Diesen Mann wollen die Milliardäre als Trump-Ersatz

Hoffnungsträger der Republikaner: Glenn Youngkin.Bild: keystone

Analyse

Glenn Youngkin ist der Favorit der wichtigsten Geldgeber der Grand Old Party. Wird er im letzten Moment ins Rennen steigen?

Am 17. Oktober treffen sich im Cavalier Hotel in Virginia Beach die grössten Geldgeber der Republikaner. Sie haben eine grosse Sorge: Wie werden wir Donald Trump los? Mit dem Ex-Präsidenten haben sie schon lange nichts mehr am Hut, nicht nur, weil er ein vulgärer Lügenbold ist. Sie sind vor allem überzeugt, dass er ein Loser sei.

Schon seit einiger Zeit wollen daher die Geldsäcke innerhalb der Grand Old Party Trump loswerden. Männer wie David Koch und die Mitglieder des einflussreichen Clubs for Growth haben bereits mehr als vier Millionen Dollar für eine Anti-Trump-Kampagne ausgegeben. Der Erfolg ist bisher überschaubar geblieben. David McIntosh, der für diese Kampagne zuständig ist, stellt gegenüber der «New York Times» fest: «Jedes Inserat, mit dem wir Trump attackieren wollten, hat das Gegenteil oder gar nichts bewirkt. Das gilt auch für Spots, in denen Trump offensichtliche Dummheiten ausspricht.»

Will Trump loswerden: David Koch.Bild: keystone

Von den bekannten Trump-Herausforderern ist ebenfalls wenig bis nichts zu erwarten. Die zweite Vorwahl-Debatte von Nikki Haley, Chris Christie, Mike Pence & Co. hat einmal mehr schonungslos aufgezeigt, wie irrelevant diese Möchte-gern-Präsidenten geworden sind. Selbst der einstige Hoffnungsträger Ron DeSantis ist zu einem Treppenwitz mit aufgesetztem Lächeln verkommen.

Alles verloren? Lässt sich Trump nicht mehr verhindern? Nicht ganz. Koch und Co. bleibt eine Hoffnung: Glenn Youngkin, Gouverneur aus Virginia. Sollte er noch ins Rennen steigen, so hoffen sie, dann hätte sie eine Alternative zum greisen Joe Biden und eine reelle Chance, das Weisse Haus zurückzuerobern.

Dass die reichen Mäzene ausgerechnet auf Youngkin abfahren, ist kein Zufall. Er ist einer von ihnen. Sein Vermögen beträgt mehrere hundert Millionen Dollar, denn er war überall dort tätig, wo es sehr viel Geld zu verdienen gibt: zunächst bei den Beraterfirmen Boston Consulting und McKinsey. Danach bei der Private-Equity-Firma Carlyle Group, wo er einst CEO war und wo er den grossen Reibach gemacht hat.

Sehr reiche Amerikaner verspüren oft das Bedürfnis, in die Politik einzusteigen, so auch Youngkin. Er bewarb sich 2021 für das Amt des Gouverneurs von Virginia – und siegte in diesem Bundesstaat, in dem eigentlich die Demokraten allmählich die Oberhand gewinnen. In seinem Wahlkampf ging Youngkin geschickt vor: Er hielt sich einerseits Trump vom Leibe – es gab keine gemeinsamen Auftritte –, andererseits setzte er auch auf die Anti-Woke-Welle und prangerte vor allem die angeblich permissive Sex-Aufklärung an den öffentlichen Schulen an.

Die Fleeceweste als Markenzeichen: Glenn Youngkin.Bild: keystone

Mit dieser Masche will er am 7. November dafür sorgen, dass die Republikaner auch im Kongress von Virginia die Mehrheit erlangen. Sollte es ihm gelingen, wäre dies ein Triumph, schliesslich konnte Biden bei den Präsidentschaftswahlen den Südstaat für sich gewinnen. Der Plan der Mäzene lautet denn auch: Youngkin sofort als Präsidentschaftskandidat eintragen lassen und mit dem Sammeln von Unterschriften beginnen. Schon bei der ersten Vorwahl im Januar in Iowa sollte der Hoffnungsträger am Start stehen.

Youngkin selbst gibt sich, was diese Pläne betrifft, bedeckt. Doch die Geldgeber, darunter auch der Verleger Rupert Murdoch, drängen ihn. Sie wissen, dass die Stimmen der für einen Sieg so wichtigen «soccer moms», den Frauen in den Vorstädten, mit Trump unerreichbar sind. Das Image des Gouverneurs aus Virginia hingegen ist quietschsauber. Der 56-Jährige gilt als treuer Ehemann und Vater von vier Kindern.

Gegen ihn fordert Trump die Todesstrafe: Mark Milley.Bild: keystone

Mit anderen Worten: In den Augen der wichtigsten Geldgeber wäre Youngkin der ideale Herausforderer für den greisen Biden, zumal Trump für alle anständigen Amerikanerinnen und Amerikaner zunehmend unwählbar geworden ist. Die Ausfälle des Ex-Präsidenten werden – so weit dies noch möglich ist – immer radikaler. Jüngstes Beispiel ist Trumps Angriff auf Mark Milley, den scheidenden Generalstabschef. Als Trump in seinen letzten Amtstagen immer stärker durchdrehte, rief Milley seinen chinesischen Amtskollegen an und versicherte ihm, es sei mit keinem Angriff auf China zu rechnen, und wenn, würde er ihn rechtzeitig informieren. Trump hat dies zum Anlass genommen, die Todesstrafe für Milley zu fordern, da er angeblich Landesverrat begangen habe.

So absurd solche Ausbrüche des Ex-Präsidenten auch sein mögen, sie bleiben nicht ohne Folgen. Paul Gosar, ein Abgeordneter aus Arizona und Hardcore-Trump-Fan, hat in seinem Newsletter gefordert, Milley müsse gehängt werden.

Präsident Biden konnte sich derweil dazu aufraffen, seinen Vorgänger offen anzugreifen. In einer Rede in Phoenix (Bundesstaat Arizona) sprach er endlich Klartext: Trump unternehme alles, um die demokratischen Institutionen zu unterwandern und die Menschen gegeneinander aufzuhetzen, so Biden. «Die MAGA-Bedrohung ist eine Bedrohung, die an die Wurzeln der Demokratie geht. Es ist auch eine Bedrohung für den Charakter unserer Nation.»

Nach den jüngsten Urteilen eines Richters in New York ist Trumps Ansehen als Geschäftsmann beschädigt. Er steht nicht mehr als erfolgreicher Immobilien-Tycoon da, sondern als schäbiger Betrüger und muss gar damit rechnen, unter Vormundschaft gestellt werden.

Diese Gefahr besteht bei Youngkin nicht. Ob er jedoch gegen Joe Biden zu bestehen vermag, ist alles andere als sicher. Skeptiker verweisen auf Mitt Romney, den erfolglosen Herausforderer von Barack Obama. Wie Romney könnte auch Youngkin daran scheitern, dass Johnny Sixpack in ihm einen Vertreter der verhassten Wall-Street-Elite sieht und in daher ablehnt.

Skeptiker verweisen auch darauf, dass Späteinsteiger bisher keine Chancen hatten. Jüngstes Beispiel für diese These ist Mike Bloomberg. Der ehemalige Bürgermeister von New York bewarb sich im letzten Moment bei den Demokraten. Obwohl er rund eine Milliarde Dollar aus der eigenen Tasche für seinen Wahlkampf aufwendete, blieb er chancenlos.

Schliesslich müsste Youngkin – sollte er tatsächlich antreten – auch mit heftigster Gegenwehr von Trump rechnen. Der Ex-Präsident muss die Wahlen nicht nur gewinnen, um einer drohenden Gefängnisstrafe zu entgehen. Er kämpft auch um sein finanzielles Überleben. Daher würde er sämtliche dreckigen Tricks, die er auf Lager hat – und das sind viele –, gegen Youngkin ins Feld führen. Kein Wunder, zögert der Gouverneur aus Virginia.


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