht, sondern: Wohin soll der wachsende Strassenverkehr fliessen? Erfolgt zum Beispiel kein Ausbau für eine dreispurige Linienführung auf der Autobahn zwischen Nyon und Genf, wird der Verkehr im Nebennetz gemäss Bund bis 2030 um bis zu 70 Prozent zunehmen.

Das Verkehrsaufkommen soll aber nicht dort wachsen, wo unsere Kinder zur Schule gehen. Das Zauberwort heisst Verdichtung, indem wir auf den am stärksten belasteten Achsen gezielt Kapazitätserweiterungen vornehmen. Ich verfechte hier genau jene Linie, die Sie und Ihre Partei sonst bei der Wohnbaupolitik vertreten.

Mit Velo-Highways und Lastenvelos allein bringt man Güter und Werktätige nicht ans Ziel.

Wirtschaftspolitisch liegen Sie falsch, weil wir die Entwicklung der Autobahnen als Schlagadern des Verkehrs und der Wirtschaft nicht einfach abwürgen können. Es sollte in unserem gemeinsamen Interesse sein, die volkswirtschaftlichen Kosten von Staus, die jährlich mit 3 Milliarden Franken zu Buche schlagen, zu vermeiden.

Nationalstrassen machen nur 2,5 Prozent des Strassennetzes aus, bewältigen aber 43 Prozent des Personen- und 68 Prozent des Güterverkehrs. Gerade zur Sicherung der Wirtschaftskraft braucht es die Kapazitätserweiterung, denn mit Velo-Highways und Lastenvelos allein bringt man Güter und Werktätige nicht ans Ziel. Genauso braucht es Kostenwahrheit für das ganze Verkehrssystem, es müsste das Verursacherprinzip für alle gelten. Der Finanzierungsanteil der Verkehrsnutzer beim Strassenverkehr beträgt heute fast 90 Prozent, beim Schienenverkehr dagegen nur 45 Prozent. Das von der Politik gehypte Generalabonnement generiert Übermobilität, finanziert von der Allgemeinheit. Gar nichts zur Kostendeckung trägt der Langsamverkehr bei – diesbezüglich sollten Sie Ihren Politkolleginnen in den Städten einmal ins Gewissen reden.

Umweltpolitisch liegen Sie falsch, weil Sie den Transformationsprozess der Autoindustrie ausblenden – eine der innovativsten Wirtschaftsbranchen. Die Defossilisierung schreitet mit der Entwicklung neuer Antriebstechnologien rasant voran. Die Politik steht damit in der Pflicht, für Versorgungssicherheit mit genügend Strom zu sorgen. Was es braucht, ist Technologieoffenheit – und nicht immer neue Subventionen für Technologien, die gerade en vogue sind. Denn tüftelnde Ingenieure besitzen mehr Expertise als Politik und Verwaltung bei der Suche nach den umweltverträglichsten Antriebsverfahren. Erlauben wir Fortschritt, indem wir Kapazitätserweiterungen der Strasse genauso wie Multimodalität durch intelligente Verkehrssteuerung zulassen! Alles andere führt in die verkehrspolitische Sackgasse.

Freundliche Grüsse, Peter Grünenfelder

Peter Grünenfelder ist Direktor von Avenir Suisse. Im August übernimmt er das Präsidium von Auto Schweiz.

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