Das betriebsamste Gebäude der Stadt Bern wird wieder einmal der Zeit angepasst. Archivfotos zeigen, was sich dort in den letzten 50 Jahren verändert hat.

Idealer Zustand auf dem Bahnhofplatz in den frühen 80er-Jahren. So hatte man sich das vorgestellt: Flüssiger Verkehr und keine Leute. Wenn die Autos kamen, dann wurde es ernst.
Foto: J. Koella D 3029_06, Bilder: Staatsarchiv des Kantons Bern PBA BZ, Bildredaktion: René Wüthrich
Das Prinzip für die Verkehrsplanung hiess damals «autogerechte Stadt». Der Vorrang des Individualverkehrs war auch in den Bahnhofplatz von Bern hineinasphaltiert worden. Autogerecht querte die Strasse den Platz diagonal auf direktestem Weg. Nur bei der Heiliggeistkirche gab es eine kleine Schikane, weil das Tram dort Platz brauchte für seine Wendeschlaufe um die Kirche herum. Fussgänger waren auf dem Platz nicht vorgesehen. Deshalb gab es dort auch keine Fussgängerstreifen. Ampeln waren nur für Busse da. Die Menschen sollten vor den Autos sicher unterirdisch in die Stadt gelangen.

Hier die Strasse zu überqueren war verboten. Wer es dennoch tat, musste oft um sein Leben rennen. Die Autos kamen schnell näher. Sie hatten Vortritt und ihnen gehörte der Platz. Mit Menschen war nicht gerechnet worden.
Foto: Urs Baumann, PBA BZ E 365
Die Unterführung war jedoch eng und düster, und der Noppenboden aus einem Material wie Autoreifen ging den Bernerinnen und Bernern ins Unterbewusstsein über und erstreckte sich bis in ihre Albträume. Der Marsch im Untergrund war ein tägliches Abenteuer der besonderen Art, von der Nacht gar nicht zu reden. Die BZ schrieb von «Kellergefühl». Als der Pirelli, wie viele den Noppenboden nannten, bald den Belastungen nachgab und man ihn mit helleren und gar grauen Flickstücken reparierte, die sogleich mit gut sichtbaren schwarzen Kaugummiflecken übersät waren, wurde er für das Auge zu einer echten ästhetischen Herausforderung.
Tatsächlich wurde der Bahnhof von 1974 bald von sehr viel mehr Menschen durch- und überströmt, als berechnet worden war, und auch die Rechnung mit der Unterführung ging nicht auf. Lieber riskierten die Leute Kopf und Kragen und hetzten über die rasch und dicht befahrene vierspurige Strasse auf dem Bahnhofplatz, als den Weg durch die Christoffelunterführung auf sich zu nehmen, an deren Ende man auch noch dem stets fragwürdig melancholischen Riesengesicht des Heiligen aller Reisenden – Christoffel– begegnen musste. Aber die Ecke mit den beleuchteten Kinoplakaten hinter Glas in seiner Nähe war hell und ein echter Treffpunkt.

Hommage an den Noppenboden, genannt Pirelli, in der Christoffelunterführung im Bahnhof Bern von 1974 bis 2008 und teilweise noch länger. Man fürchtet immer, man finde irgendwo noch ein Stück.
Foto: Walter Pfäffli

In der Schalterhalle und beim Zugang zu den Gleisen kommt der Pirelli 1998 weg. Im Hintergrund die Billettschalter, wo man früher viel Zeit mit Warten verbrachte. Die Leute kauften alle Tickets, egal ob GA, Interrail, Mehrfahrtenkarte oder Einzelbillett, am Schalter.
Foto: Iris Andermatt, PBA BZ E 365_03

Es hatte auch Leute, wenn die Schalter geschlossen waren.
Foto: Rolf Schertenleib, PBA BZ D 2509_05

Abendstimmung im guten alten Bern 1997: Das Tram dreht noch seine Runden um die Kirche, der Bahnhof hat noch die alte Fassade, aber es war ein Fussgängerstreifen hinüber zur Heiliggeistkirche entstanden, bei dem Ampeln stehen.
Foto: M. Fiechter, PBA BZ E 365_02

1965 steht noch das alte Bahnhofsgebäude. Die Bauarbeiten für den neuen Bahnhof, der 1974 eröffnet wird, sind schon im Gange. Die RBS fuhr auf den Bahnhofplatz bis vor den Schweizerhof.
Foto: RBS, nicht im StAB

Bahnhofplatz mit Bahnhof, Burgerspital und Heiliggeistkirche am 26.4.2001. Es gibt nun drei Fussgängerstreifen. Der Bahnhof hat noch einen Balkon mit Restaurant.
Bild: Andreas Blatter

Auch im Inneren hat sich stets viel verändert. Die transparenten Rolltreppen für die neue Bahnhofhalle sind am 9.10.1998 endlich da.
Foto: Iris Andermatt, PBA BZ E 365_04

Sie einzubauen scheint ein Kinderspiel zu sein.
Foto: Iris Andermatt, PBA BZ E 365_05

Dieser Fussgängerstreifen war wie jeder andere auf dem Platz sehr umstritten. Das Gewerbe in der Christoffelunterführung beklagte zum Teil Umsatzeinbussen. Normal sei das Geschäft nur bei schlechtem Wetter. Die Zahl der Passanten steigt bis heute stetig und rasch an.
Foto: Urs Baumann, PBA BZ E 365_14

Noch einmal: Alltägliches Bild vor 1993. Das Bild zeigt auch, worum es bei der Gestaltung von Raum eigentlich geht, was sinnvoll verhindert werden muss und wie wichtig bauliche und organisatorische Anpassungen an Realitäten sind. Auch wenn man sie nicht hat kommen sehen.
Foto: Daniel Fuchs, PBA BZ E 365_07