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Libanesen wählen in schwerer Krise Parlament – und hoffen auf Wandel

Proteste im Libanon

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Proteste im Libanon

quelle: epa / wael hamzeh

Videos zeigen das Ausmass der Katastrophe in Beirut

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Israel hat am Donnerstag der sechs Millionen im Holocaust ermordeten Juden gedacht. Am Vormittag heulten für zwei Minuten landesweit die Sirenen. Autos hielten auf den Strassen an, Menschen standen still und gedachten der Toten. Anschliessend begann eine Gedenkveranstaltung in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem, an der auch Bundestagspräsidentin Bärbel Bas teilnahm. Die Politikerin legte dabei einen Kranz im Namen des Bundestags nieder. Sie befindet sich aktuell auf einem dreitägigen Besuch in Israel.

Die Menschen in Beirut strömen an die Urnen

Die Menschen in Beirut strömen an die UrnenBild: keystone

Die Libanesen haben inmitten der schwersten Wirtschafts- und Finanzkrise in der Geschichte ihres Landes ein neues Parlament gewählt. Vor allem viele jüngere Wähler hofften am Sonntag angesichts der schwierigen Lage auf einen Sieg oppositioneller Kandidaten. Sie machen für den Niedergang des Libanon die seit Jahrzehnten regierenden Parteien verantwortlich. Es ist die erste Parlamentswahl seit der Explosionskatastrophe vor fast zwei Jahren, die Hafen und Zentrum der Hauptstadt Beirut massiv zerstörte.

Fast vier Millionen Menschen waren aufgerufen, die 128 Mitglieder des Abgeordnetenhauses zu bestimmen. In Beirut kam es am Vormittag zu langen Staus auf den Strassen und Schlangen vor Wahllokalen. Erste vorläufige inoffizielle Ergebnisse könnte es am Sonntagabend geben.

Die schwere Wirtschafts- und Finanzkrise hat im Herbst 2019 begonnen und trifft grosse Teile der Bevölkerung. Nach UN-Angaben leben rund drei Viertel der Menschen im Libanon mittlerweile unter der Armutsgrenze. Die libanesische Währung hat mehr als 90 Prozent ihres Wertes verloren. Die Inflation liegt bei mehr als 200 Prozent.

Im Alltag kämpfen die Libanesen mit Mangelversorgung. So haben viele Haushalte nur wenige Stunden am Tag Strom. Auch lebenswichtige Medikamente fehlen. Zuletzt wuchsen die Sorgen vor einer Brotkrise.

Wegen eines komplizierten Wahlsystems sind genauere Vorhersagen kaum möglich. Die Chancen auf einen grösseren Wandel seien jedoch gering, sagte der libanesische Politikprofessor Imad Salamah. «Das Wahlsystem ist darauf zugeschnitten, das politische Establishment zu erhalten.»

Viele Beobachter rechnen damit, dass die mit dem Iran verbündete schiitische Hisbollah ihre ohnehin starke Stellung festigen kann. Unklar ist, wie sich der Rückzug des bislang wichtigsten sunnitischen Politikers, Saad al-Hariri, auswirkt. Der Ex-Ministerpräsident hatte im Januar überraschend seinen Verzicht auf eine Kandidatur verkündet.

Grösser als bei früheren Wahlen ist die Zahl oppositioneller Kandidaten. Viele gehen aus den Massendemonstrationen gegen die politische Führung hervor, die 2019 ausgebrochen waren. Laut einer Umfrage im Auftrag der Konrad-Adenauer-Stiftung ist der Kampf gegen die Korruption für viele Libanesen die wichtigste Herausforderung. Viele wünschen sich demnach auch eine «neue und saubere politische Klasse».

«Wir wollen einen Wandel», sagte ein Oppositionsanhänger vor einem Wahllokal in Beirut. «Es wird schwer, das bei einem Mal zu schaffen. Aber es muss besser werden.» Jeder Wähler muss nach der Stimmabgabe einen Finger in blaue Tinte tauchen, um eine doppelte Wahl zu verhindern. Einige Gegner der regierenden Parteien nutzten das, um ein Zeichen des Protests zu setzen: Sie verbreiteten in den sozialen Medien Bilder ihres blau gefärbten ausgestreckten Mittelfingers.

Das politische System des Libanon ist bestimmt durch ein fragiles Gleichgewicht der Konfessionen. Staatsoberhaupt ist immer ein Christ, Regierungschef ein Sunnit und Parlamentspräsident ein Schiit. Kritiker bemängeln, die wichtigsten Entscheidungen würden von den führenden Politikern jedoch ausserhalb des Parlaments getroffen.

Bei der Explosionskatastrophe im Hafen von Beirut waren am 4. August 2020 mehr als 190 Menschen ums Leben gekommen. Rund 6000 Menschen wurden verletzt. Die genaue Ursache der Detonation ist weiter unklar. (aeg/sda/dpa)