Kolumne «Fast verliebt» – Narzisstische Mütter
Und warum sich ihre Töchter oft in der Liebe schwertun.
Bedauert Freundinnen mit narzisstischen Müttern: Claudia Schumacher.
Foto: Roman Raacke
«Als ich klein war, hat sie mich angezogen wie ein Püppchen», sagte eine Freundin neulich über ihre schwierige Mutter: «Genauer gesagt: wie ihr Püppchen.» Die Tochter als Mini-Me, als Ego-Erweiterung. Dabei ist es geblieben. Offenbar hat ihre Mutter nicht mitbekommen, dass meine Freundin heute erwachsen ist. Sobald sie etwas Nähe zu Mama zulässt, sie es nett mit ihr hat, wird diese übergriffig. Sie kommentiert alles negativ, was die Tochter anders macht als sie. Und sie legt ihr sogar Kleider hin, die nach ihrem Geschmack sind – von dem sich ihre Tochter eigentlich sehr offensichtlich zu distanzieren versucht.
Narzissten sind auch für sich selbst unerträglich.
«Ich glaube, meine Mutter fragt sich dauernd, warum ich nicht einfach so sein kann wie sie», erzählte mir neulich eine andere Freundin. Manchmal führe sie dann einen unausgesprochenen Dialog mit ihr, antworte im Kopf wahlweise: «Weil ich nun mal ich bin!» Oder: «Weil du verdammt unglücklich bist, Mama!» (Ja, Narzissten sind nicht nur für andere unerträglich, oft auch für sich selbst – ein kleiner Trost.)
Ich kenne drei Frauen, deren Mütter man wohl als Narzisstinnen bezeichnen muss. Alle drei haben sich noch nie wirklich für ihre Töchter interessiert. Sie sehen ihre Tochter nur als (unangenehm verzerrtes) Spiegelbild von sich selbst, nicht als eigenständige Menschen – und benutzen sie als Publikum für das, was wirklich wichtig ist: Mamas Drama.
Perfekte Opfer für Lovebombing
Aber was macht das mit ihren Töchtern? Im schlimmsten Fall werden die Kinder von Narzissten selbst Narzissten. Doch diese drei scheinen sich manchmal eher als Nebenfiguren im eigenen Leben zu sehen – so wenig Raum nehmen sie ein. In der Liebe haben sie es nicht leicht. Denn Menschen, die sich stark zurücknehmen und ihre Bedürfnisse nicht gut artikulieren können, ziehen leider oft Menschen an, die das nur zu gut können. Menschen wie ihre eigene Mutter.
Ausserdem sind sie die perfekten Opfer für Lovebombing: So nennt man es, wenn Narzissten ihre Opfer in der Liebe so lange mit übertriebenen Liebesschwüren und Komplimenten überschütten, bis die ihnen in die Falle gehen. Dann haben die Narzissten Macht über sie – und fangen an, sie abzuwerten, auszunutzen oder abzuservieren.
«I’m glad my mom died» heisst einer der krasseren Buchtitel der letzten Jahre, geschrieben von einer ehemaligen Kinderschauspielerin (Jeanette McCurdy), die sich erst wirklich von ihrer narzisstischen Mutter befreien kann, als diese in der Urne liegt. Nicht jede Tochter kann ihrer Mutter unendlich dankbar sein für all die Liebe. Manche Mütter lieben nämlich nicht oder: nicht richtig. Und hinterlassen Kinder, die ein Leben lang darunter leiden.
Leider gibt es für Menschen, die von anderen geschädigt wurden, nur die Möglichkeit, sich selbst zu reparieren – sonst tut es keiner.
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