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Neue Zahnradbahn: Weltrekord auf dem Pilatus

Neue ZahnradbahnWeltrekord auf dem Pilatus

Auf dem Luzerner Hausberg fährt bald die modernste und steilste Zahnradbahn der Welt.

Die Pilatus-Züge klettern auf einer 4600 Meter langen Strecke 1335 Meter in die Höhe.

Die Pilatus-Züge klettern auf einer 4600 Meter langen Strecke 1335 Meter in die Höhe.

Foto: PD

Drachen? Klar, die gibt es: Zum Beispiel im Märchen, wo geflügelte Lindwürmer Feuer speiend ihr Unwesen treiben. Oder auf der Wiese, wo spielende Kinder filigrane Fluggeräte im Wind tanzen lassen. 

Und dann ist da dieser Granitgigant – kolossal wie ein Gebirge: Hinter dem See, über den Dächern der Stadt, reckt der Drache den gezackten Kamm seines Rückgrats in den Himmel. Fractus mons hiess er lange vor unserer Zeit, der gebrochene Berg. Die alten Römer erkannten in der bizarren Silhouette ein Fragment. 

Es gibt höhere Berge: Das Tomlishorn, der höchste Punkte des Massivs, liegt gerade mal 2129 Meter über dem Meer. Es gibt berühmtere Hörner und auch imposantere Gebirge; doch keiner ist so volksnah und vielleicht auch so legendär wie der Luzerner Hausberg. Von Einheimischen geliebt, von Fremden bestaunt, von Sagen umwoben, rundum erschlossen, wild und archaisch. Und doch der urbanen Zivilisation so nah.

Der Pilatus.

Nach ihm sind die feuerroten Vögel benannt, die sich vom einzigen Flugzeugwerk des Landes aus in die Lüfte schwingen. Wie aber kam der Berg zu seinem Namen? 

Aus dem Lateinischen, sagen die ganz Schlauen: Pilat stehe für Pfeiler, folglich sei der Mons pileatus der Säulenberg. Unsinn, finden noch Gescheitere und verweisen auf die Filzkappe, einst als Pilleus bekannt; immerhin trage der als Wetterberg berüchtigte Pilatus oft eine Nebelkappe. 

Mit einem Weltrekord in die Höhe

Und was ist mit Pontius Pilatus, dem römischen Statthalter in Palästina, der den Messias auf dem Gewissen haben soll? 

Die Antwort verbirgt sich in einem Hochmoor, im hintersten Winkel des Eigentals, 500 Meter unter dem Gipfel: Mitten im Morast ein kleiner Tümpel – er ist kaum zu erkennen und gänzlich unzugänglich. Das ist auch ganz gut so; denn bevor der Talkessel vor vielen Hundert Jahren versumpfte, lag hier ein stiller Bergsee, in dessen Tiefe nicht etwa ein Drache, sondern kein Geringerer als der Geist des hingerichteten Pilatus verbannt gewesen sein soll. Und der sei, so weiss es die Sage, mit menschlichen Störenfrieden gar garstig umgegangen.

Wer schneller und höher hinaus will, erspart sich den anspruchsvollen Aufstieg über die Oberalp und steuert den Gipfel drachenmässig an – durch die Luft: Zunächst von Kriens aus mit der Gondel bis zur Station Fräkmüntegg, danach gleich weiter mit einem futurisch anmutenden Schwebegefährt, das unter dem neudeutsch-artgerechten Namen Dragonride die letzte Etappe zum Gipfel übernimmt.

Auf der 135 Jahre alten Zahnstange bewältigen die Züge eine Steigung von unglaublichen 48 Prozent. 

In klaren Nächten empfiehlt es sich, im Berghotel Bellevue ein Zimmer zu buchen – allerdings weniger wegen des warmen Bettes. Es geht um das atemberaubende Panorama auf der Terrasse. Eben noch haben wir im Abendlicht den Blick über die halbe Schweiz schweifen lassen, glitzernde Seen und glühende Gipfel bestaunt. Jetzt, nach dem Einnachten, schauen wir hinauf zum Himmel und hinein in eine Dimension, die die Grenzen zwischen Raum und Zeit auflöst und uns in Ehrfurcht erstarren lässt. 

Im Juni nimmt die jüngste und modernste Bahnkomposition auf der weltweit steilsten Strecke ihren Betrieb auf.

Foto: PD

Hinauf am Luftseil, hinunter auf dem Zahnrad, zurück übers Wasser – und zwar mit Volldampf auf dem historischen Raddampfer: So lässt sich zusammenfassen, was die Pilatus-Bahnen als «Goldene Rundfahrt» propagieren. Wobei insbesondere die erdgebundene Etappe zum Trip der Superlative gerät: Wenn am 5. Juni die Saison eröffnet wird, nimmt die jüngste und modernste Bahnkomposition auf der weltweit steilsten Strecke ihren Betrieb auf – notabene auf der 135 Jahre alten Zahnstange der ersten Stunde! Auf ihr bewältigen die Züge aus Schweizer Produktion – der Thurgauer Konzern Stadler Rail hat das 55-Millionen-Projekt übernommen – eine Steigung von unglaublichen 48 Prozent. 

Mit anderen Worten: Die Züge klettern auf einer 4600 Meter langen Strecke 1335 Meter in die Höhe. Das ist Weltrekord. Da kann es einem beim Blick aus dem Fenster schon mal mulmig werden in der Magengegend. 

Ein neues Habitat für die Bergeidechsen-Kolonie

Am Ende der Bahnfahrt, auf den letzten Metern, fällt dem aufmerksamen Fahrgast auf dem Dach der Talstation in Alpnachstad ein seltsames Konstrukt aus Moos und Schwemmholz auf. Und mittendrin ein Gewusel aus kleinen, braunen Wesen, die bei genauerem Hinsehen die Gestalt von Eidechsen annehmen – und Zeugnis einer ungewöhnliche Artenrettungsaktion ablegen.

Bevor die Strecke für die neuen Züge begradigt und im oberen Abschnitt durch eine Galerie geführt werden konnte, musste ein Stück Fels aus dem Berg gesprengt werden. Unglücklicherweise war dies aber auch das bevorzugte Habitat einer Bergeidechsen-Kolonie. Da beschlossen die Bahningenieure, die heimatlosen Tiere umzusiedeln und ihnen ganz unten einen neuen Lebensraum einzurichten.

Das Eidechsen-Habitat auf dem Dach der Talstation Alpnachstad.

Foto: PD

Soll noch einer behaupten, es gebe keine Drachen am Pilatus.

Die «Goldene Rundfahrt» mit Schiff, Luftseil- und Zahnradbahn wird vom 5. Juni bis 22. Oktober angeboten und kostet zwischen 56.20 (Halbtax, 2. Klasse) und 128.60 Franken (voller Preis, 1. Klasse). Kinder unter sechs Jahren reisen gratis. Pilatus.ch

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