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Misslungene Ferien (5/5): Asthma in Cannes, alleine in Amsterdam

Misslungene Ferien (5/5)Asthma in Cannes, alleine in Amsterdam

Bardha Kryeziu musste in Frankreich draussen schlafen, bevor sie vergebens in die Niederlande flog. Und das war noch nicht alles.

Als sie mit ihrer Tochter schwanger war, hatte Bardha Kryeziu ein unschönes Ferienerlebnis.

Als sie mit ihrer Tochter schwanger war, hatte Bardha Kryeziu ein unschönes Ferienerlebnis.

Foto: Steeve Iuncker-Gomez

Die ersten Reiseerinnerungen der 36-jährigen Bardha Kryeziu sind mit dem Exil ihrer Familie verbunden. Denn diese lebte in Kosovo, musste von dort aus nach Albanien flüchten und gelangte über Italien und Frankreich in die Schweiz. «Ich war sieben Jahre alt, als wir unsere Heimat 1994 verlassen mussten», erinnert sie sich. «Als Journalist war mein Vater dem serbischen Regime verdächtig. Was für eine Reise unsere Flucht auslöste.»

Die Frau, die im Genfer Vorort Meyrin wohnte, wurde während der zweiten Covid-Welle Mutter eines kleinen Mädchens. Heute lebt sie im benachbarten Frankreich.

Im letzten Frühjahr wurde sie von der Sehnsucht nach neuen Orten ergriffen. Als ihr ein guter Bekannter im Mai vorschlug, zwei Wochen in seinem Haus in Cannes zu verbringen, zögerte sie nicht lange. Bardhas einziger Nachteil: Sie war im sechsten Monat schwanger. Aber die Leute um sie herum und ihr eigener Optimismus überzeugten sie, die Herausforderung anzunehmen.

«Ich schlief auf dem Sofa im Wohnzimmer, um nicht auf- und absteigen zu müssen.»

Bardha Kryeziu

Am 14. Mai half ihr Freund, der eine Woche später nachkommen sollte, ihr beim Beladen des Autos: Kinderbett mit Sonnenschirm, Stuhl für die Mutter und alles Sonstige, was man für einen Badeurlaub mit einem Kleinkind braucht. Bardha machte sich auf den Weg und freute sich auf die Palmenalleen, das blaue Meer und die Erholung.

Nach mehr als sechs Stunden Fahrt kam sie in Cannes an. Sie realisierte schnell, dass einiges los war in dieser Stadt. Kein Wunder: Cannes feierte gerade sein weltberühmtes Filmfestival. «Das wird schon werden», sagte sich Bardha, die Schwangere mit dem Kleinkind.

Sie musste im Freien schlafen

Aber es kam anders. Die Probleme fingen schon vor der Villa an, die auf einem Hügel gelegen war. Bardha gelang es nicht, das Tor des Hauses zu öffnen. Erschwerend kam hinzu, dass sie die Besitzerin lange nicht erreichen konnte, denn die lag wegen Covid im Bett. Nach zwei Stunden Warten und mehreren Telefongesprächen gelang es dem Gast schliesslich, die Villa zu betreten.

Dort folgte der nächste Schock für sie: «Das Innere der Villa war für ein kleines Kind überhaupt nicht geeignet.» Enge, steile Treppen, jede Menge Nippes und seltsamerweise noch Handschellen. «Ich schlief auf dem Sofa im Wohnzimmer, um nicht auf- und absteigen zu müssen.» Bardha wollte das Risiko möglichst klein halten.

Aber auch das gelang ihr nicht. Denn die Frau leidet an Allergien. «Es hatte wohl Staub und ausserdem Katzen in der Nähe. Mit der Folge, dass ich schon in der ersten Nacht einen Asthmaanfall erlitt.» Also ging Bardha nach draussen und schlief unter freiem Himmel.

Am nächsten Tag machte sie sich zu Fuss und mit dem Kinderwagen auf den Weg zum Einkaufen. Ihr Ziel war der nächste Supermarkt: «Es ging steil bergab, immer steiler.» Nach einem Drittel der Strecke sei sie umgekehrt, weil sie sich nicht vorstellen konnte, mit den Einkäufen wieder nach oben zu steigen. «Also entschied ich mich für das Auto und das Restaurant.»

Und schon der nächste Stress

Von ihrem Asthmaanfall geschwächt, versuchte die junge Mutter, ein anderes Haus zu mieten. Doch der Andrang zu den Filmfestspielen erschwerte ihre Suche. Zwei Tage später fand sie eine andere Unterkunft, nicht weit vom Meer in Saint-Raphaël. Aber sie war erschöpft. «Ich hatte zu viel Stress erlebt und zu wenig Schlaf gehabt», erinnert sie sich, «und schwanger war ich auch noch, das machte es nicht besser.»

Der Umzug war geglückt, aber von Entspannung konnte keine Rede sein. Denn Bardha hatte schon vor den Ferien eingewilligt, den Polterabend einer Freundin zu feiern. Aber nicht in Cannes, sondern in Amsterdam. Sie hatte geplant, die zukünftige Braut auf dem holländischen Flughafen zu treffen, dazu eine Handvoll Genfer Freundinnen, die am selben Tag in Cointrin losgeflogen waren. Am Flughafen von Nizza übergab sie Tochter und Auto ihrem Partner, der am selben Tag von Genf nach Nizza geflogen war. Alles war zeitlich knapp, aber es klappte. Auch landete das Flugzeug am späten Nachmittag pünktlich in Amsterdam.

Die Party fand nicht statt

Bardha freute sich auf das Fest mit ihren Freundinnen. Doch diese kamen gar nie an. Wegen eines Brandes in der Nähe von Cointrin, dem Genfer Flughafen, mussten zahlreiche Flüge gestrichen werden. «Die Mädchen haben auch am nächsten Tag keinen Flug mehr gefunden», sagt sie.

Folge: Der Junggesellinnenabschied fiel aus. «Hotel, Restaurants, Besichtigungen, Aktivitäten: Alles war gebucht und bezahlt», sagt sie. «Aber es gab keine Bootstour durch Amsterdam, keinen Museumsbesuch und keine Velotour entlang der Kanäle.» Bardha beschloss, dennoch in Amsterdam zu bleiben.

Sie fand ein Hotel, das 15 Minuten vom Stadtzentrum entfernt lag. Dieses sei zwar ein Ort für Feste gewesen, sagt sie, aber nicht für eine schwangere Frau, die sich ohne ihre Freundinnen in einer fremden Stadt wiederfand. Weshalb Bardha erleichtert war, zwei Tage später nach Nizza zurückzufliegen, um in Saint-Raphaël ein paar Tage mit ihrer Familie zu verbringen. Noch ahnte sie nicht, was ihr bevorstand.

Zwar fand sie sich pünktlich am Flughafen Schipol ein, zweieinhalb Stunden vor dem geplanten Abflug, das war am frühen Abend. Nur bot sich ihr vor der Sicherheitskontrolle ein Schreckensbild dar: So viele Leute standen nämlich seit Stunden Schlange. «Sie hätten fünf Stunden vor dem Flug kommen sollen», sagte ein Reisender zu ihr. Ein anderer ermutigte sie, sich in die Schlange einzureihen, und sagte, dass ihr Flugzeug in einer halben Stunde abheben würde. Ein mitfühlender Passagier forderte sie sogar auf, vor allen anderen durch die Sicherheitsschleuse zu gehen.

«Er hat mich am Arm gepackt und mir gesagt, ich dürfe nicht weitergehen.»

Bardha Kryeziu

Ein Rentner sah das aber entschieden anders: «Er hat mich am Arm gepackt und mir gesagt, ich dürfe nicht weitergehen.» Sie tat es trotzdem, ging an all den wartenden Leuten vorbei und erreichte in letzter Minute ihren Flug.

Die Hälfte der übrigen Passagiere schaffte es nicht rechtzeitig an Bord. Das habe an der Covid-Epidemie gelegen, sagt Bardha. Diese habe Entlassungen auf den Flughäfen und bei den Fluggesellschaften ausgelöst, was zu einem akuten Personalmangel geführt habe. «Wer weiter im Job arbeitete, war überfordert.»

Um halb zwölf Uhr nachts kam die Schwangere endlich in Nizza an und wurde von ihrer kleinen Familie empfangen. Mit ihr zusammen erlebte sie eine Premiere: Der Rest ihrer Ferien verlief besser.

Dieser Beitrag ist Teil einer losen Artikelserie über missglückte Ferienerlebnisse.

Fedele Mendicino est journaliste à la rubrique genevoise depuis 20 ans. Il couvre en particulier les faits divers et l'actualité judiciaire. Mehr Infos@MendicinoF
Jean-Martin Büttner studierte Psychologie, Psychopathologie und Anglistik und dissertierte über die Psychoanalyse der Rockmusik. Von 1984 an arbeitete er für den «Tages-Anzeiger» in den Ressorts Kultur, Inland, Hintergrund, Analyse sowie als Korrespondent. Seit Anfang 2021 schreibt er als freier Autor.Mehr Infos@jemab

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