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Die neue Berner Band Waldau: Musik für die Heilanstalt

Die neue Berner Band WaldauMusik für die Heilanstalt

Waldau heisst die neuste Band eines stadtbekannten Rock-’n’-Roll-Schwerarbeiters. Ihre Musik entsteht unter dem Inselspital und entwickelt eher bewusstseinserweiternde als heilende Kräfte.

Waldau: René Schütz, Robert Butler und Benjamin Dodell.

Waldau: René Schütz, Robert Butler und Benjamin Dodell.

Foto: zvg

Wir schreiben das Jahr 2020. Während die Welt draussen zunehmend zum Stillstand kommt und die Kolonne vor dem Covid-Quarantäne-Eingang des Inselspitals immer länger wird, treffen sich in unregelmässiger Kadenz drei Männer mit einer Sondermission vor einem Nebeneingang des grössten Berner Spitals. 

In einem Untergeschoss unweit der Abteilung, in der Hals- und Ohrenkrankheiten behandelt werden, befindet sich ihr Band-Raum. Und wenn man diesen drei Herren frech kommen möchte, könnte man sagen, dass sie sich zusammentun, um ebensolche Hals- und Ohrenkrankheiten zu begünstigen. 

In Bern hängen geblieben

Einer der Männer heisst Robert Butler, spricht ein wunderbar amerikanisches Kaugummi-Berndeutsch, ist begeisterter Schnauzträger und Anhänger ungezügelter Gitarrenmusik. In wie vielen Bands er schon seine Stimmbänder, Bass- oder Gitarrensaiten aufgewetzt hat, weiss Robert Butler selber nicht mehr so genau. Während es einige Projekte gar nie aus dem schlecht belüfteten Übungsraum geschafft haben, ist seine musikalische Mithilfe offiziell auf über 50 Einspielungen überliefert.

Die berühmtesten stammen aus den späten Achtzigern, als Butler mit seiner Band The Miracle Workers von Los Angeles aus den psychedelischen Sixties-Rock in die Welt trug und gewissermassen den Stoner-Rock vorweggenommen hat. Die Band erreichte Kultstatus unter den kalifornischen Twens mit einer Vorliebe für nachlässig gespielte Stromgitarren, farbige Drogen und dunkle Sonnenbrillen, doch die Band schrammte stets haarscharf am Weltruhm vorbei. 

1991 blieb dieser Robert Butler in Bern hängen, weil hier das Bier stets schön kühl war, weil hier der Künstler Dirk Bonsma die wundertollsten Konzertplakate für die Band designte und weil er hier auf ein kreatives Umfeld traf, das den Amerikaner beflügelte.

Bald gründete er die Band Bishop's Daughter, die vom Young-Gods-Oberhaupt Franz Treichler produziert wurde. Er wurde als Panti-Christ zur Unterhosen-Hoheit Berns, indem er Damenslips mit psychedelischen Mustern bedruckte, er tat sich immer wieder mit dem musikalisch Ähnlichgesinnten Beat-Man zusammen, eröffnete eine Siebdruckerei und ersinnt im obig beschriebenen Übungsraum immer wieder neue Rabaukenmusik für Menschen, die nicht aufgehört haben, nachlässig gespielte Stromgitarren, farbige Drogen und dunkle Sonnenbrillen grossartig zu finden. 

«The next band»

Als sich Butler im Herbst 2019 erstmals mit seinen langjährigen Freunden René Schütz (u.a. Biggerclub), einem der brünstigsten Tieftöner der Stadt, und dem Schlagzeuger Benjamin Dodell (u.a. King Pepe) zum musikalischen Austausch traf, waren die Ambitionen tief, der Bierkonsum hoch und die Aussichten, mit dieser Band jemals aus dem Übungsraum zu dringen, mittelprächtig. 

Doch bald habe diese Band, die sich irgendwann auf den Namen Waldau einigte, eine Dynamik und einen eigenen Sound entwickelt, erzählt Robert Butler. So sehr, dass nun das erste Waldau-Album getauft werden darf. Die Basis ist, wie bei allem, was Robert Butler tut, diese innige Liebe zum Rock’n’Roll der Sixties, dieses Schlenkern zwischen aufbrausendem Exzess und borstiger Struktur. 

«Fuck Play Die» klingt, als sei es aus dem Song-Köcher der Stooges gezupft worden, und das ohrwurmige «The Girl That Faded Away» ist zwar der 60s-Band The Hangmen entlehnt, lässt aber das Original alt und blass aussehen. Viele Songs des Albums bauen auf repetitiven Groove-Mustern, fransen aber zuverlässig in alle unmöglichen Richtungen aus, sei das in lärmige Noise-Eskapaden, ins Gebiet der klanglichen Bewusstseinserweiterung oder der nachdenklichen Psychedelik.  

Warum Waldau die beste Band sei, die er je hatte, wollen wir von Robert Butler wissen: «Don’t call it the best band, let’s call it the next band», sagt der Mann, der trotz seiner Verbundenheit zur Retromusik auch immer wieder Visionen für die Zukunft entwickelt. Mit dem Trio Waldau ist ihm genau das geglückt. Und der Name? «Der klingt schön, und ich habe einige Kollegen, die schon in der Waldau waren. Ihnen ist diese Musik gewidmet.»

Matte-Brennerei Bern, Freitag, 31. März, 20.30 Uhr, Konzertbeginn: 22 Uhr

Ane Hebeisen ist Musikredaktor und schreibt seit 1996 über Pop und Artverwandtes aus aller Welt.Mehr Infos

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