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Zero-Covid-Politik in China: Peking kann die Menschen nicht beschwichtigen

Zero-Covid-Politik in ChinaPeking kann die Menschen nicht beschwichtigen 

Trotz Null-Covid-Strategie breitet sich die ansteckende BA.2-Variante in China weiter aus. Die Kritik an den einschneidenden Massnahmen steigt. 

Verheerende Corona-Welle: Arbeiter verteilen Essenspakete in Shanghai (7. Mai 2022). 

Verheerende Corona-Welle: Arbeiter verteilen Essenspakete in Shanghai (7. Mai 2022). 

Foto: Hector Retamal (AFP)

Der sogenannte Lockdown sei ein Gerücht, es gebe keinen Grund, mehr Lebensmittel als sonst einzukaufen. Die Bevölkerung solle Ruhe bewahren. Der Versuch der Pekinger Behörden, die Menschen zu beschwichtigen, löste diese Woche das genaue Gegenteil aus. In vielen Teilen der Stadt stürmten die Menschen erneut die Supermärkte.

Seit Ende April kämpft die Millionenstadt gegen eine Corona-Welle an. Offiziell gibt es zwar keinen harten Lockdown, zu Hause zu bleiben, ist weiter nur eine Empfehlung. Doch seit nunmehr fast drei Wochen ist das öffentliche Leben in weiten Teilen der Stadt auf ein Minimum reduziert. Restaurants können nur einen Lieferdienst anbieten oder das Essen abholen lassen, dazu wurde in einigen Vierteln der öffentliche Nahverkehr eingestellt. Menschen arbeiten von zu Hause, Schulen sind geschlossen. In zahlreichen Bezirken sind die Bewohnerinnen und Bewohner dazu aufgefordert, sich jeden Tag testen zu lassen.

Die Nervosität in Peking steht stellvertretend für die Lage in Dutzenden von Städten und Regionen im Land, die sich gegen neue Corona-Wellen stemmen. Weil die jüngste Corona-Variante BA.2 weit ansteckender ist als ihre Vorgängerinnen, schaffen es die Behörden nicht mehr, die Ausbreitung des Virus zu stoppen.

Zermürbende Dauer-Lockdowns

Die Zahl null, die Chinas Staats- und Parteichef weiter als oberstes Ziel im Kampf gegen das Virus ausgegeben hat, ist in weite Ferne gerückt. Die Folge sind zermürbende Dauer-Lockdowns ohne klares Ende in Sicht. Mehr denn je zeigen sich die gewaltigen Kosten der Einschränkungen: Unternehmen melden Produktionsstopps und Probleme mit Lieferketten. Das Wachstum droht einzubrechen, vor allem Kleinunternehmer können die Dauerschliessungen kaum noch stemmen.

Dass die Regierung dennoch weiter an ihrem Kurs festhält, hat durchaus gute Gründe, wie eine Studie der Fudan-Universität in Shanghai jüngst verdeutlichte. Laut den Forschern droht dem Land ein «Tsunami» an Infektionen, sollten die Behörden ihre strengen Massnahmen zu schnell lockern. Das Problem ist, dass zwar bisher mehr als 90 Prozent der Menschen zwei Impfdosen erhalten haben, aber ausgerechnet viele Ältere sind nicht geimpft. 

Ohne die Massentests und strengen Lockdowns würde demnach innerhalb weniger Wochen eine Omikron-Ausbreitung mit rund 112 Millionen symptomatischen Fällen und 5 Millionen Spitaleinweisungen drohen, der Bedarf an Intensivbetten dürfte fast sechzehnmal höher liegen als die Kapazität. Insgesamt müsste mit bis zu 1,6 Millionen Toten gerechnet werden, drei Viertel davon ungeimpfte Personen ab 60 Jahren.

Verhältnismässigkeit infrage gestellt

Die beste Chance, die Peking hat, scheint nun, auf Zeit zu spielen. Die Älteren müssen möglichst schnell geimpft werden, langfristig sollen auch bessere Impfstoffe und wirksame Medikamente helfen. Trotz der massiven Kosten sind deshalb aber viele Chinesen auch weiterhin davon überzeugt, dass es vorerst keine Alternative zur Null-Covid-Strategie gibt. Was die Menschen dafür zunehmend infrage stellen, ist die Verhältnismässigkeit der Massnahmen.

Im Fokus dieser Debatte steht vor allem das Management der Behörden in Shanghai, wo manche Einwohner seit fast zwei Monaten in ihren Wohnungen eingesperrt sind. Die Abriegelung der Stadt kam so plötzlich, dass ein grosser Teil der Menschen lange Zeit weder Zugang zu ausreichend Lebensmitteln noch zu medizinischer Versorgung hatte. Helfer liessen im Namen der Corona-Bekämpfung Haustiere totprügeln, wenn sich ihre Besitzer in Quarantäne befanden, und trennten infizierte Kinder von ihren Eltern. Selbst dann noch, wenn es in den Isolationsstationen gar nicht genug Personal gab, um die Kinder zu versorgen.

Fragwürdig ist für viele Menschen auch, dass zunächst Infizierte in zentrale Quarantänestationen gebracht wurden, selbst wenn sie zum Zeitpunkt der Abholung bereits wieder negativ getestet wurden. Am Mittwoch sah sich ein Beamter der Shanghaier Gesundheitsbehörden gezwungen, die strengen Massnahmen zu verteidigen. Diese stünden im Einklang mit den einschlägigen Gesetzen und Vorschriften.

WHO schaltet sich ein

Die rigorosen Massnahmen sind inzwischen auch Thema in der Weltgesundheitsorganisation. WHO-Chef Tedros Ghebreyesus, der Pekings harten Corona-Kurs zu Beginn der Krise gelobt hatte, bezeichnete die Massnahmen diese Woche «angesichts der Eigenschaften des Virus» als nicht nachhaltig. In den sozialen Medien liessen die Zensoren jegliche Erwähnung der Kritik sofort löschen, lediglich das Aussenministerium äusserte sich mit einem wütenden Statement. Man hoffe, dass «die betreffende Person» die chinesische Covid-Politik objektiv und rational betrachten und die Fakten kennen würde, anstatt unverantwortliche Bemerkungen zu machen.

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