Im ersten Quartal des vergangenen Jahres war die wirtschaftliche Situation in China desaströs. Erstmals erlebten die jüngeren Chinesinnen und Chinesen eine Wirtschaftskrise. Die Wirtschaft hat sich jedoch schneller als erwartet erholt. Sorgen bereitet noch der Konsum. Besserung ist jedoch in Sicht.

Die chinesische Wirtschaft ist auch im Pandemiejahr 2020 gewachsen. Doch beim Konsum halten sich viele Chinesen noch zurück.
Mit einem starken Schlussquartal ist Chinas Wirtschaft etwas gelungen, was zu Beginn dieses Jahres nach dem Ausbruch des neuartigen Coronavirus Sars-CoV-2 noch als undenkbar galt: Laut den Zahlen des National Bureau of Statistics of China hat sie im vergangenen Jahr real gegenüber 2019 um 2,3% zugelegt.Der Zuwachs im vierten Quartal 2020 gegenüber der Vorjahresperiode belief sich auf 6,5%. Es spricht viel dafür, dass sich die Strategie Pekings auszahlt. Es war erklärtes Ziel der Machthaber, zunächst die Epidemie erfolgreich zu bekämpfen, um in einem nächsten Schritt die Wirtschaft zu stärken. Der scheidende amerikanische Präsident Donald Trump hatte dagegen genau den entgegengesetzten Weg eingeschlagen.
Masken made in China sind gefragt
Stabilisierend haben in den vergangenen Monaten die industrielle Produktion, die im Dezember 2020 abermals um 7,3% gegenüber dem Vorjahresmonat gestiegen ist, sowie die starke Nachfrage des Auslands nach chinesischen Produkten wie Masken, medizinische Ausrüstung sowie Computer für die Arbeit von zu Hause gewirkt. Sorgen bereitet dagegen der Konsum, der noch deutlich unter dem Vorkrisenniveau liegt.
Für Ökonomen wie Julian Evans-Pritchard vom Beratungsunternehmen Capital Economics oder Wang Tao von der UBS kommt die starke Erholung der chinesischen Wirtschaft auf Basis von Echtzeit-Daten nicht überraschend. Dadurch wird die zu erwartende gebetsmühlenartige Kritik, den offiziellen Statistiken sei nicht zu trauen, bereits im Vorfeld entkräftet. Und die Indikatoren sprechen dafür, dass Chinas Wirtschaft auch im ersten Halbjahr 2021 noch stark zulegen wird. Hinzu kommt ein niedriges Vorkrisenniveau, so dass sich die Prognosen für das diesjährige Wachstum auf rund 8% und mehr belaufen.
Für den schwächelnden Konsum im vergangenen Jahr gibt es diverse Gründe. Erstens belief sich der Zuwachs der verfügbaren Einkommen pro Kopf in den Städten 2020 gegenüber dem Vorjahr auf gerade einmal 1,2%; auf dem Land legten sie um 3,8% zu.
Erschwerend ist in den vergangenen Monaten die unsichere Lage wegen der Covid-19-Epidemie hinzukommen, die das Konsumentenvertrauen belastet hat. In solch schwierigen Zeiten wird das Geld nur für absolut notwendige Dienstleistungen und Güter ausgegeben. Stattdessen steigern die Haushalte ihre Ersparnisse, um auf unvorhergesehen Ausgaben vorbereitet zu sein.
Diese für den Konsum negativen Effekte dürften mit der Stabilisierung des Arbeitsmarktes, steigenden Salären sowie einem Umfeld, in dem es nur vereinzelte Sars-CoV-2-Ausbrüche gibt, in den kommenden Monaten verschwinden. Die Ökonomen der UBS in Hongkong prognostizieren im laufenden Jahr einen realen Zuwachs bei den Konsumausgaben von 10%.
#China's long-term good economic foundation has not changed despite external uncertainties. It has strong material foundation, a complete industrial chain, a vibrant consumer market, abundant human resources and budding tech innovation: NBS official Ning Jizhe pic.twitter.com/1aq02UcbRW
— Global Times (@globaltimesnews) January 18, 2021
Evans-Pritchard von Capital Economics geht davon aus, dass etwa die Schliessung der Hauptstadt der Provinz Hebei, Shijiazhuang, wegen Infektionen nicht zu einem abermaligen Einbruch bei den Konsumausgaben führen werde. Die derzeitigen Fälle in China seien zu regional begrenzt, um weitgehende gesamtwirtschaftliche Auswirkungen zu haben.
Es könnte vielmehr gar ein positiver Nebeneffekt daraus resultieren. Firmen bieten ihren Beschäftigten Geld, wenn sie das chinesische Neujahr – das Jahr des Büffels beginnt am 12. Februar – nicht zu ihren Familien reisen. Davon würde vor allem die Exportwirtschaft profitieren. Sie müssten bei vollen Auftragsbüchern nicht wie sonst üblich die Produktion während des chinesischen Neujahrsfestes herunterfahren, was sich wiederum positiv in der industriellen Produktion niederschlagen würde.
Belebend auf Chinas Wirtschaft dürften im laufenden Jahr auch die Investitionen wirken. So ist der Auslastungsgrad in der Industrie mit 78% höher als im Durchschnitt des Jahres 2019. Dieser Indikator spricht dafür, dass die Produktionskapazitäten ausgebaut werden könnten. Zudem dürften die Erfahrungen mit der Epidemie zu Beginn des vergangenen Jahres die Investitionen in die Digitalisierung vorantreiben. Aussagekräftig sind Zahlen des National Bureau of Statistics of China. Danach sind im vergangenen Jahr die Investitionen in das E-Commerce-Geschäft sowie in Informations-Dienstleistungen um mehr als 20% beziehungsweise 15% gegenüber 2019 gestiegen. In China wird inzwischen jedes vierte Produkt im Internet eingekauft.
Infrastrukturinvestitionen als Sozialpolitik
Ein Blick in die Statistiken für Infrastrukturinvestitionen zeigt auch, dass Peking 2020 eine andere Strategie zur Rettung der Wirtschaft verfolgt hat als noch 2008 beim Ausbruch der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise. So hatten sich die Investitionen in die Infrastruktur im zweiten Quartal des vergangenen Jahres zwar erholt, nachdem sie in den ersten drei Monaten 2020 noch geschrumpft waren. «Allerdings ist das Wachstum in der zweiten Hälfte 2020 unter unseren Erwartungen geblieben», sagt der führende Infrastruktur-Experte bei der UBS in Schanghai, Robin Xu.
Er erklärt den Umstand damit, dass China im Gegensatz zu den meisten anderen Ländern den Ausbruch des neuartigen Coronavirus Sars-CoV-2 unter Kontrolle gebracht und dadurch eine intakte Wertschöpfungskette habe. Durch die schnelle Erholung des Exports und die daraus resultierenden positiven Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt spielten Investitionen in die Infrastruktur keine allzu grosse Rolle, um die Gesamtwirtschaft zu stabilisieren.
Das werde sich auch in Zukunft nicht ändern. Dafür gibt es laut Xu zwei Gründe: Erstens ist Chinas Infrastruktur bereits modern. Zweitens sinkt wegen des demografischen Wandels in den kommenden Jahren der Anteil der Wanderarbeiter in der Baubranche. Bisher sind von den rund 300 Mio. Wanderarbeitern rund 50 Mio. in der Baubranche beschäftigt. Investitionen in die traditionelle Infrastruktur wie Schienen und Strassen haben künftig vor allem eine sozialpolitische Funktion.