Kanzler Kurz hat sein Land dem Tourismus zuliebe in den Lockdown geschickt. Jetzt befürchten einige Schweizer Touristiker, dass sie die Verlierer dieses konsequenten Vorgehens sein könnten.

Schnappen die Österreicher der Schweiz die Ausländer weg? Bild vom Chäserrugg im Toggenburg.
Foto: Gian Ehrenzeller (Keystone)
Als der österreichische Kanzler Sebastian Kurz sein Land vergangenes Wochenende von einem erfolglosen Teil-Lockdown in einen strengen dreiwöchigen Voll-Lockdown schickte, sagte er: «Unser Ziel ist es, Weihnachten – zumindest im kleinen Kreis – zu retten.» Nun dürfte seine Motivation allerdings nicht bloss der Bewahrung abendländischer Traditionen in Form von Familienzusammenkünften mit Gesang – ein Fest für das Virus! – gelten. Sondern auch handfesten ökonomischen Interessen folgen: Geht man davon aus, dass der Lockdown die Infektionszahlen effektiver senkt als die vergeichsweise sehr laxen Einschränkungen in weiten Teilen der Schweiz, hat Österreich gegenüber dieser bald einen Wettbewerbsvorteil im Tourismus.
Dieser ist nämlich in beiden Ländern insbesondere im Winter von ausländischen Gästen abhängig, zum Beispiel aus Deutschland, den Beneluxländern oder Grossbritannien. Diese bleiben zu Hause, solange die Fallzahlen hoch sind, sei es aus Angst vor dem Virus oder aus Unlust auf eine Quarantäne nach der Rückkehr ins Heimatland. Und so befürchten in der Schweiz einige Touristiker, dass die Ausländer, die üblicherweise herkommen, dies in der kommenden Saison nicht tun. Im schlimmsten Fall würden sie sogar auf den Geschmack kommen und zu Stammgästen bei der Konkurrenz werden.
Wallis ging voran
«Es besteht zumindest die Möglichkeit, dass die Deutschen, Holländer und Briten, die sonst Stammgäste bei uns sind, als Alternative zu Hause bleiben oder nach Österreich fahren», sagt Damian Constantin, Direktor der Marketingorganisation Valais Promotion.
Mit dem Wallis hat sein Kanton Mitte Oktober als einer der ersten harte Massnahmen zur Eindämmung des Virus getroffen und setzt sie bis Mitte Dezember fort. «Viele internationale Gäste und die Regierung ihrer Herkunftsländer machen aber keinen grossen Unterschied mehr zwischen einem Kanton und der Schweiz als Land», sagt Constantin weiter. «Wenn die Zahlen nicht landesweit tief sind, haben wir alle ein Problem.»
Anja Beivi, Geschäftsführerin der Tourismusorganisation des Obergoms im Oberwallis, sagt sogar: «Die Massnahmen im Wallis nützen. Ich fände es gut, wenn in der ganzen Schweiz genauso harte Massnahmen gälten wie hier.»
«In Städten wie Zürich oder Basel ist die Ausgangslage hinsichtlich Wintersaison ganz anders als in den Bergen.»
So weit will Constantin nicht gehen. «Österreich hängt insgesamt viel stärker als die Schweiz vom Tourismus ab, weswegen die dortige Politik mit den Massnahmen weiter geht als die Schweiz.» So steuert der Tourismus 7,5 Prozent zur Bruttowertschöpfung Österreichs bei.
In der Schweiz sind es dagegen weniger als 3 Prozent. «In Städten wie Zürich oder Basel ist die Ausgangslage hinsichtlich Wintersaison ganz anders als in den Bergen», zeigt Constantin darum Verständnis für die Politik der Eidgenossenschaft.
Hinzu kommt, dass das Beispiel der Genferseeregion zumindest Zweifel daran genährt hat, dass scharfe Massnahmen die Fallzahlen immer effizienter senken als schwache. Und auch Österreich selbst, das nicht erst seit vergangener Woche deutlich striktere Einschränkungen des öffentlichen Lebens erlebt, verzeichnet mittlerweile höhere Fallzahlen als die Schweiz. Die Befürchtung, dass die Schweiz zur Wintersaison im Nachteil sein könnte, ist zumindest aktuell noch sehr hypothetisch.