Germany
This article was added by the user . TheWorldNews is not responsible for the content of the platform.

News des Tages: EU-Asylkompromiss, Ukraine-Krieg, Wärmepumpen

1. Flucht & Grüne

Der Asylkompromiss der EU-Staaten ist hart – doch besser so als gar nicht, das müssen auch die Grünen einsehen, findet mein Kollege Markus Becker (hier sein Kommentar  ). Nein, das ist die eine Zumutung zu viel, kommentierte meine Kollegin Marina Kormbaki schon, als sich die Einigung anbahnte: Beim Thema Asyl habe es die grüne Parteispitze mit ihrem Pragmatismus zu weit getrieben (hier ihr Kommentar ).

Was aber heißt der Kompromiss für Flüchtende, die an den europäischen Grenzen ankommen? Viele sollen unter haftähnlichen Bedingungen in streng kontrollierten Aufnahmeeinrichtungen landen. Dort sollen die Geflüchteten ein sogenanntes Grenzverfahren durchlaufen: Beamte prüfen nicht in erster Linie die Fluchtgründe, sondern vor allem, ob der Asylantrag überhaupt zulässig ist. Sind die Menschen über einen Drittstaat eingereist, der als sicher gilt, könnte ihr Antrag pauschal abgelehnt werden. »Europa schottet sich ab«, berichten meine Kollegen Ralf Neukirch, Steffen Lüdke und Wolf Wiedmann-Schmidt (hier alle Details ).

»Auf dem Papier müssen die Zustände in den neuen Lagern menschenwürdig sein, doch in der Praxis bekommt Europa das jetzt schon nicht hin«, sagt Steffen, der als Reporter oft an Europas Außengrenzen unterwegs war. »Nichts spricht dafür, dass es besser wird, wenn man noch mehr oder größere Lager baut.«

Die große Frage ist, ob die Reform irgendeines der vielen Probleme der EU-Migrationspolitik lösen kann. Reduziert der Pakt die irreguläre Migration? »Eher nicht« meint Steffen. »Schnelle Verfahren bedeuten noch keine Rückführungen. Und die Abschiebungen scheitern vor allem daran, dass entsprechende Abkommen mit anderen Staaten fehlen.« Und werden Flüchtlinge durch die Reform besser behandelt? Werden die Verfahren wenigstens fairer? »Beides halte ich für nahezu ausgeschlossen«, sagt Steffen.

2. Fluchtgründe

Mehr als eine Million Menschen sind seit Putins Überfall aus der Ukraine nach Deutschland geflohen, drei Viertel davon fanden privat eine Unterkunft. Anfangs schien die Solidarität der Deutschen grenzenlos, inzwischen protestieren wieder Wutbürger vor den Flüchtlingsheimen, und die AfD ist so beliebt wie zuletzt vor fünf Jahren.

Wie erlebten die Geflüchteten den Wandel des Landes? Mein Kollege Max Polonyi und der Fotograf Milos Djuric haben drei Frauen aus Kiew seit ihrer Ankunft in Deutschland über 14 Monate hinweg begleitet . Die Zwillinge Zlata und Snjeza waren 16 Jahre alt, als sie mit ihrer Mutter Irina bei einer liebevollen Gastfamilie in Berlin einzogen. Nach über einem Jahr zu dritt in einem 15-Quadratmeter-Zimmer fanden sie eine eigene Wohnung.

»Mit den Monaten haben sich die Zwillinge immer mehr entfremdet: von ihrer Heimat, von der Gastfamilie, von ihrer Mutter«, sagt Max. »Ankommen heißt immer auch: loslassen.«

Und hier weitere Nachrichten und Hintergründe zum Krieg in der Ukraine:

  • Die schwimmende Gefahr: Nach dem Bruch des Kachowka-Staudamms weiß niemand, wo weggeschwemmte Sprengfallen an Land gespült werden. Minenräumer versuchen, das Schlimmste zu verhindern.

  • Und dann brach der Damm: War es Unfähigkeit der Russen – oder ein monströses Kriegsverbrechen? Nach dem Staudammbruch in der Ukraine wird immer klarer, was in den Stunden vor dem Unglück passiert sein könnte. Der SPIEGEL-Report. 

  • Ein Dammbruch, auf den es nur eine Antwort geben kann: Die Flutkatastrophe in der Ukraine zeigt: Wer ein schnelles Ende des Schreckens will, muss Kiews Truppen helfen zu gewinnen .

  • Hier finden Sie alle aktuellen Entwicklungen zum Krieg in der Ukraine: Das News-Update

3. Fluchende Grüne

Das Große im Kleinen erzählen, das haben sie uns an der Journalistenschule versucht einzubläuen. Selten gelingt es so gekonnt wie heute meinem Kollegen Serafin Reiber aus unserem Hauptstadtbüro: Er berichtet, dass die Grünen zwar einerseits dem Land die Heizwende verordnen wollen (zusammen mit Teilen der Ampelkoalition). Dass es ihnen andererseits noch nicht mal gelingt, in ihrer Bundesgeschäftsstelle eine Wärmepumpe einbauen zu lassen – und zwar seit dreieinhalb Jahren .

»Die Grünen machen aus gutem Grund Tempo bei der Wärmewende«, sagt Serafin. Allzu lange sei von den Vorgängerregierungen zu wenig unternommen worden, um den Einbau klimafreundlicher Heizungen zu beschleunigen. »Die Partei unterschätzt aber, dass die Umsetzung mit teils massivem Fachkräftemangel, Bürokratie-Irrsinn und tief verinnerlichtem Bedenkenträgertum alles andere als einfach ist.«

Robert Habeck hätte sich die Baustelle in seiner Parteizentrale anschauen sollen. Und die Grünen täten gut daran, nur vorzuschreiben, was sich auch umsetzen lässt. »Ansonsten nützen ihre ambitionierten und zu einem hohen politischen Preis verhandelten Heizungspläne niemandem – auch dem Klima nicht.« Die ganze Welt in einer Nussschale, äh, Wärmepumpe.

Podcast Cover

Was heute sonst noch wichtig ist

  • NRW ermittelt gegen Nutzer von Kryptoplattformen: Wer Kryptowährungen handelt, kann hohe Gewinne erzielen. Die Finanzbehörden von Nordrhein-Westfalen werten nun Daten von Nutzern entsprechender Plattformen aus – und prüfen, ob auf Gewinne Steuern gezahlt wurden.

  • An Flughäfen droht ein Chaos-Sommer: Millionen Flugpassagiere haben 2022 chaotische Reisemonate erlebt, mit massiven Verspätungen, endlosen Warteschlangen, verlorenen Koffern: Dieses Jahr könnte ihnen das nochmals blühen.

  • Güteverhandlung gescheitert: Eine Schlichtungsversuch vor dem Arbeitsgericht Berlin sollte den Konflikt zwischen Ex-»Bild«-Chefredakteur Julian Reichelt und seinem ehemaligen Arbeitgeber klären. Die Parteien konnten sich jedoch nicht einigen.

  • Google zwingt Angestellte zurück ins Büro: Wer mehr als zwei Tage pro Woche im Homeoffice arbeitet, könne ein schlechtes Arbeitszeugnis bekommen. Mit dieser Drohung will Google seine Büros wieder füllen. Was treibt den Konzern dazu?

Mein Lieblingsspiegel heute: der neue

Zwei Wochen lang recherchierte ein SPIEGEL-Team zu den Vorwürfen gegen Rammstein. In den sozialen Netzwerken hatten junge Frauen ein perfides System zur Rekrutierung von Groupies geschildert, es ging um Partys und angebliche sexuelle Übergriffe.

Meine Kolleginnen Elisa von Hof und Juliane Löffler nahmen mit vielen der Frauen Kontakt auf, meine Kollegin Ann-Katrin Müller untersuchte die Methoden, mit denen eine Vertraute des Rammstein-Sängers Till Lindemann »Tills Girls«, wie sie genannt wurden, geködert haben soll. Mein Kollege Jan Friedmann und meine Kollegin Maria Christoph gingen in München zum Konzert der Band, deren Vertreter die Vorwürfe bestreiten. Der Sänger hat Staranwälte beauftragt, die von »ausnahmslos unwahren« Anschuldigungen sprechen und mit rechtlichen Schritten drohen.

»Anonym meldeten sich zwar sehr viele Frauen zu Wort«, sagt Juliane, »aber die Angst, ihre Erlebnisse mit vollem Namen zu schildern, war groß.« Viele der weiblichen Fans, mit denen sie gesprochen hat, hätten sich inzwischen von der Band abgewandt: »Einige bekommen jetzt schon von der Musik Panikattacken, andere spüren Ekel, wenn sie an ihre ehemaligen Helden denken.«

Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen

  • Christian Lindners Kürzungsliste – das steht drauf: Krieg, Heizung, Atomausstieg: Das Regieren ist teurer als geplant. Finanzminister Lindner will seinen Ministerkollegen deshalb die Etats kürzen – was für Ärger sorgt. Hilft ein Donnerwetter des Kanzlers? 

  • Es ist halt der Rudi: Rudi Völler ist jetzt seit einem halben Jahr der Mann für die Stimmung beim DFB. Mit dem Auftrag, den komplizierten Fußball möglichst leicht erscheinen zu lassen. Es kann gut sein, dass er damit Erfolg hat .

  • Wie eine Seekuh zur Staatsaffäre werden konnte: Tico schwamm von Brasilien aus so weit wie kaum eine Seekuh zuvor, mehr als 5000 Kilometer. Dann nahm ihn Venezuela gefangen. Seither gibt es einen Streit ums Tierwohl – und einen Kampf der politischen Systeme .

Was heute weniger wichtig ist

Von deutschlandfunk.de

Und heute Wochenende?

Wenn Sie sich für Fußball interessieren, könnten, nein, werden Sie das Champions-League-Finale gucken. »Pep Guardiola ist der beste Fußballtrainer der Welt«, sagt mein Kollege Marcus Krämer. »Doch seit zwölf Jahren scheitert er daran, die Champions League zum dritten Mal zu gewinnen.« Im Finale am Samstagabend könnte die Chance seines Klubs Manchester City gegen Außenseiter Inter Mailand kaum größer sein. Die Frage sei, ob Guardiola seine überlegenen Spieler einfach machen lässt oder ob er mal wieder zu viel will. (Am Samstagabend im Liveticker bei spiegel.de)

Und wenn Sie sich für Krimis begeistern, könnten Sie den letzten »Polizeiruf« mit Verena Altenberger als Ermittlerin Eyckhoff angucken. Der Film komme »inmitten grotesk entfesselter Gewaltszenen zuweilen unerwartet zärtlich daher«, findet mein Kollege Christian Buß: »Pflichttermin!« (Sonntagabend, 20.15 Uhr, hier mehr .)

So oder so: Genießen Sie die Sonne. Herzlich
Ihr Oliver Trenkamp, Blattmacher in der Chefredaktion