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Sorgen beim EM-Gastgeber: «Desolat und überrumpelt» – Deutschland jammert über seine Fussballer

Sorgen beim EM-Gastgeber«Desolat und überrumpelt» – Deutschland jammert über seine Fussballer

Die deutsche Nationalmannschaft wird selbst in einem Testspiel von Belgien vorgeführt und verliert am Ende 2:3. Die Medien antworten mit gnadenlosen Urteilen.

Ratlose Gesichter: Emre Can und Joshua Kimmich nach der enttäuschenden Partie gegen Belgien.

Ratlose Gesichter: Emre Can und Joshua Kimmich nach der enttäuschenden Partie gegen Belgien.

Foto: Martin Meissner (Keystone)

Es war gerade Länderspielpause, und wie so oft in letzter Zeit heisst das in Deutschland: Medien prügeln verbal auf Nationalspieler ein. «Unfassbar schlecht», heisst es am Mittwoch, «Zweiklassenunterschied», «Euphorie-Dämpfer». Deutschland hat am Vorabend 2:3 gegen Belgien verloren.

Nun kann ein 2:3 gegen Belgien in einem Testspiel ja mal passieren, auch wenn gemeinhin gesagt wird, dass die Goldene Generation der Belgier um Kevin De Bruyne und Romelu Lukaku gar nicht mehr so golden ist. Aber es kommt halt immer auch die Art und Weise dazu, nach neun Minuten liegen die Deutschen bereits 0:2 hinten, nach einer halben Stunde könnte Belgien auch höher führen.

Deutschland wird bis zur 30. Minute vorgeführt, von «Aufruhr und Entsetzen im Kölner Stadion» schreibt die «Frankfurter Allgemeine Zeitung», das deutsche Team sei bis zu jenem Zeitpunkt ein Sorgenfall. «Überrumpelt, überfahren, löchrig im Zentrum, entblösst auf den Seiten – was für ein desolater Auftakt!»

Danach fängt sich das Team von Trainer Hansi Flick etwas und schiesst durch Niclas Füllkrug, es ist sein sechstes Tor im sechsten Länderspiel, und Serge Gnabry immerhin noch zwei Tore – kassiert aber auch noch ein drittes. De Bruyne sorgt in der 78. Minute für die Entscheidung, in der Startphase hatten Lukaku und Yannick Carrasco getroffen.

Und jeder Verteidiger kriegt die Note 5

«Nicht superhappy» sei er mit dem Spiel, sagt Flick danach. Die «Bild»-Zeitung hat einen Rat für ihn: «Hansi, ohne Abwehr wird das nichts.» Gegen die Belgier stehen Marius Wolf von Dortmund, Matthias Ginter von Freiburg, Thilo Kehrer von West Ham und David Raum von Leipzig in der Startformation. Jeder Einzelne von ihnen kassiert von der«Bild» die Note 5, in der Schweiz ist das eine 2.

In Worten sieht das dann so aus. Wolf: «Überfordert, scheu in den Zweikämpfen.» Kehrer: «Chancenlos, Gelächter im Stadion, als er an Lukaku abprallt wie ein Flummi.» Ginter: «Nicht nah genug am Mann, aber mit mehr Härte als Kehrer.» Raum: «Wieder eine grosse Schwachstelle, eine Flanke landet im Nirvana.» Und so weiter.

Immerhin sind die vier Verteidiger mit ihrer Benotung nicht allein, auch Florian Wirtz (er wird nach einer halben Stunde ausgewechselt) und Timo Werner kriegen eine 5. Vom üblichen Spott und der üblichen Häme, die sich über die deutschen Nationalspieler ergiessen, wenn sie verlieren, ist aber nicht viel zu lesen, vielmehr scheint sich Frust und Wut über die magere Leistung breitzumachen.

Die «Bild»-Zeitung schiesst nicht das erste Mal scharf und ist darum vielleicht nicht immer der beste Gradmesser. In den Einzelkritiken der «Süddeutschen Zeitung» allerdings kommen die Verteidiger auch nicht besonders gut weg. Die SZ verzichtet zwar wie üblich auf Noten, aber wenn sie sich fragt, ob Verteidiger Wolf den belgischen Flügel Carrasco vor dieser Partie überhaupt kannte, ist das in etwa gleichzusetzen mit einer 5.

Deutschland und die Mission 2024

Trainer Flick sagt, er habe ein Spiel gesehen, das über 65 Minuten gut war. «Überraschend» findet die Deutsche Presse-Agentur diese Analyse, sie erinnere etwas an jene nach der Partie gegen Japan bei der WM in Katar, als Deutschland lange 1:0 führte, dann aber 1:2 verlor und schliesslich in der Gruppenphase ausschied. Die DPA schreibt: «Die Augen vor der deutschen Fussball-Realität kann Flick nicht mehr verschliessen.»

Diese deutsche Fussball-Realität heisst: Ausscheiden in den Gruppenphasen bei der WM 2018 und 2022, Out im Achtelfinal bei der EM 2021. Nach Katar wurde beim Deutschen Fussballbund (DFB) eine Taskforce gegründet, bestehend aus Karl-Heinz Rummenigge, Oliver Kahn, Oliver Mintzlaff und Matthias Sammer, der versammelten deutschen Fussball-Prominenz also.

Die Taskforce sah sich von Beginn an mit Kritik konfrontiert, weil sie nicht gerade für frischen Wind steht. Das unterstrich sie dann gleich selbst mit der Wahl Rudi Völlers zum Sportdirektor des Nationalteams. Der frühere Bundestrainer zeigte sich präsent, sprach zu den Fans und war bei Spielen der U-21 zugegen, er hat eine ähnliche Rolle wie Pierluigi Tami bei den Schweizern.

Zuletzt sprach sich Völler dafür aus, dass der deutsche Captain mit einer Binde in Deutschland-Farben aufläuft, damit wollte er die während der WM aufgeflammte Debatte um die «One Love»-Binde verstummen lassen. Er verstehe, dass man ab und zu ein Zeichen setzen müsse, sagte er gegenüber der «Bild», «aber jetzt geht es wieder um Fussball».

2024 findet in Deutschland die Europameisterschaft statt. Beim Spiel gegen Belgien steht auf einem Plakat der Fans: «Wille führt zu Erfolg – Auf gehts zum neuen Sommermärchen 2024». Und Völler sagte: «Wir alle müssen für dieses Ereignis brennen. Wir sind in dieser Hinsicht auf einer Mission. Ich weiss, es ist ein grosses Wort – aber es gefällt mir in diesem Zusammenhang.»

So toll das Wort auch klingen mag – der erste Schritt der Mission ist, nun ja, eher misslungen.

mro

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