Nach Maos Tod hat sich China intensiv mit politischen Verbrechen und Fragen historischen Unrechts beschäftigt. Trotzdem ist eine tiefgreifende Transformation ausgeblieben. Der Sinologe Daniel Leese erklärt, warum.

Er bleibt präsent: Sicherheitskameras vor einem Mao-Porträt in Peking, 2017.
Der rasante Aufstieg Chinas und die Verfolgung des «chinesischen Traums» haben die Zeit der Kulturrevolution und den Terror der Roten Garden scheinbar in weite Ferne gerückt. Unterschwellig aber wirkt das in jener Zeit im Namen staatlicher Stellen begangene Unrecht fort. Auch die mehr als 32 Millionen Hungertoten während des Grossen Sprungs in den Jahren 1958 bis 1961 sind nicht wirklich vergessen. Dabei hat sich die Volksrepublik China im unmittelbaren Gefolge des politischen Führungswechsels nach dem Tode Mao Zedongs am 9. September 1976 so intensiv und grossflächig mit Fragen historischen Unrechts beschäftigt wie kaum ein anderer Staat in ähnlicher Lage.