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Erbgut in der Umwelt: Menschliche DNA ist überall zu finden – das birgt Risiken des Missbrauchs

Erbgut in der UmweltMenschliche DNA ist überall zu finden – das birgt Risiken des Missbrauchs

Wenn Wissenschaftler Umweltproben sammeln, ist fast immer automatisch menschliches Erbgut enthalten. Ethiker fordern nun klarere Regeln.

Winzige Mengen DNA reichen aus, um Informationen über einen Menschen aus dem Erbgut zu gewinnen. 

Winzige Mengen DNA reichen aus, um Informationen über einen Menschen aus dem Erbgut zu gewinnen. 

Foto: Thomas Kienzle (Keystone) 

Manch ein Stoff wie Mikroplastik hat es schon in alle Gegenden der Erde geschafft. Nun ist klar, dass auch der Mensch überall winzige Spuren seiner selbst hinterlässt. Wo immer er sich aufhält, ist später Erbgut von ihm zu finden. Das wirft ethische Probleme auf. Denn eine Studie im Fachblatt «Nature Ecology & Evolution» zeigt, dass die Qualität der verstreuten DNA so hoch ist, dass man sie bis ins Detail analysieren kann – und damit Informationen über den Menschen erhält, von dem sie stammt.

«Identifizierbare menschliche DNA findet sich in beliebigen Umweltproben», sagt der Meereswissenschaftler David Duffy von der University of Florida, Hauptautor der Untersuchung. Seinem Team fiel auf, dass in den Proben, die es zur Erforschung von Wildtieren und Krankheitskeimen sammelte, verwertbare menschliche DNA als Beifang enthalten war. Aus dieser DNA konnten die Forschenden auf die Herkunft der Menschen schliessen, von denen sie stammte. Auch identifizierten sie Genveränderungen, die mit verschiedenen Krankheiten in Verbindung stehen. Untersucht hatten die Wissenschaftler Proben aus der Luft, aus Sand und auch aus Gewässern – manche nah an menschlichen Siedlungen, manche aber auch nicht.

Normalerweise gibt es strenge Regularien für das Sammeln und Auswerten von menschlicher DNA. Durch die Umweltproben aber erhalten Wissenschaftler Zugang zu menschlichem Erbgut, ohne dass dafür eine Genehmigung eingeholt oder eine Ethikkommission befragt worden wäre. «Das könnte zur ungerechtfertigten genetischen Überwachung beitragen», warnen Duffy und sein Team.

Grenzen setzen, wer wo DNA sammeln darf

Ähnlich sieht das Matthias Wienroth vom Policy, Ethics and Life Sciences Research Centre der Newcastle University. Die Kette von Umweltforschung über forensische Genetik zu polizeilichen Ermittlungen und Überwachung von Menschen sei durchaus gegeben, sagt er. «Zum Beispiel könnte eine Analyse von Medikamenten oder (Stress-)Hormonen in Abwässern bestimmter Wohngebiete dazu führen, dass deren Interpretation Vorurteile verstärkt und zu verstärkter Überwachung oder dem Entzug von Dienstleistungen führen mag.» Gemeinsam mit Kollegen und Kolleginnen hatte Wienroth bereits vor zwei Jahren in einem Aufsatz in der Zeitschrift «Genes» gefordert, dass sich Wissenschaftler vorausschauend Grenzen setzen, wo und von wem sie Daten sammeln – etwa, wenn man an Uiguren in China oder Roma in Europa denkt. Es gelte auch beim Sammeln von Umweltproben, «die menschliche Autonomie, Würde und das Selbstbestimmungsrecht über persönliche Daten zu bewahren», betont Wienroth.

Denn wo sich Möglichkeiten ergeben, werden diese sehr wahrscheinlich auch ausgenutzt, sagt Wienroth. Interessenten für genetische Daten gebe es genug – von Sequenzierungsfirmen über Versicherungen und Arbeitgeber bis zu Polizei und Geheimdienst: «Man denke zum Beispiel an Kundenkonte bei Ancestry.com, 23andme, Family Tree DNA oder GEDmatch.» Die dort gespeicherten Daten seien Individuen zugeschrieben. Daher lasse sich die DNA aus dem Beifang im Abgleich mit diesen Daten ebenfalls Individuen zuordnen und so auf Aspekte von deren Verhalten schliessen – etwa, wo diese Menschen sich aufhalten oder wo sie wohnen. «Aus diesem Grund sollte man vorausschauend ethisch handeln», so Wienroth.

Auch die Juraprofessorin Natalie Ram von der University of Maryland fordert in einem Kommentar zur Arbeit von Duffys Team, dass nun sorgfältig überlegt werden müsse, wie sich die Risiken des Missbrauchs von solcher nebenbei eingesammelten DNA minimieren liessen. Die Arbeit aus Florida zeige, was möglich sei, so Ram, «die Zeit für eine nachdenkliche Antwort ist jetzt».

Mit Material vom Science Media Center

Dr. Christina Berndt schreibt seit mehr als 20 Jahren über Medizin, Psychologie und Lebenswissenschaften. Mehr Infos

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