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Politische Rechte für Menschen mit Behinderung: Wer einen Beistand hat, soll in Zürich trotzdem abstimmen dürfen

Politische Rechte für Menschen mit BehinderungWer einen Beistand hat, soll in Zürich trotzdem abstimmen dürfen

Zürcherinnen und Zürcher mit einer psychischen Behinderung dürfen oft nicht stimmen oder wählen. Dies will der Gemeinderat nun mit einer Behördeninitiative ändern.

Einpacken ja, ausfüllen nein: Eine Mitarbeiterin einer Stiftung für Menschen mit Behinderung verpackt Abstimmungsunterlagen. Selber wählen und abstimmen dürfen Personen, die einen Beistand benötigen, aber nicht.

Einpacken ja, ausfüllen nein: Eine Mitarbeiterin einer Stiftung für Menschen mit Behinderung verpackt Abstimmungsunterlagen. Selber wählen und abstimmen dürfen Personen, die einen Beistand benötigen, aber nicht.

Foto: Christian Beutler (Keystone)

Menschen, die wegen einer geistigen Behinderung oder psychischen Erkrankung als urteilsunfähig eingeschätzt werden und darum einen Beistand haben, dürfen in fast allen Schweizer Kantonen weder wählen noch abstimmen. Dies möchte eine breite Allianz der Stadtzürcher Fraktionen der AL, Grünen, SP, GLP sowie Mitte und EVP ändern. Sie fordern ein Stimm- und Wahlrecht für alle Menschen mit einer Beistandschaft. 

Weil das kommunale wie auch das kantonale Stimmrecht auf kantonaler Ebene geregelt ist, haben die Fraktionen am Mittwochabend eine Behördeninitiative beschlossen. Diese verlangt vom Kantonsrat, eine Rechtsgrundlage zu schaffen, dass Gemeinden ein entsprechendes Stimm- und Wahlrecht einführen können.

Die Fraktionen beziehen sich auf die UNO-Behindertenrechtskonvention, welche die Schweiz 2014 ratifiziert hatte und mit der sie sich verpflichtet, Menschen mit Behinderung vor Diskriminierung zu schützen.

172 Personen in der Stadt Zürich betroffen

Gegen die Initiative gewehrt hatten sich die FDP und die SVP. Die Freisinnigen würden sich auf allen Ebenen für die Inklusion behinderter Menschen einsetzen, sagte Michael Schmid. Ein entsprechendes Recht wäre aber mit einem mehrfachen Stimmrecht der Beistände gleichzusetzen, weil sie einfach für die Menschen mit Behinderung abstimmen würden. Schmids Parteikollegin Martina Zürcher wies darauf hin, dass in der Stadt Zürich lediglich 172 Personen eine umfassende Beistandschaft hätten. Bei diesen könne man im Einzelfall prüfen, ob dies wirklich gerechtfertigt sei.

Menschen mit Behinderung versammeln sich für eine Aktion zugunsten der Inklusion auf dem Bundesplatz in Bern. (Archivbild)

Menschen mit Behinderung versammeln sich für eine Aktion zugunsten der Inklusion auf dem Bundesplatz in Bern. (Archivbild)

Foto: Peter Klaunzer (Keystone)

Islam Alijaj (SP), der unter einer Zerebralparese leidet und sich stark für die Rechte von Menschen mit Behinderungen engagiert, sagte, es gebe durchaus verbeiständete Personen, die sich sehr wohl politisch engagieren können. Und auch Karin Weyermann (Mitte) zog in Zweifel, ob wirklich alle Menschen mit einer umfassenden Beistandschaft nicht stimmen und wählen können.

Klare Zustimmung in Genf

Bisher hat bloss der Kanton Genf 2022 ein kommunales und kantonales Stimmrecht für Menschen mit einer geistigen oder psychischen Behinderung eingeführt. Das Stimmvolk sagte 2022 mit einer Dreiviertelmehrheit Ja zu dem Anliegen. In verschiedenen Kantonen laufen aber Bestrebungen dazu.

So werden in Luzern Unterschriften für eine Volksinitiative gesammelt. In Zug und Schwyz sind entsprechende Vorstösse aus dem Parlament hängig. Der Grosse Rat im Thurgau hat vergangenen Oktober eine Motion abgewiesen, welche das Stimm- und Wahlrecht für Behinderte einführen wollte. Er habe grösste Zweifel, dass Menschen mit einer geistigen Behinderung in der Lage seien, sich eine eigene Meinung zu bilden, sagte Hermann Lei (SVP) in der «Thurgauer Zeitung».

Corsin Zander ist stellvertretender Leiter Zürich Politik & Wirtschaft. Als diensthabender Redaktor verantwortet er alle sechs Wochen die Berichterstattung des Ressorts.Mehr Infos@CorsinZander

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