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Entrüstung über getötetes Affenbaby im Zolli ist gross – doch so einfach ist es nicht

Spitalapotheker Enea Martinelli hat aufgrund von Medikamentenengpässen eine langfristige Unterstützung des Bundes für Apotheken und die Ärzteschaft gefordert. Kurzfristig sei das Problem nicht zu beheben, so Martinelli gegenüber CH Media.

Der Medikamentenengpass in der Schweiz besteht schon seit längerem, doch Grippe, Coronavirus und Co. haben die Lage jüngst weiter verschärft. So fehlen beispielsweise fiebersenkender Sirup für Kinder, aber auch Antibiotika sind wegen Problemen in China nicht uneingeschränkt verfügbar.

Nach dem Tod des Orang-Utan-Weibchens Revital im Basler Zolli, wurde dessen neugeborenes Baby eingeschläfert. Im Netz stösst dies auf Unverständnis. Aus Tierschutzsicht spricht aber nichts dagegen, wie eine Expertin gegenüber watson erklärt.

Kurz nach der Geburt ihres Affenbabys starb das Orang-Utan-Weibchen Revital im Zoo Basel. Es sei am Dienstag tot in seinem Gehege gefunden worden, teilte der Zoo Basel mit. Was zudem schockiert, ist der Tod des neugeborenen Babys. Dieses wurde noch am selben Tag, an dem die Mutter gestorben ist, eingeschläfert.

Der Zoo Basel teilte auf Instagram mit, dass das Affenbaby ohne Mutter keine Überlebenschance gehabt hätte. Den Entscheid hätten sie nach einigen Abklärungen getroffen:

«Die Euthanasie erfolgte in Absprache mit den Zuchtbuchverantwortlichen sowie verschiedenen Orang-Utan-Experten.»

Der überraschende Tod

Dass Revital vier Tage nach der Geburt gestorben sei, habe die Mitarbeitenden unerwartet getroffen, sagt der für die Primaten zuständige Biologe Adrian Baumeyer. Gegenüber der Basler Zeitung erklärt er, dass Revital nach der Geburt sehr müde gewesen sei. Dennoch hätte nichts darauf hingedeutet, dass sich ihr Zustand plötzlich so verschlechtern würde:

«Es war ein Schock, sie leblos vorzufinden»

Noch ist unklar, woran sie gestorben ist. Der Körper wird nun pathologisch untersucht. Der Zolli hofft, in den nächsten Wochen Aufschluss über die Todesursache zu bekommen.

Das Orang-Utan-Weibchen Revital

Das Orang-Utan-Weibchen Revital ist mit 22 Jahren überraschend gestorben.Bild: zhv/Zoo Basel

Das verwaiste Affenbaby

Das kleine Baby sei wimmernd neben seiner toten Mutter gelegen, erzählt Baumeyer weiter. Der Zoo musste sich entscheiden: wie weiter mit dem Baby?

Gegenüber der Basler Zeitung erklärt der Experte, dass der Entscheid, das Junge einzuschläfern, sofort gefallen sei. Die Überlebenschancen für das Neugeborene seien praktisch bei null gelegen. Zudem habe man keine guten Erfahrungen mit der Handaufzucht gemacht.

Ein Neugeborenes von Hand aufziehen, wäre aber kein Ding der Unmöglichkeit. In der Vergangenheit war das noch eine viel weiter verbreitete Praxis, als heutzutage. Diesen Grund führen viele entrüstete Personen in den sozialen Medien auf. Wieso habe man die Handaufzucht nicht zumindest versucht? Und: Darf ein gesundes Tier überhaupt eingeschläfert werden?

Ja, es darf, erklärt Caroline Mulle von der Stiftung Tier im Recht. Aus Tierschutzsicht werde davon abgeraten, aber rechtlich gesehen ist das Einschläfern von gesunden Tieren nicht verboten, solange es nicht qualvoll oder mutwillig geschieht. Der Entscheid zur Euthanasie des Tieres obliege alleine dem Tierhalter. Da die Durchführung der Tötung an strenge Vorschriften geknüpft ist, muss sie von tiermedizinischem Fachpersonal durchgeführt werden. Dieses ist allerdings nicht dazu verpflichtet, den Auftrag anzunehmen und darf sich weigern.

Schlussendlich sei es eine Abwägung, die sorgfältig und im Einbezug aller relevanten Umstände, wie die Lebensqualität oder Heilungschancen, durchgeführt werden muss, so Mulle weiter. Im Falle einer schweren Krankheit kann die Entscheidung offensichtlicher sein. Im Falle des Affenbabys hingegen müsse man sich fragen, ob dem Tier ein lebenswertes Leben bevorstehe oder nicht. Der Zoodirektor Oliver Pagan bezweifelt dies, wie er zur Basler Zeitung sagt:

«Der kurzfristige Erfolg steht in keinem Verhältnis zu der schlechten Perspektive, welches das Tier später höchstwahrscheinlich hätte.»

Denn: Sollte das Kleine die Aufzucht überleben, sähe es sich ganz anderen Problemen gegenüber. Die Reintegration in die Affengruppe gestaltet sich nämlich als schwierig. Durch die Aufzucht beim Menschen erlernt der Affe ganz andere Umgangsformen und hat so Mühe, Zugang zu anderen Affen zu finden. Diesen Leidensweg habe man dem Jungtier ersparen wollen, so Pagan gegenüber dem deutschen Südwestrundfunk. Eine gelungene Handaufzucht bezeichnet er als einen «Wunschtraum».

Der Fall Goma

Im Zolli erinnert man sich wohl noch an die Gorilla-Dame Goma. Sie wurde am 23. September 1959 im Zoo Basel geboren, was einer Sensation gleichkam. Es war das erste Mal überhaupt, dass in Europa ein Gorilla zur Welt gekommen ist.

Goma Zoo Basel

Goma hat Zoobesucherinnen und Zoobesuchern immer in die Augen geschaut – ein für Affen untypisches Verhalten, welches sie während ihrer Aufzucht bei den Menschen gelernt hat.Bild: Zoo Basel

Sie hatte allerdings keine einfache Kindheit. Die Mutter liess das Kleine nicht bei sich trinken, weshalb sie die Familie des damaligen Zoodirektors, Ernst Lang, zu sich genommen hat. Dort wuchs sie wie eines seiner Kinder auf. Sie trug Windeln, ass mit der ganzen Familien am Tisch, sie ging sogar mit ihnen in die Ferien, erinnert sich Baumeyer in einem Porträt der NZZ.

Als sie mit dreieinhalb Jahren zu den anderen Gorillas zurückmusste, stand sie zwischen zwei Welten. Sie war weder ganz Mensch, noch ganz Gorilla. In vielen Situationen, so Baumeyer, sei sie als Gorilla überfordert gewesen und habe dann den Menschen als Bezugsperson gesucht.

Feb. 25, 2012 - Proud Parent. The world famous ape house of the zoological gardens in Basel, Switzerland announce a real sensational breed success with their gorillas. Goma , the female born in the zo ...

Goma gebar 1971 ihren Sohn Tamtam. Auch er galt als Sensation, da er der erste Gorilla in zweiter Zoogeneration war. Bild: imago stock&people

Als Goma 2018 im Alter von 58 Jahren verstarb, schrieb der Zolli:

«Als Folge ihrer aussergewöhnlichen Kindheit war Goma ihr ganzes Leben den Menschen verbunden und war deshalb in ihrer Gruppe lange eine Aussenseiterin geblieben.»

In ihren letzten 20 Lebensjahren habe sie sich erfreulicherweise immer mehr ins Familienlieben integrieren können. Doch dass sie anders als die Anderen war, blieb weder ihren Artgenossen noch den Menschen verborgen. Schon vor Gomas Tod 2017 stand deshalb für Baumeyer fest:

«Heute würden wir einen jungen Gorilla nicht mehr in der Obhut von Menschen aufziehen.»

Und genau diese Entscheidung hat der Zoo Basel diese Woche getroffen.