Germany
This article was added by the user . TheWorldNews is not responsible for the content of the platform.

PRÜGELN, FILMEN, POSTEN - Warum Teenager mit ihren Gewalttaten prahlen

Leipzig – Sie halten immer voll drauf: mit den Fäusten und mit ihren Handy-Kameras. Seit Wochen kursieren schockierende Prügel-Videos im Internet. Meist männliche Jugendliche, die brutal aufeinander losgehen. Und immer läuft irgendwo eine Smartphone-Kamera mit. Die Videos, so scheint es, sind die Trophäen ihrer Gewalt-Exzesse.

► Am 22. Oktober schlägt und tritt ein Jugendlicher am Busbahnhof in Annaberg-Buchholz (Erzgebirgskreis) immer wieder auf einen Boden liegenden 18-Jährigen ein. Ein Dritter hält erbarmungslos mit der Kamera drauf, stellt das Video ins Internet. Es gibt eine Anzeige, inzwischen ermittelt die Polizei.

► Am 21. Oktober kommt es auf dem „Anger“ in Erfurt zu einer Massenschlägerei. Angeblich gab es Streit um ein Mädchen (17). Gleich mehrere Jugendliche filmten und stellten die Videos ins Netz. Immerhin kann die Polizei aufgrund der Aufnahmen neun Verdächtige identifizieren.

Ein Mädchen (17) zettelte eine Massenschlägerei auf dem Erfuter Anger an. Auch von dieser Prügelei landete das Video im Netz, wurde häufig geteilt

Ein Mädchen (17) zettelte eine Massenschlägerei auf dem Erfuter Anger an. Auch von dieser Prügelei landete das Video im Netz, wurde häufig geteilt

Foto: Privat/Facebook

► Am 18. Oktober verprügelt ein 14-Jähriger auf dem Schulflur des Tilesius-Gymnasium in Mühlhausen (Thüringen) einen Schüler (15), weil der angeblich Muslime beleidigt habe. Das Video kursierte ebenfalls im Netz.

► Am 3. Oktober verprügeln fünf Deutsche den Afghanen Mohammed R. (22) gegen 2 Uhr in Zwickau. Der Streit entwickelte sich wohl wegen des Diebstahls einer Gürteltasche. Auch die Tat wurde gefilmt und geteilt.

Am 25. September verprügelte ein Iraker (14) mit zwei Komplizen einen deutschen Teenager (15) am Bahnhof in Flöha (Mittelsachsen). Der 14-Jährige verpasste seinem Opfer eine heftige Kopfnuss – blutend ging der Schüler zu Boden.

Der Iraker (14) verpasst seinem Opfer eine heftige Kopfnuss

Der Iraker (14) verpasst seinem Opfer eine heftige Kopfnuss

Foto: Privat

► Im Juli verbreitete sich ein Clip aus Kirchberg (Landkreis Zwickau). An einer Bushaltestelle schlug ein Georgier (12) mit Kampfhandschuhen auf sein Opfer (12) ein. Klassenkameraden filmten die Schock-Szenen aus nächster Nähe, stellten sie ins Internet. Die Tat geschah bereits am 17. September 2021 gegen 12.30 Uhr.

►Am 27. März veröffentlichte der Dresdner Stadtrat Frank Hannig (53, parteilos) ein 37 Sekunden langes Handy-Video aus dem Januar desselben Jahres auf Facebook. Es zeigt, wie ein Mädchen (13) und ihre Freundin (15) auf ein anderes Mädchen (14) im Treppenhaus der Shopping-Mall „Centrum Galerie“ einschlagen.

Zwei Mädchen verprügeln ihr Opfer in einem Einkaufszentrum in Dresden, teilten den Clip in Sozialen Netzwerken

Zwei Mädchen verprügeln ihr Opfer in einem Einkaufszentrum in Dresden, teilten den Clip in Sozialen Netzwerken

Foto: Privat

„Die Veröffentlichung von Fotos und Videos in sozialen Netzwerken ist ein wachsendes Phänomen“, betätigt Robert Fink vom Sächsischen Innenministerium. Nur: Warum stellen Jugendliche ihre Gewalttaten ins Internet, obwohl sie dadurch für die Polizei eindeutig zu identifizieren sind?

Jugendgewalt hat stark zugenommen

Einerseits könne das ein Trend sein, dem Jugendliche folgen um „in“ zu sein, vermutet der renommierte Kriminologe Prof. Dr. Christian Pfeiffer (79). Die Täter seien zudem „eher die Verlierer, die durch das Posten ihren misslungenen Lebensentwurf kompensieren“ wollen.

Prof. Christian Pfeiffer erklärt das Gewalt-Phänomen im Netz

Prof. Christian Pfeiffer erklärt das Gewalt-Phänomen im Netz

Foto: picture alliance / dpa

„Ihr sozialer Hintergrund ist aber weniger arm gegen reich, sondern schwach gegen stark“, so Pfeiffer, der im November wieder 14 000 Zehntklässer zum Thema Mobbing befragen wird. Er weiß: „Ein beachtlicher Teil der Opfer wird dann später auch Täter geworden. Viele Jugendliche haben eine Riesenangst, selbst Opfer zu werden.“

Doch warum die öffentliche Zur-Schau-Stellung der Gewalt in Videos?

„Den Trend der Jugend, gemein zu anderen zu sein, zu mobben, gibt es schon immer“, sagt der Kriminologe. „Aber durch die Verfügbarkeit der Technik und sozialer Medien haben Jugendliche jetzt ganz andere Chancen, jemand brutal verletzend zu treffen.“

Laut bundesweiter Kriminalstatistik hat die Jugendgewalt 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 29 Prozent zugenommen.

Im Landeskriminalamt Sachsen hat sich inzwischen die Cybercrime-Einheit des Phänomens angenommen, wertet die Gewaltvideos aus und versucht, die Täter zu finden. Doch auch diejenigen, die solche Szenen filmen und verbreiten machen sich strafbar.

„Im Einzelfall steht da eine Anzeige wegen unterlassener Hilfeleistung im Raum“, sagt Polizei-Sprecher Marko Laske (49).