Historisches UrteilFreispruch für ehemaliges Mitglied von weissrussischer Todesschwadron
Mit Jury Garawski, Mitglied eines weissrussischen Spezialkommandos, ist erstmals in der Schweiz eine Person wegen Verschwindenlassens angeklagt, aber freigesprochen worden.

Der Rorschacher Kreisgerichtspräsident Olav Humbel (hinten Mitte) verkündet das Urteil gegen Jury Garawski (vorne Mitte).
Illustration: Robert Honegger
Das Kreisgericht Rorschach sprach ihn sowohl vom Vorwurf des Verschwindens wie auch vom Vorwurf der Irreführung der Justiz frei. Mit dem Urteil folgte das Kreisgericht in der Sache der Verteidigerin.
Das Urteil gegen den Mann, der vor wenigen Tagen 45 Jahre alt wurde, war mit Spannung erwartet worden. Denn zum ersten Mal stand in der Schweiz, mutmasslich auch überhaupt auf europäischem Boden, ein Mann wegen Verschwindenlassens vor Gericht. Verschwindenlassen ist in der Schweiz seit dem 1. Januar 2017 eine Straftat und darf verfolgt werden, selbst wenn der ausländische Täter die Tat im Ausland an einem Ausländer verübt hat.
Ein Geständnis führte zum Strafverfahren
Garawski hatte im Rahmen des Asylverfahrens Anfang 2019 zugegeben, nicht nur Mitglied jener Spezialeinheit gewesen zu sein, welche im Auftrag der belarussischen Regierung die Organisierte Kriminalität wenig zimperlich bekämpfte. Im Jahre 1999 entführte und tötete ein Killerkommando auch drei Oppositionspolitiker – darunter den früheren Innenminister Yuri Sacharenko und den ehemaligen stellvertretenden Premierminister Wiktor Gonchar.
Für die Eröffnung des Strafverfahrens sorgte Garawski selber. Denn nachdem sein Asylgesuch abgelehnt worden war, wandte er sich via den Auslandrundfunk Deutsche Welle an die Öffentlichkeit. Daraufhin reichte die Genfer Nichtregierungsorganisation Trail International eine Strafanzeige ein. Die Organisation kämpft gegen die Straflosigkeit bei internationalen Verbrechen.
Staatsanwaltschaft und Verteidigung zogen unterschiedliche Schlüsse
Das Kreisgericht Rorschach, dem neben Präsident Olav Humbel ein Apotheker und ein Kantonspolizist als Laienrichter angehörten, hatte im Wesentlichen nur eine Frage zu klären: Hat Garawski die Wahrheit gesagt? Denn das Gericht konnte ihn wegen Verschwindenlassens nur verurteilen, wenn es überzeugt war, dass der damals gut 20-Jährige tatsächlich dabei war, als den drei Oppositionspolitikern, wie es das Gesetz verlangt, die Freiheit und der Schutz des Gesetzes entzogen wurde. Und wenn in der Folge über ihr Schicksal oder ihren Verbleib jede Auskunft verweigert wurde.
Staatsanwalt Peter Hangartner und Verteidigerin Vy Huynh waren an der Hauptverhandlung in der vergangenen Woche von den Schilderungen des Mannes überzeugt. Sie zogen daraus aber unterschiedliche Schlüsse. Während Hangartner in der Hauptsache eine teilbedingte Freiheitsstrafe von 36 Monaten beantragte, verlangte Huynh einen Freispruch, weil die Straftat «Verschwindenlassen» bereits im Jahre 2016 verjährt sei.
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