Austria
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Arbeitsminister Kocher zu Klimaschutz: Positive Erzählung statt Horror-Szenarien

Der parteifreie Minister über Inflation, Klimaschutz, Armut und den Burger-Aufreger.

von Raffaela Lindorfer

Seine Lehrzeit fürs politische Handwerk ist vorbei - und als parteifreier Minister ohne Hausmacht habe er unter anderem lernen müssen, noch mehr mit Inhalten zu überzeugen, sagte Martin Kocher, Minister für Arbeit und Wirtschaft, am Sonntag in der ORF-"Pressestunde". Und an Inhalten gab es in dieser Stunde so einiges zu besprechen. 

Da wäre etwa die anhaltend hohe Inflation. Der aktuelle Wert entspreche in etwa dem Niveau vor dem russischen Angriffskrieg, da die wirtschaftliche Situation bereits davor angespannt gewesen sei, sagte Kocher, der davon ausgeht, dass die Inflation im Herbst weiter sinkt. Derzeit sei die Inflation zu ca. der Hälfte auf den Dienstleistungsbereich zurückzuführen und nicht mehr, wie in den Monaten davor, auf Lebensmittel und Energiepreise. 

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Österreich liegt mit der Inflation noch immer schlechter als Länder wie Deutschland oder Schweden, in diesen Ländern sei aber die Kaufkraft schwächer gewesen, betonte Kocher. Die Bundesregierung habe viel getan, um die Kaufkraft aufrechtzuerhalten - durch verschiedene Boni oder Zuschüsse, zuletzt etwa den Energiekostenzuschuss oder die Mietpreisbremse.  

"Das schlägt auf die Stimmung"

Warum ist die Stimmung im Land dennoch so schlecht? Das sei, so Kocher, wohl auf Ereignisse der vergangenen Jahre zurückzuführen, die durchaus beschwerlich gewesen seien - Corona, Krieg, Teuerung und Energiekrise. "Das alles schlägt auf die Stimmung, da kann die Regierung tun, was sie will."

Die Tatsache, dass die vielen Maßnahmen der Regierung so wenig wertgeschätzt werden, könnte durchaus zu einem gewissen Frust geführt haben - Frust, dem Kanzler Karl Nehammer in einer Runde mit ÖVP-Funktionären, offensichtlich freien Lauf gelassen hat. Das ist auf einem Video, das diese Woche publik wurde, zu sehen. 

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Kocher relativiert: Über die Wortwahl des Kanzlers, der armen Familien einen McDonald's Burger als warme Mahlzeit empfohlen hat, könne man "immer diskutieren. Allerdings: Das Gesagte sei nicht für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen, man müsse also den Kontext sehen. 

"Wir sehen, dass es Menschen gibt, die Schwierigkeiten haben und Unterstützung brauchen, und das tun wir auch", betonte Kocher - und verwies einmal mehr auf die Maßnahmen der Regierung, zu der unter anderem auch die Valorisierung der Sozialleistungen gehört. "Dass in Österreich Hunger und Armut weit verbreitet wäre, stimmt einfach nicht." 

Verantwortung bei Lohnverhandlungen

Auch, dass der Kanzler den Sozialpartnern Blockadepolitik vorgeworfen habe, rückte Kocher zurecht: Es sei keine generelle Kritik gewesen, sondern ein Hinweis darauf, dass die Sozialpartner die vielen Maßnahmen zur Stärkung der Kaufkraft bei den vergangenen Lohnverhandlungen nicht ausreichend berücksichtigt habe. 

Hohe Lohnabschlüsse würden die Inflation ankurbeln - Kocher hofft nun, dass sich alle Beteiligten ihrer Verantwortung bewusst sind, wenn am Montag die Lohnverhandlungen starten. Die Metaller fordern ein Plus von 11,6 Prozent. Zu dieser Zahl will sich der Minister nicht äußern. "Die Regierung wird die Verhandlungen nicht beeinflussen." Wenn Unterstützung gewünscht ist, müssten die Sozialpartnerschaft von sich aus auf die Regierung zukommen. 

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Attraktives Land für EU-Bürger

Ein großes Thema ist aktuell auch der Fachkräftemangel: Vor einem Jahr ist eine Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte in Kraft getreten, seither seien die Bewilligungen für Arbeitskräfte aus Drittstaaten um 40 Prozent gestiegen, sagt Kocher. In Zahlen: 2022 waren es rund 6.100, heuer werde man auf 9.000 kommen. 

Neben Drittstaatsangehörigen nannte Kocher aber einen weiteren wichtigen Faktor: Österreich sei ein attraktives Land für Arbeitskräfte aus EU-Ländern. Heuer gibt es einen Positiv-Saldo: Es seien 32.000 mehr auf dem Arbeitsmarkt als Österreich verlassen haben. 

Gescheitert ist der Minister mit seiner Reform des Arbeitsmarktes, die etwa ein degressives Modell für das Arbeitslosengeld vorgesehen hätte: Zu Beginn der Arbeitslosigkeit wäre die Unterstützung höher ausgefallen als derzeit, sie wäre dafür aber schneller abgesunken, um Anreize zu schaffen, sich schnell wieder Arbeit zu suchen. 

Die Standpunkte von ÖVP und Grünen lägen zu weit auseinander. Er ist sich aber sicher, dass sein Modell früher oder später kommt - es entspreche schlicht der Realität in der Europäischen Union. Teile seines Pakets seien allerdings umgesetzt worden, betont er. 

32-Stunden-Woche "unrealistisch"

Angesichts des Arbeitskräfte- bzw. Fachkräftemangels hält Kocher eine 32-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich, wie sie SPÖ-Chef Andreas Babler fordert, nicht für die richtige Lösung. Es sei auch unrealistisch, dieses Modell für alle Branchen gesetzlich zu fixieren. Unternehmen könnten es allerdings schon auf der jetzigen gesetzlichen Grundlage für sich einführen - viele tun das auch. 

➤ Lesen Sie dazu auch das Interview mit WKÖ-Chef Harald Mahrer: "Jeder, der etwas anderes sagt, lügt"

Vorteile von Klimaschutz

Beim Thema Klimaschutz plädiert Kocher dafür, von Horror-Szenarien wegzukommen. "Wir werden alle erleben, dass der Klimawandel zu Extremwetterereignissen führt. Aber wir müssen mit den Maßnahmen, die wir setzen, positive Erzählungen verbinden." Das heißt auch, weniger über Verzicht und mehr über die positiven Effekte zu sprechen. 

Als Wirtschaftsminister fallen ihm als Beispiele ein, dass es in Österreich Unternehmen gibt, die führend seien in der Solartechnik oder beim Recycling. "Das sind Chancen und das hilft der ganzen Welt dabei, Klimaschutz zu betreiben", so Kocher. 

Zum Koalitionsklima ist von Kocher der bekannte Standardsatz zu hören: Es gebe eine "konstruktive Zusammenarbeit trotz aller Differenzen", für den Herbst habe man sich noch viel vorgenommen. 

Und auch bei der Frage, ob er einer nächsten Koalition angehören würde, wenn diese von der FPÖ geführt wäre, bleibt er dabei: "Das kann ich mir nicht vorstellen." 

( kurier.at , lin ) |

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