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Umstrittene Praxis der EKZ: Sommarugas Juristen pfeifen EKZ zurück

Umstrittene Praxis der EKZSommarugas Juristen pfeifen EKZ zurück

Die Elektrizitätswerke des Kantons Zürich haben für eine Tochterfirma geworben. Und dafür eine Strafanzeige kassiert, wie ein unveröffentlichter Fall zeigt. Nun müssen sie ihre Praxis ändern – auf Geheiss des Bundes. 

Die Elektrizitätswerke des Kantons Zürich sind der Ansicht, korrekt gehandelt zu haben. 

Die Elektrizitätswerke des Kantons Zürich sind der Ansicht, korrekt gehandelt zu haben. 

Foto: Gaetan Bally (Keystone)

Die Nachricht fiel knapp aus: Das Verfahren sei mit einer Einstellungsverfügung abgeschlossen, teilte das Bundesamt für Energie (BFE) Eugen Käser (Name der Redaktion bekannt) vor gut einem Monat mit. Der Hausbesitzer aus dem Zürcher Oberland hatte Strafanzeige gegen die Elektrizitätswerke des Kantons Zürich (EKZ) eingereicht. Weiter ins Detail gingen die Juristen von Energieministerin Simonetta Sommaruga nicht. Das zeigt ein Schreiben an Käser, das dieser Redaktion vorliegt. 

Käser wusste damit nicht, welche Folgen der Fall für die EKZ hat – und ob überhaupt. Jetzt zeigen Recherchen dieser Redaktion: Die EKZ, die als selbstständiges, öffentlich-rechtliches Unternehmen dem Kanton Zürich gehören, müssen ihre Praxis in einem sensiblen Bereich anpassen. Der Fall dreht sich um die Frage, inwieweit Stromunternehmen aus ihrer Monopolstellung als Versorger missbräuchlich einen Vorteil schlagen und damit die Privatwirtschaft um Aufträge bringen können. 

Was ist geschehen? Hausbesitzer müssen periodisch nachweisen, dass die elektrischen Installationen im Haus einwandfrei funktionieren; Abnutzung und Alterung können die Sicherheit mindern. Die EKZ ersuchten Käser, seine Anlagen durch eine kontrollberechtigte Firma prüfen zu lassen. Sie schrieben ihm, er sei in der Wahl des Unternehmens frei. Dazu verwiesen sie auf das entsprechende Verzeichnis auf der Website des Eidgenössischen Starkstrominspektorats (Esti). So weit, so gewöhnlich. 

Tochterfirma mehrmals erwähnt

Im nachfolgenden Satz machten die EKZ jedoch auf einen dem Brief beigelegten «Auszug mit uns bekannten Kontrollfirmen» aus Käsers «Region» aufmerksam. Und sie wiesen explizit darauf hin, dass die Liste auch ein Unternehmen der EKZ enthalte, nämlich die Certum Sicherheit AG. Käser startete daraufhin im Esti-Verzeichnis eine eigene Suchabfrage. Das Ergebnis: Im Umkreis von 5 Kilometern um seinen Wohnort gab es 21 kontrollberechtigte Firmen, die Certum Sicherheit AG war nicht darunter. Es gebe, folgerte Käser, im freien Markt genügend andere Anbieter. 

Stromversorger bewegen sich heute in zwei Welten. Als Lieferanten von Elektrizität haben sie eine Monopolstellung. Darüber hinaus bieten sie auf dem freien Markt eine Vielzahl von Dienstleistungen wie  Energieberatungen oder die Installation von Solaranlagen an. Diese beiden Bereiche müssen sie von Gesetzes wegen strikt trennen. Ansonsten können sie mit Gewinnen aus dem Monopolbereich ihre Tätigkeit im freien Markt querfinanzieren und so die Privatwirtschaft benachteiligen. Hausbesitzer Käser argumentierte, allein schon die Erwähnung der Tochterfirma im EKZ-Schreiben sei wettbewerbsverfälschend, ein unzulässiger «Werbespot». 

Keine Busse

Das BFE ist dieser Argumentation nun gefolgt. Eine Busse – möglich wären Beträge bis zu 100’000 Franken – hat das Bundesamt indes nicht ausgesprochen. Der Grund: Die EKZ hatten das umstrittene Schreiben vorgängig dem zuständigen Starkstrominspektorat Esti gezeigt und grünes Licht erhalten. Das Esti bestätigt diesen Sachverhalt. Die EKZ konnten laut BFE also davon ausgehen, dass der Inhalt in Ordnung ist. Simon Iseli, beim BFE Leiter Energierecht und Allgemeines Recht, stellt aber klar: «Die Voraussetzungen für einen solchen Verbotsirrtum liegen in ähnlich gelagerten Fällen künftig nicht mehr vor.»

Die EKZ ihrerseits sind nicht der Auffassung, gegen geltendes Recht verstossen zu haben. «Zur Vermeidung weiterer Diskussionen» haben sie nun aber in ihren Schreiben an Hausbesitzer den «Hinweis» auf ihre Tochterfirma, wie sie es nennen, entfernt. Eine Liste kontrollberechtigter Firmen legen sie nicht mehr bei. Als Beleg präsentieren sie ein aktuelles Musterschreiben. 

Verfehlungen kein Einzelfall

Die EKZ haben ihre Praxis nach dem Verdikt des BFE «umgehend» angepasst, wie sie sagen. Käsers Anzeige datierte vom Herbst 2019, das BFE entschied den Fall im Dezember 2021, also zwei Jahre später. 

Dass sie Änderungen vornehmen müssen, wussten die EKZ indes schon länger; das legen Schilderungen des Starkstrominspektorats nahe. Demnach hatte das Esti den EKZ bereits 2020 angekündigt, dass es den Hinweis auf die Tochterfirma in den EKZ-Schreiben künftig nicht mehr tolerieren werde. Es machte zudem klar: ​Falls die EKZ eine Liste mit Kontrollunternehmen in einem bestimmten Umkreis mitschicken, müssen künftig alle Firmen aufgeführt werden, ​​die das offizielle Esti-Verzeichnis bei entsprechender Eingabe auflistet – und nicht eine willkürliche Auswahl davon. 

«Die Spiesse im freien Markt sind ungleich.»

Christoph Schaer, Direktor des Gebäudetechnikverbands Suissetec

Die EKZ widersprechen dieser Darstellung. Das Esti habe nie eine solche Klarstellung gemacht. Auch habe es 2020 bloss mitgeteilt, dass sich eine Praxisänderung hin zu einer strengeren Handhabung abzeichne, und es daher empfehle, bereits vor der Praxisänderung auf keinen Dienstleistungsanbieter mehr separat hinzuweisen. Die EKZ hätten daraufhin das Esti gebeten, seine Überlegungen detailliert darzulegen, und sie hätten darauf hingewiesen, dass eine Praxisänderung schriftlich angezeigt werden müsse; beidem sei das Esti bis heute nicht nachgekommen.

Dass der Bund eingreifen musste, ist nicht zum ersten Mal vorgekommen. So sprach er zum Beispiel 2019 eine Busse gegen Führungskräfte des Elektrizitätswerks Schaffhausen (EKS) wegen Missbrauchs von Kundenadressen aus. «Die Spiesse im freien Markt sind ungleich», sagt Christoph Schaer, Direktor des Gebäudetechnikverbands Suissetec. Der Fall EKZ sei ein typisches Beispiel dafür. Die Folgen für das Gewerbe wegen solcher Wettbewerbsverzerrungen seien massiv. Schaer begrüsst daher den Entscheid des Bundesamts für Energie. 

Stefan Häne ist Redaktor im Ressort Inland. Er schreibt und recherchiert zum aktuellen Politgeschehen in der Schweiz.

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