Zoff um den Astrazeneca-Impfstoff: Was du dazu wissen musst
Wo liegt das Problem?
AstraZeneca hat am vergangenen Freitag angekündigt, weniger Impfstoff an die EU-Staaten liefern zu können. Der britisch-schwedische Konzern wird voraussichtlich am 29. Januar die Zulassung in der EU bekommen. Danach erwartete die EU eigentlich 80 Millionen Impfdosen bis Ende März. Doch nun sollen es nach EU-Angaben nur 31 Millionen sein. Die Kommissarin für Gesundheit im Europarat, Stella Kyriakides, war alles andere als erfreut über diese überraschenden Neuigkeiten:
«Die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten äusserten tiefe Unzufriedenheit damit [mit der Lieferverzögerung]. Wir haben auf einem genauen Lieferplan bestanden, auf dessen Grundlage die Mitgliedstaaten ihre Impfprogramme planen sollten, sofern eine vorläufige Zulassung erteilt wird.»
Stella Kyriakides
Weiter für Furore haben Artikel im Handelsblatt und in der Bild geführt, in denen behauptet wird, dass der AstaZeneca-Impfstoff nur für Unter-65-Jährige eine Zulassung erhalten werde. Der Grund liege in der Wirksamkeit von nur 8% bei Menschen über 65 Jahren, schreibt Bild und beruft sich dabei auf interne Gespräche zwischen der deutschen Bundesregierung und den Bundesländern.
Wie reagiert AstraZeneca?
Der Impfstoff-Hersteller AstraZeneca begründet die Lieferverzögerung mit einer Lücke in der Lieferkette in Belgien. Die EU-Kommission schien diese Begründung allerdings zu bezweifeln und forderte detaillierte Erklärungen:
«Die EU will genau wissen, welche Dosen bisher von AstraZeneca wo produziert und ob bzw. an wen sie geliefert wurden. Die Antworten des Unternehmens während der Diskussion im Lenkungsausschuss waren bisher nicht zufriedenstellend. Ein zweites Treffen ist für heute Abend angesetzt.»
Stella Kyriakides
Die von der «Bild» und dem «Handelsblatt» aufgestellte Behauptung, dass der AstraZeneca-Impfstoff bei über 65 Jährigen unwirksam sei, bezeichnete der Impfstoffhersteller gemäss Reuters als «völlig falsch». Die US-amerikanische Zeitung Politico zitiert eine britische Regierungsquelle, die eine Zahlen-Verwechslung vermutet:
Wie reagiert die EU?
AstraZeneca konnte auch beim zweiten von Kyriakides angekündigten Treffen nicht überzeugen. Im Raum steht die Vermutung, dass vorproduzierter Impfstoff statt an die EU an Dritte verkauft oder versprochen worden sein könnte.
Die Besprechungen mit AstraZeneca führten heute aufgrund mangelnder Klarheit und unzureichender Erklärungen zu Unzufriedenheit. Die EU-Mitgliedstaaten sind sich einig: Impfstoffentwickler haben gesellschaftliche und vertragliche Verpflichtungen, die sie einhalten müssen.
Stelle Kyriakides
Aus diesem Grund werde es in Zukunft eine Export-Genehmigungsplicht für in Europa ansässige Impfhersteller geben, wenn sie Dosen über die EU-Grenzen hinaus verkaufen wollen. Eine weitere Besprechung sei auf Mittwoch angesetzt, teilte Kyrikiades gestern Abend auf Twitter mit.
Ist die Schweiz davon betroffen?
Wie auf der Website des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) ersichtlich ist, hat der Bund am 16. Oktober einen Vertrag mit AstraZeneca über 5.3 Millionen Impfdosen abgeschlossen. Noch warte Swissmedic auf wichtige Daten, sagt Mediensprecher Lukas Jaggi, doch mit deren Eintreffen dürfte die Zulassung in den nächsten Wochen erfolgen.
Ampullen des AstraZeneca Impfstoffes in einem Kühlschrank. Bild: sda
Ob die Schweiz als Nicht-EU-Land auch von den Verzögerungen und Lieferausfällen betroffen sein wird, kann das BAG nicht beantworten. Man stehe aber mit dem Impfhersteller in Kontakt, so eine BAG-Sprecherin gegenüber CH Media. Klar ist allerdings, dass der Vertrag den die Schweiz im Oktober abgeschlossen hat, auf der Vereinbarung der EU-Kommission mit AstraZeneca basiert – die Schweiz erhält ihre Impfdosen also vom EU-Kontingent. Wenn es also bei der EU-Lieferung zu Verzögerungen und Ausfällen kommt, scheint es naheliegend, dass auch die Schweiz davon betroffen sein wird.
Weitere Informationen dazu dürften am Dienstag Nachmittag an der Pressekonferenz im Bundeshaus folgen.
Wie funktioniert der AstraZeneca-Impfstoff?
Anders als Biontech/Pfizer und Moderna handelt es sich beim AstraZeneca-Impfstoff nicht um ein mRNA-Präparat. Stattdessen beruht der Wirkstoff AZD1222 auf der abgeschwächten Version eines Erkältungsvirus von Schimpansen. Es enthält genetisches Material eines Oberflächenproteins, mit dem der Erreger Sars-CoV-2 an menschliche Zellen andockt. Das Mittel wirkt zweifach: Es soll sowohl die Bildung von spezifischen Antikörpern als auch von T-Zellen fördern – beide sind für die Immunabwehr wichtig.
Die Vorteile gegenüber der Impfstoffen von Biontech/Pfizer und Moderna liegen in der einfacheren Handhabung, Lagerung und Verträglichkeit.
Wer impft schon mit AstraZeneca?
In Indien wurde der Impfstoff bereits Anfang Januar zugelassen, wo er unter anderem auch hergestellt wird. Brasilien hat am 23. Januar mit der Verimpfung von zwei Millionen Dosen begonnen, nachdem sie aus Indien eingetroffen waren. Des Weiteren wird der Impfstoff auch schon in Argentinien, der dominikanischen Republik, El Salvador, Mexiko und Marokko genutzt.
Mit Material der sda.
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