Switzerland
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Die «Arena», die nicht enden wollte – «Ich will meine Stimme erheben!»

Männer machen Jagd auf Minderjährige im Netz. Der tschechische Dokumentarfilm «Gefangen im Netz» dreht den Spiess um – und zeigt, wie gefährlich Cyber-Grooming ist.

Zehn Drehtage, drei 19-jährige Schauspielerinnen, die sich als Minderjährige ausgeben, 2458 Kontaktanfragen von Männern. Das ist der tschechische Dokumentarfilm «Gefangen im Netz».

Review

Nicht alle Geflüchtete werden von der Schweiz gleich behandelt. Die SRF-«Arena» diskutierte aktuelle Asyl-Forderungen zum Ukraine-Krieg.

Im Zürcher Leutschenbach spielten sich am Freitagabend irre Szenen ab: Hunderte Kinder, Jugendliche, Familien und Freundinnen schwitzten und spielten unter dem strahlend blauen Himmel. Friede, Freude, Eierkuchen. Sie konnten ihr Glück ausleben, während rund 300 Meter entfernt im SRF-Fernsehstudio über die wüsten politischen und gesellschaftlichen Folgen des Krieges diskutiert wurde.

Die Fragen der gestrigen SRF-«Arena» drehten sich um den Komplex: «Gleiche Rechte für alle Geflüchteten?» Diese Auswahl war ein Erfolg der politischen Rechten, die in den vergangenen Tagen mit geschickten Äusserungen die Flüchtlingspolitik zum Ukraine-Krieg in eine bestimmte Richtung drehen konnte: Weg vom Entschluss «Alle Ukrainerinnen und Ukrainer finden in der Schweiz Schutz» – hin zur Frage: Geht es auch mit weniger Solidarität?

Wir erinnern uns: 6,4 Millionen Menschen haben die Ukraine seit Kriegsausbruch verlassen. Polen hat mehr als die Hälfte aufgenommen, in Rumänien und Ungarn werden zwischen 500'000 und einer Million Geflüchtete geschätzt. Und die Schweiz? Die meldete gestern in einer ungerundeten Statistik, dass 50'553 Geflüchtete eingereist und 49'714 den Schutzstatus S erhalten haben.

Dass dies eine Gesellschaft vor Herausforderungen stellt, bestreitet niemand. Die SVP ging aber einen Schritt weiter, eine ihrer Vertreterinnen – Martina Bircher – forderte gar, der Schutzstatus solle nur noch an Ostukrainerinnen und Ostukrainer vergeben werden. Begründet wurde diese Forderung mit Falschbehauptungen, wonach sich der Krieg dorthin verlagert habe. Tatsache ist jedoch, dass etwa die westukrainische Grossstadt Lwiw Anfang Woche erneut bombardiert wurde.

Diese Falschbehauptung wurde in der gestrigen «Arena» von der SVP erneut verbreitet. Gekommen ist aber nicht Bircher, sondern die Zürcher Nationalrätin Barbara Steinemann. Sie wurde geflankt von Adrian Schoop, dem freisinnigen Gemeindepräsidenten von Turgi AG. Von linker Seite kamen Edibe Gölgeli (Basler SP-Grossrätin) und der Grünen-Präsident Balthasar Glättli.

Die politische Debatte lässt sich gut zusammenfassen, da kaum überraschende Wortmeldungen kamen: Schoop bezeichnete die Asylinfrastruktur als «übernutzt». Steinemann forderte mehrfach eine «Differenzierung» in der Flüchtlingspolitik, so wie man es ja auch beispielsweise bei «Kurden und Uiguren» tue – Widerspruch hörte sie dafür nicht, obschon gerade die SVP etwa im Fall von Eritrea alles andere als differenziert politisiert.

Edibe Gölgeli lieferte Generalkritik am Asylwesen, als sie etwa an die Empörung erinnerte, als die Schweiz 10'000 geflüchtete Personen aus Afghanistan hätte aufnehmen sollen: «Wir haben jetzt 50'000 Ukrainerinnen und Ukrainer aufgenommen. Wenn ein politischer Wille da ist, kann man das machen – eine würdevolle Flüchtlingspolitik betreiben.» Glättli teilte ihre Ansicht, bezeichnete die aktuelle Situation ja gar als «Chance» und erwähnte, was für aussergewöhnliche Leistungen die Schweiz bisher für Ukrainerinnen und Ukrainer erbrachte.

Über die eigentliche Frage, ob es denn gleiche Rechte für alle Geflüchteten brauche, wurde von politischer Seite kaum diskutiert. Steinemann musste sich lediglich den Widerspruch gefallen lassen, dass auch in der Westukraine nach wie vor Bombardements erfolgen. Dieser kam aber nicht von der SP-Vertreterin oder vom Grünen-Präsident, sondern von den zwei weiteren Gästinnen: Solomiia Fedorchuk (17) aus Kiew und Shakila Ansari (18) aus der afghanischen Provinz Uruzgan.

Die beiden Frauen boten einen starken Auftritt, da sie der Ungleichbehandlung im Asylwesen ein Gesicht gaben: Auf der einen Seite die Ukrainerin, die quasi problemlos den Schutzstatus S erhielt. Auf der anderen Seite die Afghanin Ansari, deren Flucht und ersten Monate in der Schweiz einer Odyssee glichen. Wobei es korrekter wäre, metaphorisch gesehen beide Frauen auf die selbe Seite zu tun: Sie äusserten keine gegenseitige Verbitterung ab der asylpolitischen Ungleichbehandlung. In ihren Voten erklärten sie lediglich ihre eigenen Erfahrungen, ohne politisch gegen eine bestimmte Seite zu schiessen.

Die politische Vertretung vermasselte diese starken Momente der Problemanalyse: Auf die Klagen der jungen Afghanin, dass der Asylstatus F ihr Leben erschwert habe, antwortete der freisinnige Schoop: «Ich bin mir sicher, dass eine junge Frau wie sie relativ schnell den B-Status erhält.» Er lieferte ihr auch den Rat, Durchhaltewille zu zeigen. Sandro Brotz konnte sich glücklicherweise in dieser Szene einen flapsigen Konter nicht verkneifen: «Es nützt ihr natürlich nichts, wenn man ihr sagt, dass sie Durchhaltevermögen brauche.»

Ansari kritisierte weiter, dass sie mit ihrem aktuellen Asylstatus nicht nach Deutschland oder Schweden reisen dürfe, und fragte enttäuscht nach dem «Warum?». Steinemann hatte die Antwort parat und lieferte sie empathiefrei: Das sei wegen den Eritreern so, diese seien häufig in ihre Heimat gereist.

Es überrascht deshalb nicht, dass die Sendung gegen Ende eskalierte. Die junge Frau beharrte darauf, die Probleme der Ungleichbehandlung im Asylwesen zu erklären. Brotz musste aber abklemmen: Die Sendedauer sei schon überzogen worden. Es kam zum Hin und Her zwischen der Afghanin und Brotz: «Ich verstehe, dass es aus Ihrer Sicht unfair ist.» – «Ich will meine Stimme erheben.» – «Sie haben Ihre Stimme sehr deutlich und glasklar erhoben.»

Das Abklemmen gelang, wohl auch dank dem Kompromissangebot, das man nach Drehende noch weiter im gekühlten Fernsehstudio bleibt, um weiter zu diskutieren. Brotz sagte gar: «Ich verspreche Ihnen dies.» Zu dieser Diskussion im kleinen Kreise kam es dann auch.