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Zoom: Fotografin Dayanita Singh: Zeit der Zärtlichkeit

ZoomZeit der Zärtlichkeit

Die indische Fotografin Dayanita Singh entdeckte während der Pandemie ihre ersten Arbeiten wieder – ein Frühwerk, das sie selber überraschte.

Streng genommen ist der Bildband «Let’s See» ein Produkt der Pandemie. Wegen des erzwungenen Stillstands fand die indische Fotografin Dayanita Singh die Zeit, um ihr Archiv zu durchforsten. Dabei stiess sie auf ihre allerfrühesten Fotografien: Bilder, die sie selber noch gar nie richtig gesehen hatte – weil sie nur auf Kontakt­abzügen archiviert waren, also bloss als Sammeldrucke im Kleinformat.

«Diese Bilder stammen aus einer Zeit, bevor ich mich selbst als Fotografin verstand», sagt die 1961 geborene Singh dazu. Zunächst studierte sie visuelle Kommunikation, bevor sie entdeckte, dass die Fotografie sie an Orte führte, die ihr als Frau sonst zu jener Zeit verschlossen waren. Und auch, dass dieser Beruf sie von den sozialen Anforderungen an Frauen in Indien befreite.

Auf ihren ersten Fotografien, entstanden in den 1980er- und 1990er-Jahren, zeigt Singh jene Menschen, die sie umgaben, und hielt jene Momente fest, die ihr erinnerungswürdig schienen. Es sind oft häusliche, intime Szenen: Frauen flechten einander die Haare, Männer spielen mit Kindern, es wird diskutiert, gelacht, geweint.

Ein Bild zeigt einen mit Blumen geschmückten Verstorbenen, ein anderes eine herzliche Umarmung. Oft berühren sich Menschen gegenseitig, und ausnehmend häufig sind die Protagonistinnen und Protagonisten am Ruhen – auf Sofas, Betten, Schaukeln, Liegestühlen, Kissen. Eine entspanntere oder verletzlichere Position als das Liegen gibt es nicht, und darum strahlen diese Fotografien auch etwas überaus Zärtliches und Sanftes aus.

Singh sagt in einem kurzen Video, das auf der Verlagswebsite zu finden ist, sie sei selber überrascht von der Präzision und Zartheit ihrer Arbeiten. Sie habe diese unmittelbare Qualität des Fotografierens mittlerweile verloren – schlicht, weil sie damals gar nicht daran gedacht habe, dass sie fotografiere.

Regula Fuchs schreibt über alles Mögliche in der Kultur und darüber hinaus - auch über Katzenleitern oder Klangkäse. Sie hat Germanistik, Theaterwissenschaft und Anglistik studiert und leitet das Ressort Kultur & Gesellschaft.

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