In der Schweiz gibt es kantonal unterschiedlich strenge Corona-Beschränkungen. Echtzeitdaten zeigen, dass der «harte» Genfer Lockdown wirtschaftlich mehr kostet als die milderen Beschränkungen in der Waadt oder in Zürich.

In Genf mussten nicht nur die Restaurants, sondern auch der Einzelhandel (mit Ausnahme der Grundversorgung), Bars sowie Kultur- und Sportstätten den Betrieb einstellen. Der wirtschaftliche Einbruch ist darum im kantonalen Vergleich besonders gross.
Der Schweizer Föderalismus lebt. Die Kantone verfolgen unterschiedliche Strategien zur Bekämpfung der Corona-Pandemie. Auf dem Gebiet der Eidgenossenschaft finden sich gleich alle drei wesentlichen Ansätze, die europaweit diskutiert und verfolgt werden.
Der Kanton Genf hat Anfang November den zweiten «harten» Lockdown verordnet: Der Einzelhandel ist grundsätzlich geschlossen (bis auf die Grundversorgung), die Schulen bleiben aber geöffnet. Darüber hinaus mussten Restaurants, Bars sowie Kultur- und Sportstätten den Betrieb einstellen. Einen ähnlichen Weg geht etwa Österreich.
Ein «mittleres» Modell verfolgen viele Westschweizer Kantone wie die Waadt: Hier bleibt der Einzelhandel geöffnet, aber Restaurants sowie Kinos, Theater, Museen und Fitnesscenter mussten schliessen. Das entspricht im Grossen und Ganzen dem Vorgehen in Deutschland.
Ein vergleichsweise «weicher» Ansatz gilt für grosse Teile der restlichen Schweiz, etwa den Kanton Zürich: Sowohl Einzelhandel wie Gastronomie und Kultur- und Sportstätten konnten ihren Betrieb bis jetzt grundsätzlich fortführen. Dies ist eine Art «schwedischer» Weg.
Zunächst lässt sich feststellen, dass es für das unterschiedliche Vorgehen nachvollziehbare epidemiologische Gründe gab. Im Kanton Genf stiegen die Coronavirus-Fallzahlen im Oktober besonders stark. Deutlich geringer war die Zunahme im Kanton Zürich; der Kanton Waadt liegt dazwischen. Gleichzeitig zeigt sich, dass die Corona-Beschränkungen seit Anfang November gewirkt haben: Besonders in Genf und in der Waadt sind die Fallzahlen seither wieder deutlich gesunken.
Die unterschiedlich starken Einschränkungen haben sich auf die Mobilität der Menschen ausgewirkt. Die Entwicklung in den Kantonen lässt sich etwa mittels Echtzeitdaten der Google Mobility Reports, die auf Smartphone-Tracking beruhen, vergleichen.
In Genf sind demnach ab Anfang November die Besuche im Einzelhandel (ohne Lebensmittel) sowie die Freizeitmobilität stark zurückgegangen. Das mag angesichts des «harten» Lockdown nicht erstaunen. Geringer war der Rückgang in der Waadt, wo nur die Restaurants und Sport- und Kulturstätten geschlossen sind. Wenig Zurückhaltung lässt sich im Kanton Zürich erkennen.
Weniger klar ist, wie sich die unterschiedlichen Corona-Beschränkungen auf den Rückzug ins Home-Office auswirken. Die Google-Daten zeigen, dass es gewisse Effekte gibt. Die Genfer sind seit Anfang November weniger zur Arbeit gependelt. Der Rückgang ist etwas stärker als in der Waadt. Hingegen hielten sich die Arbeitnehmer im Kanton Zürich kaum zurück.
Allerdings ist der Trend zum Home-Office in der Westschweiz weit weniger ausgeprägt als das Fernbleiben von Läden und Restaurants. Ebenfalls sind in der ganzen Schweiz in diesem Herbst viel weniger Menschen zu Hause geblieben als beim ersten Lockdown im Frühling.
Wirtschaftlich direkt spürbar werden die unterschiedlichen Corona-Beschränkungen im Konsum der Menschen. Der Privatkonsum ist gesamtwirtschaftlich von grosser Bedeutung, er steuert in der Schweiz über die Hälfte zum Bruttoinlandprodukt (BIP) bei. Dank Echtzeitdaten des Projekts «Monitoring Consumption Switzerland» lässt sich nachverfolgen, wie viel die Schweizer in einer bestimmten Woche mittels Bankkarten ausgegeben haben und zum Teil auch, wie viel Bargeld sie an Automaten bezogen haben.
Besonders der harte Lockdown in Genf hat demnach den Alltagskonsum der Bevölkerung stark verringert. Im Kanton Genf wurde im Zeitraum vom 2. bis 22. November um rund 25% weniger Geld mittels Bankkarten ausgegeben als im Vorjahreszeitraum.
Dabei ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass heuer ohnehin mehr mit Karte statt mit Bargeld bezahlt wird als 2019 – die strukturelle Verschiebung dürfte geschätzt 20% ausmachen. Insofern ist der Konsumeinbruch im Kanton Genf beträchtlich. Ein Teil der Konsumausgaben dürfte allerdings nachgeholt werden, wenn die Läden wieder geöffnet sein werden. Zudem findet wohl eine Verschiebung hin zum Online-Einkauf statt.
Mit Blick auf die gesamte Schweiz zeigen sich grosse regionale Unterschiede. Der Konsumeinbruch ist am stärksten im Kanton Genf mit dem «harten» Lockdown. Ebenfalls relativ schwach entwickelt hat sich der Konsum aber auch in den übrigen Westschweizer Kantonen, die alle den Weg «mittlerer» Corona-Beschränkungen wie die Waadt verfolgen. Dieser «mittlere» Weg scheint mithin auch mittelgrosse wirtschaftliche Kosten zu haben.
Hingegen hält sich der Konsum in der Deutschschweiz recht stabil. Geschäfte oder Restaurants leiden weniger. Insofern zahlen sich die vergleichsweise «milden» Beschränkungen aus. Der Kanton Zürich fällt hier allerdings etwas aus dem Rahmen; warum der Konsum im November in Zürich eher schwach war, ist nicht einfach zu erklären.
Mit Blick auf die gesamte Schweiz gibt es Echtzeit-Daten zur Mobilität auch aus einer Handy-Tracking-Studie von Intervista, dem Kanton Zürich und der Konjunkturforschungsstelle der ETH (KOF). Die Daten basieren auf den täglichen gemessenen Bewegungen von 2500 repräsentativ ausgewählten Menschen in der ganzen Schweiz.
Insgesamt scheint der Rückzug in die eigenen vier Wände vorerst gestoppt zu sein. Nachdem die Schweizer im Oktober etwas zurückhaltender geworden waren, haben sie im November wieder etwas längere Distanzen in der Freizeit sowie fürs Einkaufen zurückgelegt. Der Trend zum Home-Office verstärkte sich im November nicht mehr wesentlich.
Ein ähnliches Bild zeigt der Aktivitätsindex der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF). In diesen Indikator fliesst die erwähnte Handy-Tracking-Studie ein, aber er erfasst zusätzlich etwa auch die Frequenzen im öffentlichen und privaten Verkehr.
Ein umfassendes Bild des Konsumverhaltens liefert das erwähnte Projekt «Monitoring Consumption Switzerland» rund um Ökonomen der Universität St. Gallen. Die Forscher haben Daten auf Wochenbasis erhoben, die messen, welche Ausgaben die Schweizer mit Bank- und Kreditkarten tätigen, und zum Teil auch, wie viel Bargeld sie an Automaten abheben.
Der Privatkonsum der Schweizer ist demnach von der «zweiten Welle» und den neuen Corona-Beschränkungen nicht völlig unbeeinflusst geblieben. Die Konsumausgaben dürften in den vergangenen Wochen leicht zurückgegangen sein. Allerdings ist ein Einbruch wie beim Lockdown im Frühling nicht zu erkennen. Insgesamt bleibt der Konsum recht robust.
Klar erkennbar sind hingegen Verschiebungen zwischen den einzelnen Konsumkategorien. Die Schweizer gehen jetzt wieder mehr in die Supermärkte einkaufen. Hingegen verliert der übrige Detailhandel in den Innenstädten. Zudem leiden Restaurants, Hotels oder die Event-Branche unter markanten Umsatzeinbussen.
Die wichtigste ökonomische Grösse in der Corona-Pandemie dürfte sein, wie sich die Gesamtwirtschaft (Bruttoinlandprodukt, BIP) entwickelt. Seit vergangener Woche liegt ein neuer Indikator für die wöchentliche Wirtschaftsaktivität in der Schweiz vor. Entwickelt haben ihn die Konjunkturexperten des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco).
In der ersten Novemberwoche (2. bis 8. November) gab es demnach noch keinen gesamtwirtschaftlichen Dämpfer in der Schweiz, obwohl der Bundesrat Ende Oktober landesweit neue Einschränkungen wie eine erweiterte Maskenpflicht und Personenobergrenzen für Veranstaltungen und private Treffen verordnet hatte.
Das könnte bedeuten, dass das Land wirtschaftlich einigermassen ungeschoren durch die zweite Welle kommt. Freilich gilt dies nur, wenn nicht doch noch landesweit schärfere Beschränkungen wie in den Westschweizer Kantonen oder wie in den Nachbarländern Deutschland und Österreich nötig werden sollten.
Die Konjunkturexperten des Bundes haben einen indirekten Weg gewählt, wie sie den Wirtschaftsgang auf Wochenbasis abschätzen. Sie nahmen täglich oder wöchentlich verfügbare Daten etwa zum Stromverbrauch, zu den Gütertransporten der SBB, zu Bankkartentransaktionen oder zu Warenexporten und -importen.
Solche Masse bieten Näherungsgrössen etwa für die Industrieproduktion, den Handel oder den Konsum. Dann wurde ermittelt, welche Daten den tatsächlichen realen Wirtschaftsverlauf in den vergangenen Jahren möglichst gut nachzeichnen. Daraus lässt sich eine Schätzung ableiten für die Gegenwart.
Strenggenommen bietet der neue Indikator keine wöchentliche BIP-Berechnung, und auch die wöchentlichen Schwankungen sollten nicht überinterpretiert werden. Dennoch lässt der Indikator Aussagen zu wie: Ende Oktober lag die Wirtschaftsleistung in der Schweiz um geschätzte 2% unter dem Niveau des Vorjahreszeitraums.
Einen vergleichbaren Indikator gibt es bereits seit dem Mai für Österreich. Aus dem Nachbarland kamen bis anhin die umfassendsten Echtzeit-Daten. Forscher der Notenbank (OenB) haben einen wöchentlichen Indikator für die gesamte Wirtschaftsleistung (Bruttoinlandprodukt) entwickelt.
Zum Beispiel wird mittels täglich verfügbarer Daten zur Benutzung von Bankkarten und Bargeld der Privatkonsum abgeschätzt. Informationen zum Lastwagenverkehr an der Grenze liefern Hinweise auf die Exporttätigkeit. Aus dem Stromverbrauch lässt sich auf die Industrieaktivität schliessen.
Der wöchentliche BIP-Indikator für Österreich zeigt, dass in der Woche nach der Schliessung von Restaurants, Bars und Kulturstätten (2. bis 6. November) die Wirtschaftsleistung wieder deutlich zurückgegangen ist. Das BIP lag in dieser Woche um geschätzte 7% niedriger als im Vorjahreszeitraum. Dabei fiel vor allem ein Rückgang des Privatkonsums um rund 4 Prozentpunkte ins Gewicht. Zusätzlich belastete die schlechte Lage im Tourismus – aber der Fremdenverkehr hatte schon vor den neuen Beschränkungen gelitten.
Dies deutet darauf hin, dass auch ein «mittlerer» Weg an Corona-Beschränkungen bereits beträchtliche gesamtwirtschaftliche Einbussen mit sich bringt. Seit dem 17. November gilt in Österreich zudem ein «harter» Lockdown mit einer Schliessung von Einzelhandel und Schulen sowie strikten Kontaktbeschränkungen. Dessen gesamtwirtschaftliche Auswirkungen werden sich bald in den Echtzeitdaten zeigen.
Deutsche Konjunkturforscher achten derzeit verstärkt auch direkt auf Echtzeit-Indikatoren wie Stromverbrauch, Verkehrsdaten und Passantenaufkommen in Innenstädten.
Ein Beispiel ist der vom Statistischen Bundesamt veröffentlichte Fahrleistungsindex, der für die Dauer der Corona-Krise für jeden Arbeitstag aktualisiert wird. Er misst die Fahrleistung der mautpflichtigen Lastwagen mit mindestens vier Achsen auf Bundesautobahnen. Da die Lkw-Fahrleistung laut dem Statistikamt in engem Zusammenhang mit der Industrieproduktion steht, liefert der Index frühe Hinweise zur Konjunkturentwicklung.
Nach dem Lockdown in Deutschland ging der Lastwagenverkehr massiv zurück. Seither hat er sich spürbar erholt. Im August verkehrten erstmals deutlich mehr Lkw auf deutschen Bundesstrassen als im Vorjahr. Auch im November war der Lastwagenverkehr trotz den neuen Beschränkungen noch deutlich grösser als im Vorjahr.
«Kommt es zu einer Konkurswelle und Massenentlassungen?», so lautet die Frage, die Konjunkturforscher derzeit stark bewegt. Treten solche Krisenphänomene gehäuft auf, wird die Erholung wohl Jahre auf sich warten lassen. Die Folgen wären Wohlstandsverluste auf breiter Front. Bleiben hingegen solche schwerwiegenden Krisenfolgen aus, stünden die Chancen auf eine allmähliche wirtschaftliche Erholung ohne einschneidende Spätfolgen gut.
Daten der Plattform Moneyhouse, die sich auf tägliche Handelsregistereinträge abstützt, lassen momentan keine Häufung von Konkursen im Vergleich mit dem Vorjahr erkennen. Dies hängt nicht zuletzt mit dem vom Bundesrat verkündeten vorübergehenden Rechtsstillstand im Betreibungswesen mit anschliessenden «Betreibungsferien» zusammen, der zu einer Entlastung der Unternehmen beigetragen hat: Bis zum Ende der gesetzlichen Betreibungsferien, dem 19. April, ist die Anzahl der Konkurse und Liquidationen stark zurückgegangen. Danach zeigt sich ein gewisser Aufholeffekt, doch der befürchtete Aufwärtssprung ist bisher ausgeblieben.
Für eine Entwarnung gibt es jedoch keinen Anlass, da einige Firmenschliessungen durch den erleichterten Zugang zu Kurzarbeit und das Covid-19-Kreditprogramm lediglich aufgeschoben worden sein dürften. Ausserdem hat die Konkurshäufigkeit auch nach vergangenen Wirtschaftskrisen nicht abrupt, sondern jeweils graduell zugenommen. Es könnte durchaus sein, dass die befürchtete Konkurswelle erst mit Verzögerung eintritt. So dürfte die neuerliche Verschärfung der Corona-Lage zum Beispiel dazu führen, dass es in der Stadthotellerie in den kommenden Monaten zu vielen Schliessungen kommen wird.
Firmenneugründungen bilden die andere Seite der Medaille – wenn Unternehmen aus dem Markt ausscheiden, können sie wenigstens teilweise durch neue Unternehmen ersetzt werden. Trotz zweiter Welle und neuen Corona-Beschränkungen bewegt sich die Zahl der Neugründungen immer noch über Vorjahresniveau.
Warum ausgerechnet jetzt Firmen gegründet werden, kann unterschiedliche Ursachen haben: Vermutlich dürften Nachholeffekte aber die grösste Rolle spielen, wie auch die Forscher von der KOF vermuten.
Die Corona-Krise wird mittelfristig wohl deutliche Spuren auf dem Arbeitsmarkt hinterlassen. Täglich verfügbare Daten aus dem Job-Room des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) zeigen, dass die Zahl der registrierten Kandidaten, die eine Stelle suchen, zurzeit deutlich höher als im Vorjahr ist.
Auch wöchentliche Daten aus den USA zeigen, dass die Zahl der Stellenangebote immer noch unter dem Vorkrisenniveau liegt. Obwohl mittlerweile eine gewisse Erholung festzustellen ist, ist der US-Arbeitsmarkt noch weit entfernt von der Normalität.
Das Projekt «Track the Recovery» rund um den Harvard-Ökonomen Raj Chetty hat innovativ ermittelte Echtzeit-Daten für die USA zusammengetragen. Gesammelt werden täglich oder wöchentlich verfügbare Daten zum Privatkonsum, zur Lohnentwicklung, zum Arbeitsmarkt oder zur Lage der Unternehmen.
Die Schätzungen zum Privatkonsum basieren auf Daten von Zahlungsverkehr-Dienstleistern. Sie zeigen einen drastischen Verlauf der Krise. Nach dem Lockdown brach der Konsum um über 30% ein. Nach den ersten Öffnungen erholte sich das Ausgabenverhalten der Amerikaner.
Aber die Erholung verlief nur schleppend. So konsumierten beispielsweise die Schweizer bereits im Mai und Juni wieder rege; ihr Privatkonsum näherte sich dem Vorkrisenniveau an. Zudem stockte der amerikanische Aufholprozess im Sommer, weil über viele US-Gliedstaaten eine zweite Welle an Coronavirus-Infektionen hereinbrach. Anfang November lag der Privatkonsum immer noch um rund 4% unter dem Vorkrisenniveau.
Dabei gibt es grosse Unterschiede zwischen verschiedenen Konsum-Kategorien. Lebensmittelläden erlebten während der ganzen Corona-Krise einen Boom. Anfang November gaben die Amerikaner immer noch um 11% mehr für Lebensmittel aus als vor der Krise. Hingegen wendeten sie um 46% weniger für Transport-Dienstleistungen auf. Das zeigt grosse Verschiebungen zwischen den Wirtschaftsbereichen.
Das Schweizer Marktforschungsunternehmen Evalueserve hat einen Work-Resumption-Index für 36 Länder erstellt. Er misst, zu welchem Grad sich das Arbeitsleben in den einzelnen Ländern normalisiert hat.
Der Indikator basiert auf sechs Variablen: Stickstoffdioxidemissionen, Arbeitsplatz- und Ladenbesuche, Verkehrs- und Flugdaten sowie Beschränkungen für Grenzübertritte. Der Index wird in Prozent gemessen und erlaubt damit einen Vergleich zur Vorkrisenzeit.
Die folgende Grafik zeigt die Entwicklung des Indikators über die vergangenen Monate. Die Farbskala gibt an, wie stark das Arbeitsleben während dieser Zeit reduziert wurde bzw. wie es sich wieder erholt hat. In zahlreichen europäischen Ländern ist der Indikator in den letzten Wochen aufgrund der stark steigenden Fallzahlen wieder zurückgegangen. Japan, Australien und Neuseeland haben das Virus besser im Griff – das schlägt sich auch in einer grösseren Erholung des Arbeitslebens nieder.
Forscher der Oxford University haben zudem einen Stringency-Index zusammengestellt. Er misst, wie stark Regierungen weltweit das Alltags- und das Wirtschaftsleben eingeschränkt bzw. diese Einschränkungen wieder gelockert haben. In den täglich ermittelten Index fliessen etwa Schliessungen von Schulen und Läden, Verbote von Versammlungen und Veranstaltungen, Ausgangssperren oder Grenzschliessungen ein.
Der Index spiegelt nicht direkt die Wirtschaftsaktivität. Aber er bildet gewissermassen die angebotsseitigen Beschränkungen für die Wirtschaft ab: Was lässt sich wirtschaftlich machen? Kann produziert, gehandelt und gearbeitet werden? Je stärker die Restriktionen gelockert werden, desto mehr kann sich das Wirtschaftsleben grundsätzlich wieder erholen.
Die Grafik zeigt die Entwicklung des Indikators über die letzten Wochen für ausgewählte Länder. Die Farbskala richtet sich hierbei nach der Stärke der Einschränkungen. Je tiefer der Prozentwert, desto weniger Einschränkungen hat ein Land. In vielen Staaten wurden die Einschränkungen jüngst wieder verstärkt. In Frankreich beispielsweise wurde ein zweiter Lockdown verhängt.
In der Corona-Krise sind sowohl das internationale Reisegeschäft wie auch der Welthandel massiv eingebrochen. Mit Blick auf das Reisen zeigt sich dies an der Zahl der kommerziellen Flüge. Ökonomen der Welthandelsorganisation (WTO) berechnen auf Tagesbasis einen Indikator zu den weltweiten Flugbewegungen.
Während des Lockdown sind die Passagier- und Frachtflüge um drei Viertel zurückgegangen. Danach setzte eine Erholung ein. Aber seit dem Sommer stagnieren die weltweiten Flugbewegungen bei rund 60% des Vorjahresniveaus. Einreisebeschränkungen, Reisewarnungen und Quarantänelisten lassen die Menschen weiterhin vor Flugreisen zurückschrecken.
Die schleppende Erholung zeigt sich auch bei den täglichen Abflügen vom Flughafen Zürich. In den vergangenen Wochen gab es sogar wieder einen deutlichen Rückgang, auch im Vergleich mit dem Vorjahr.
Im Gegensatz zum weltweiten Verkehr von Menschen hat sich der internationale Austausch von Gütern viel stärker erholt. Zwar wird auch ein Teil des Welthandels per Flugzeug abgewickelt, aber aussagekräftiger sind Daten zum Schiffsverkehr. Rund 90% des weltweiten Güterhandels werden gemessen am Gewicht per Schiff verfrachtet. Ökonomen des Internationalen Währungsfonds (IMF) schätzen täglich den Umfang des Seehandels anhand von Navigations- und Schiffsdaten.
Diese Zahlen zeigen, dass die Erholung schon weit fortgeschritten ist. Nach einem starken Einbruch im Frühjahr erreichten die chinesischen Exporte per Schiff im Juli wieder die Vorjahresergebnisse. Bei Schiffsladungen von und nach Amerika war dies im August der Fall, für die Euro-Länder im September. Allerdings erfolgt der Handel in Europa zu einem grossen Teil auch per Bahn und Strasse.
Die jüngsten Prognosen der WTO deuten auf eine ähnliche Entwicklung hin: Die Handelsorganisation geht davon aus, dass der Welthandel in diesem Jahr insgesamt um 9,2% zurückgeht. Zuvor betrug die Schätzung selbst im optimistischsten Szenario ein Minus von 12,9%. Asien dürfte weniger stark unter der Pandemie leiden als Europa oder die USA.
Zu Daten und Methodik. Früher sah man die Wirtschaft nur im Rückspiegel: Bis verlässliche Daten zum Wirtschaftsverlauf vorlagen, vergingen meist einige Wochen oder Monate. Aber in der Corona-Krise ist schlagartig ein grosses Interesse an zeitnahen Informationen erwacht.
Zahlreiche Ökonomen sind deshalb kreativ geworden. Sie haben neue Datenquellen erschlossen, um die Wirtschaftsaktivität fast in Echtzeit zu messen. Die Daten zeigen zum Beispiel, wie die Menschen in der Krise den Konsum eingeschränkt haben und wie sich das Wirtschaftsleben nach der Lockerung des Lockdown wieder belebt hat.
Wir geben einen Überblick über innovativ ermittelte Daten zur Wirtschaft der Schweiz, Österreichs und Deutschlands sowie zur weltweiten Wirtschaftsaktivität. Die gezeigten Zahlen und Grafiken werden jeweils Mitte Woche aktualisiert. So können Sie selbst verfolgen, wie sich die Wirtschaftslage in der Corona-Krise entwickelt.