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Kontrolliert durch Peking?: Tiktok kämpft in den USA gegen seine Verbannung

Kontrolliert durch Peking?Tiktok kämpft in den USA gegen seine Verbannung 

Der Tiktok-Chef Chew will ein US-Verbot der chinesischen Videoplattform verhindern. Sein Trumpf dabei: Er stammt nicht aus China.  

Shou Zi Chew, der Chef von Tiktok, muss im März vor dem US-Kongress in Washington aussagen. Abgeordnete werfen ihm vor, dass die Videoplattform durch Peking kontrolliert wird. 

Shou Zi Chew, der Chef von Tiktok, muss im März vor dem US-Kongress in Washington aussagen. Abgeordnete werfen ihm vor, dass die Videoplattform durch Peking kontrolliert wird. 

Foto: AFP

Der Europäischen Kommission hat Shou Zi Chew bereits seine Aufwartung gemacht. Bei seinem Auftritt in Brüssel im Dezember zeigte er Verständnis für die Sorgen der EU, aber letztlich war er wenig verbindlich. Im amerikanischen Kongress wird er nicht so leicht davonkommen. Politiker beider Parteien sehen Tiktok nicht nur als Werkzeug der Kommunistischen Partei Chinas. Sie wollen ein Exempel statuieren.

Die Losung lautet: Härte gegen China zeigen. Was den USA mit Facebook, Whatsapp und Youtube bisher nicht gelungen ist, nämlich eine wasserdichte Abwehr gegen Missbräuche von Nutzerdaten, soll bei Tiktok nun durchgezogen werden. Selbst wenn das zu einem Totalverbot der Videoplattform führen sollte.

Tiktok sieht sich als politisches Opfer

Shou Zi Chew hat zugesagt, im März vor der Energie- und Handelskommission des Abgeordnetenhauses auszusagen. Es ist die erste Anhörung eines Konzernchefs von Tiktok, was überrascht, da das Unternehmen bereits seit vier Jahren unter Druck ist. Ex-Präsident Donald Trump wollte Tiktok aus dem Verkehr ziehen, konnte sich aber im Kongress nicht durchsetzen, worauf die Regierung Biden einen Gang zurückschaltete und Tiktok auf dem Verhandlungsweg verpflichten wollte, sich von der chinesischen Muttergesellschaft Bytedance zu trennen und eine Plattform nach US-Recht zu werden.

Doch im Januar hat der Wind erneut gedreht. Die Republikaner mit ihrer knappen Mehrheit im Abgeordnetenhaus sperren sich gegen einen Deal, wie ihn Biden will, und suchen die Konfrontation. Den Ton für das Hearing mit Chew hat die republikanische Kommissionspräsidentin Cathy McMorris Rodgers vorgegeben. «Tiktok erlaubt der chinesischen Kommunistischen Partei wissentlich, die Nutzerdaten von Amerikanern auszubeuten. Wir wollen wissen, wie dies die Datensicherheit beeinträchtigt und was Tiktok tut, um unsere Kinder gegen schädliche Einflüsse zu schützen.» Eine Koalition von Republikanern und einzelnen Demokraten hat bereits ein Gesetz zur Verbannung der Plattform vorgelegt.

Tiktok versuchte zu kontern. Weder die Kommunistische Partei noch Bytedance kontrollierten Tiktok, doch Chew räumte kürzlich ein, er sei natürlich auch Rechenschaft gegenüber dem Verwaltungsrat von Bytedance schuldig. Wie andere Techkonzerne hat auch Bytedance ein internes Komitee der Kommunistischen Partei. Und bei der Anstellung von Mitarbeitern geniessen Parteimitglieder den Vorzug. Die Videoplattform ist in den USA beliebt: Sie wird von mehr als 100 Millionen Nutzern besucht, überwiegend Jugendliche. Weltweit sind es 1,7 Milliarden. 

«Tiktok hat Chew an die Spitze gesetzt, weil er kein Chinese ist.»

Ivan Kanapathy, Ex-Direktor für China im US-Sicherheitsrat

Was das für die USA bedeutet, wird Chew vor dem Kongress ausführen müssen. Zu reden geben dürfte auch, dass Tiktok dem Kongress vorwirft, soziale Medien aus dem Westen zu bevorzugen. «Die Parlamentarier sollten sich um eine ganzheitliche Lösung der Probleme kümmern, statt so zu tun, als ob ein Verbot einer einzelnen Plattform ihre Sorgen beseitigen und die Amerikaner sicherer machen würde.»

Der 40-jährige Tiktok-Chef verbrachte seine Lehrjahre in den USA. Er studierte an der renommierten Harvard-Universität. Er machte erst ein Praktikum bei Facebook, bevor er nach Peking übersiedelte, als Finanzchef für den Techriesen Xiaomi tätig war und half, das Unternehmen an die Börse zu bringen. Seine Beziehungen zu Bytedance gehen zehn Jahre zurück. Damals leitete er ein Team von Investoren, die in das noch junge Unternehmen investierten. Er erhielt die Kontakte zu Bytedance aufrecht, wurde 2021 zum Finanzchef berufen und nur zwei Monate später zum Chef von Tiktok gemacht.

Hat der Deal mit den Daten Bestand?

Diese unüblich schnelle Rochade ist mit der Herkunft von Chew zu erklären. Er ist Bürger des Stadtstaates Singapur. Diese Herkunft, also nicht Chinese zu sein, stellt Tiktok gerne in den Vordergrund. Die Strategie ist für Ivan Kanapathy, früherer Direktor der China-Abteilung im Nationalen Sicherheitsrat des Weissen Hauses, klar. «Tiktok hat ihn an die Spitze gesetzt, weil er kein Chinese ist und weil Singapur eine Brücke zwischen beiden Welten bildet, zwischen Ost und West.» Der China-Experte glaubt aber nicht, dass dies den Kongress beeindrucken wird. «Es wird keinen Unterschied machen, weil Chew letztlich nur gegenüber Bytedance verantwortlich ist. Nichts kann etwas an dieser Tatsache ändern», sagt Kanapathy.

Diese Abhängigkeit erschwert einen Deal mit der Regierung und gibt jenen Aufwind, die Tiktok abstellen wollen. Zwar lässt die Plattform seit letztem Sommer sämtlichen Datenverkehr in den USA über die Server des US-Softwarekonzerns Oracle laufen; dieser soll die Algorithmen überwachen und sicherstellen, dass die Back-up-Daten gelöscht werden. Ob diese Kooperation Bestand hat, ist jedoch fraglicher denn je, denn sie würde es der chinesischen Regierung verunmöglichen, je in die Tiktok-App in den USA einzugreifen. Solange aber Bytedance die Kontrolle hat, sei einem Deal nicht zu trauen, meint Jacob Hellberg, Technologieberater der Stanford-Universität. «Es ist schlicht unmöglich für ein Unternehmen, gleichzeitig amerikanisches und chinesisches Recht zu befolgen.»

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