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Editorial zu den Krankenkassenprämien: Das Alter ist das wahre Problem

Editorial zu den KrankenkassenprämienDas Alter ist das wahre Problem

Das Kartell der Kostentreiber in Bern verhindert jede Reform. Schlimmer noch: Alle verschweigen das wahre Problem und profitieren von den immer höheren Kosten.

Arthur Rutishauser, Chefredaktor der SonntagsZeitung.

Arthur Rutishauser, Chefredaktor der SonntagsZeitung.

Eigentlich sind sie politische Gegner, in Wirklichkeit bilden sie eine unheilige Allianz: all die Politikerinnen und Lobbyisten, die in Bern das Schweizer Gesundheitswesen verwalten. Dass es immer teurer wird, ist Common Sense und schon fast akzeptiert, obwohl immer mehr Menschen Mühe haben, ihre Krankenkassenprämien zu zahlen.

Was man tun muss, ist auch klar, je nach politischem Standpunkt etwas anderes. Wenn es nach den Linken geht, braucht es mehr Prämienverbilligungen, oder noch besser, gleich direkt einkommensabhängige Prämien. Das verschärft natürlich im oberen Mittelstand die Progression und stösst darum bei den Bürgerlichen auf vehemente Ablehnung. Entsprechende Vorstösse werden im Parlament oder bei Volksabstimmungen immer wieder abgelehnt. Sie sind aber für die SP ein beliebtes Mittel zur Mobilisierung der Basis.

Ein weiteres Mittel der Linken, das über das eigene Lager hinausgeht, ist die Verbilligung der Medikamentenpreise. Da gibt es verstörende Beispiele, und die Pharmaindustrie steht wohl zu Recht in Verdacht, sich auf Kosten der Bevölkerung gesundzustossen. Die Chefs von Roche und Novartis sind denn auch an der Spitze bei den bestbezahlten Managern der Schweiz. Genauso wie die Chefs und Chefinnen der Krankenkassen, die bald alle ebenfalls eine Million Franken pro Jahr verdienen, obwohl sie nur Zwangsabgaben verwalten. Daraus folgt die nachvollziehbare Forderung nach einer Einheitskasse. Ein Monstergebilde zwar, das aber wenigstens auf dem Papier Kosten sparen würde.

Aber auch das würde das Problem der Kostenexplosion nicht lösen, sondern höchstens ein wenig mindern. Interessant, aber politisch unkorrekt ist die Analyse der SVP, dass die Zuwanderung schuld ist an der Misere. Bei den Asylsuchenden scheint der Fall klar zu sein, denn die meisten haben nur kleine Einkommen und können die Prämien kaum selber zahlen. Doch es gibt nicht allzu viele von ihnen, sodass auch eine Nulleinwanderung aus dem armen Süden das Gesundheitswesen nicht retten würde.

Eher schon trifft das Argument bei der regulären Zuwanderung aus der EU, welche die Bevölkerung in Rekordzeit auf über 9 Millionen steigen liess. Das ist ein Problem. Warum? Weil das Gesundheitswesen, wie die AHV, de facto ein Umlageverfahren ist. Das heisst: Die Jungen zahlen für die Alten.

Die meisten Zuwanderer sind schon über 30 Jahre alt, haben also weder als junge Erwachsene noch via Eltern als Kinder in der Schweiz Prämien bezahlt. Nun sind das aber die Jahre, in denen man in den meisten Fällen praktisch immer gesund ist und bei der Krankenkasse eigentlich nur zahlt. Ob man dieses Problem bei gut verdienenden Expats einmal ansprechen sollte, kann man sich schon fragen.

Aber schlussendlich führt nichts an der Diskussion von echten Sparmassnahmen vorbei, also weniger Leistungsbezug in der Grundversicherung. Das bedeutet wohl das Ende der freien Arztwahl, wenn man nicht bei notwendigen Eingriffen sparen will. Aber auch weniger Spitäler, weniger Physiotherapie und eine Diskussion der ausufernden Leistungen, die wegen des rasanten Anstiegs der psychischen Probleme und der dadurch entstehenden Behandlungskosten anfallen. Und damit nicht genug der heiklen Themen.

Die schwierigste Frage ist die der zunehmenden Überalterung, und die will niemand benennen, weil alle davon profitieren. Wie sollen wir all die medizinischen Möglichkeiten bezahlen, die uns ein immer längeres, mehr oder weniger gesundes Leben ermöglichen, aber gleichzeitig die Pharma, die Ärzteschaft und die Pflege vergolden?

Arthur Rutishauser ist Chefredaktor der SonntagsZeitung. Der promovierte Ökonom war ursprünglich Wirtschaftsredaktor. In dieser Funktion publizierte er über den Niedergang der Swissair, dafür erhielt er den Zürcher Journalistenpreis.Mehr Infos@rutishau

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