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«Paper Girls»: Amazons Antwort auf «Stranger Things» überzeugt

«Paper Girls»Amazons Antwort auf «Stranger Things» überzeugt

Vier Mädchen auf Velos tragen Zeitungen aus und geraten in einen Krieg. Die Serie funktioniert gleich auf mehreren Zeitebenen. Logik hin oder her.

Die Protagonistinnen werden in einen Krieg verwickelt, in dem es um Zeitreisen geht. Sie lernen sich dabei immer besser kennen – gegenseitig, aber auch selbst.

Die Protagonistinnen werden in einen Krieg verwickelt, in dem es um Zeitreisen geht. Sie lernen sich dabei immer besser kennen – gegenseitig, aber auch selbst.

Foto: Amazon

«Paper Girls» handelt von Zeitreisen. Und von Mädchen. Die alles meistern können, ganz ohne Jungen (früher: Jungs) oder womöglich noch einen Hund. Es ist eine absolut bezaubernde Geschichte über vier Zwölfjährige, die unglaubliche Abenteuer zu bestehen haben.

Sie beginnt am 1. November 1988 in einem fiktiven Vorort von Cleveland, Ohio. Es ist der Tag nach Halloween. Noch ist es dunkel, aber vier Mädchen sind schon mit Fahrrädern unterwegs. Sie tragen Zeitungen aus. Sie sind: papergirls – Zeitungsausträgerinnen.

Vier Zwölfjährige, die unglaubliche Abenteuer bestehen: Die Paper Girls.

Vier Zwölfjährige, die unglaubliche Abenteuer bestehen: Die Paper Girls.

Foto: Amazon

Für eine von ihnen ist es der erste Tag in diesem Job, die anderen kennen sich bereits, wenn auch nur flüchtig. Plötzlich, und es ist wirklich sehr plötzlich, bricht das Übernatürliche in ihr Leben ein, und sie finden sich zu viert in einen Krieg verwickelt, in dem es um Zeitreisen geht.

Es tauchen lauter Fragen auf, auf die es keine plausible Antwort gibt. Aber das macht nichts.

Auch die vier Zeitungsausträgerinnen wird es im Laufe von acht Folgen in andere Zeiten verschlagen. Zuerst landen sie im Jahr 2019. Dann 1999. Und der Schluss soll nicht verraten werden. Sie sind dabei immer die Zwölfjährigen, die sie 1988 waren, begegnen aber hier und da älteren Ausgaben ihrer selbst, und es sei an dieser Stelle verraten, dass die innere Logik der Handlung, ähnlich wie in «Stranger Things» oder der deutschen Serie «Dark», exakt so lange stimmig erscheint, wie man sie auf dem Bildschirm sieht.

Versucht man sie nachzuerzählen, ergibt nichts mehr Sinn, tauchen lauter Fragen auf, auf die es keine plausible Antwort gibt. Aber das macht nichts. Es macht wirklich überhaupt nichts, denn diese Serie ist mit so viel Schwung und, ja, Liebe erzählt, dass man sich einfach in dieses Märchen hineinbegeben will, Logik hin oder her.

Die Serie basiert auf einem Comic, «Paper Girl» von Brian K. Vaughan und Cliff Chiang, der von 2015 bis 2019 monatlich erschien. Die vier Hauptpersonen sind also ihrem Ursprung nach Comic-Heldinnen. Sie heissen Mac, KJ, Tiffany und Erin, und sind so unterschiedlich, dass man sie sofort leicht auseinanderhält. Jede ein ganz eigener Charakter.

Mac kommt aus einem armen und gewalttätigen Elternhaus, sie ist tough und rebellisch, mit einem Kurzhaarschnitt, der ihr ständig quer übers Gesicht hängt und einem weichen Kern, der sich selbstverständlich erst nach und nach enthüllt. KJ ist Jüdin, steht kurz vor ihrer Bat Mizwa. Sie ist in einem schönen Haus aufgewachsen, hat wohlhabende Eltern und ist eher introvertiert. Tiffany ist schwarz, schlau, wissbegierig und nicht leicht zu beeindrucken. Erin ist Chinese American. Ihre Mutter kann kaum Englisch, und Erin ist stark darauf bedacht, jedenfalls anfangs, nicht anzuecken.

Die Hauptdarstellerinnen sind alle 2006 oder 2007 geboren.

Es sind, wenn man so will, vier Klischees, aber sie alle werden Wandlungen durchmachen, die man nicht hatte kommen sehen, was auch am Erzähltempo liegt – es geht alles so zügig voran, dass man überhaupt keine Zeit hat, gross irgendetwas kommen zu sehen.

Die Namen der Hauptdarstellerinnen sollte man sich merken, man wird noch viel von ihnen hören: Sofia Rosinsky, Fina Strazza, Camryn Jones und Riley Lai Nelet. Sie sind alle 2006 oder 2007 geboren. Sie spielen ihre Rollen glaubhaft und mit grossem inneren Ernst, selbst dann, wenn es um die Einführung eines Tampons in allen theoretischen Einzelheiten geht. Diese Szene, die damit beginnt, dass Erin zum ersten Mal ihre Tage bekommt, ist deshalb bemerkenswert, weil es sie so wohl noch nie in einer Mainstreamserie gegeben hat. Oder war das Thema Menstruation schon mal irgendwo ein mehrminütiger Handlungsstrang? Die berührendsten Szenen gehören der toughen Mac, die ihrem Bruder begegnet, als er schon drei Jahrzehnte weiter ist.

Merken Sie sich die Namen und die Gesichter: Sofia Rosinsky, Fina Strazza, Camryn Jones und Riley Lai Nelet.

Merken Sie sich die Namen und die Gesichter: Sofia Rosinsky, Fina Strazza, Camryn Jones und Riley Lai Nelet.

Foto: Amazon

Die Rolle der älteren Erin spielt Ali Wong, vielen vielleicht durch mehrere Netflix-Specials als Stand-up-Comedian bekannt. Sonst sind keine grossen Namen dabei.

Regie führten ausschliesslich Frauen. Auch den Posten des Showrunners hatte eine Frau inne: Stephany Folsom, bekannt als Autorin von «Toy Story 4». Ihr Drehbuchentwurf für «Paper Girls» sorgte auch dafür, dass Amazon die Rechte an der Verfilmung bekam. 

Eine wichtige Rolle spielt auch Musik. Es sind viele Hits in der Serie zu hören, wie man das ja inzwischen aus Serien, die mit den 1980ern zu tun haben sollen, kennt. Interessanterweise korrespondieren sie hier oft nicht mit der jeweiligen Spielzeit. Wer hätte gedacht, dass der Soulwax Remix von Marie Davidsons «Work It» aus dem Jahr 2018 so hübsch zu einem dunklen Novembermorgen in den Achtzigerjahren passt?

Im Laufe der Serie geraten die Mädchen auf verschiedenen Zeitebenen zwischen die Fronten eines abstrusen Krieges. Sie lernen sich dabei immer besser kennen – gegenseitig, aber auch selbst. Es geht um Freundschaft. Um das Verhältnis von Freiheit zu Schicksal. Und um es vielleicht doch eine Spur kleiner zu sagen: Es ist eine sehr gut gemachte Unterhaltungsserie.

«Paper Girls» läuft auf Amazon Prime.

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