Die CDU darf selbst dann höhere Beiträge für ARD und ZDF ablehnen, wenn die AfD es auch tut. Der öffentlichrechtliche Rundfunk befindet sich in einem schlechten Zustand.

Dank der Rundfunkgebühr zählen in Deutschland auch Schlager-Galas zur öffentlichrechtlichen Grundversorgung. Hier singt Helene Fischer für die ARD.
Deutschland streitet gern – und verliert dabei oft jedes Mass. Diesen Zusammenhang gibt es nicht nur bei den Debatten über die staatlichen Anordnungen in der Corona-Krise zu beobachten. Auch bei einem anderen Thema wächst die Neigung, an die Stelle des Arguments die Empörung zu setzen. Anders sind die jüngsten Äusserungen führender SPD-Politiker nicht zu erklären. Man warnt vor einer «reaktionären Mehrheit» und hält erregt fest: «Nazis reicht man nicht die Hand. Egal, wie man zu einem Thema steht.» Droht eine faschistische Machtergreifung? Nein. Auslöser der Unmutsäusserungen von Carsten Schneider und Lars Klingbeil, dem Parlamentarischen Geschäftsführer und dem Generalsekretär der SPD, ist ein medienpolitischer Streitfall: Die CDU im ostdeutschen Bundesland Sachsen-Anhalt will der Erhöhung des Rundfunkbeitrags für ARD, ZDF und Deutschlandfunk nicht zustimmen. Das ist alles.
Viele Journalisten stehen links der Mitte – das merkt man
Man findet als unbefangener Beobachter durchaus Gründe, weshalb der verpflichtend eingezogene Beitrag nicht um 86 Cent auf künftig 18,36 Euro pro Monat steigen sollte. Eine solche Erhöhung passt schlecht in eine Zeit, in der Existenzen auf dem Spiel stehen und die Regierung von allen Bürgern Verzicht, Solidarität und Disziplin einfordert. Man kann auch berechtigte Zweifel haben an der Ausgewogenheit des jährlich über acht Milliarden Euro teuren Rundfunksystems. Empirische Untersuchungen haben schon mehrfach bestätigt: Die Mehrheit der Journalisten steht politisch links der Mitte. Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, der Christlichdemokrat Rainer Haseloff, führt noch weitere Argumente ins Feld: Die Kosten der Altersversorgung liefen aus dem Ruder, und der Osten sei in der ARD-Senderfamilie nicht gleichberechtigt vertreten.
Haseloff regiert seit 2016 mit den Grünen und der SPD. Dieses «Kenya-Bündnis» schrieb vor knapp fünf Jahren in den Koalitionsvertrag: «Bei der Finanzierung des öffentlichrechtlichen Rundfunks halten wir am Ziel der Beitragsstabilität fest.» Gerade nun aber, so die SPD-Politiker Schneider und Klingbeil, dürfe die CDU sich nicht gegen die Beitragserhöhung wenden. Sonst nämlich bringe man gemeinsam mit der AfD die von allen anderen Bundesländern begrüsste Erhöhung zu Fall. Und «Nazis» – siehe oben – soll man auch dann nicht die Hand reichen, wenn man sich an die eigenen Beschlüsse und den Koalitionsvertrag gebunden fühlt. Unvergleichlich schlimm wäre es in dieser Lesart, wenn die über eine absolute Mehrheit im Magdeburger Landtag verfügenden Fraktionen von CDU und AfD ihre Zustimmung zum neuen Medienstaatsvertrag verweigerten. Dann bliebe ARD, ZDF und Deutschlandfunk nur der Gang zum Bundesverfassungsgericht, um sich das Recht auf Erhöhung einzuklagen.
Den Sendern mangelt es an Selbstkritik
Der hysterisch angeheizte Streit zeigt, wie schlecht es um die Streitkultur und die öffentliche Vernunft bestellt ist. Die SPD verfährt nach dem Motto, jedes Thema erledige sich von selbst, sobald es die AfD für sich entdeckt. Auf diese Weise gibt sie einer schlingernden 10-Prozent-Partei die Hoheit über sämtliche Debatten. Zugleich verfestigt sich so der fatale Eindruck, die treuesten Befürworter von ARD und ZDF befänden sich aufgrund weltanschaulicher Nähe tatsächlich links der Mitte. Nötig ist statt billiger Instrumentalisierung zweierlei: ein kühles Abwägen der Kosten und der Nutzen des teuersten Rundfunksystems der Welt. Und die Bereitschaft der Sender zu tiefgreifender Selbstkritik. An beidem hapert es gewaltig.