
Maria Reinshagen war langjährige Direktorin des Zürcher Auktionshauses Christie’s, das sie auch erfolgreich aufgebaut hatte.
Die Tochter eines evangelischen Pfarrers fand bereits als kleines Kind nur vierblättrige Kleeblätter. Das Glück, so formulierte es Maria Reinshagen, die langjährige Direktorin des Zürcher Auktionshauses Christie’s, selber, fand den Weg auch im weiteren Leben oft leicht zu ihr. In Schaffhausen geboren und in Zürich aufgewachsen, zog es die Absolventin des Lehrerseminars Küsnacht früh in die Welt – oder besser gesagt in die Kunstwelt – hinaus. Nach einem Stipendium an der Ford Foundation in Los Angeles und der Tätigkeit als Kuratorin des Tamarinde-Lithografie-Ateliers arbeitete sie als Direktionsassistentin am Pasadena Art Museum und lebte mit ihrem Mann Peter Reinshagen, dem Vater ihrer Kinder Thomas und Tanya, in New York und Los Angeles.
Als Mitglied einer Clique, zu der die Shootingstars jener Zeit, unter ihnen Ed Ruscha, Andy Warhol, Jean-Michel Basquiat und Jasper Johns, sowie grosse Galeristen und Sammler gehörten, knüpfte Maria Reinshagen jenes legendäre Netzwerk, auf das sie in späteren Jahren zählen konnte. Zudem war sie privat eng befreundet mit den Künstlern Helen Frankenthaler, Sam Francis, Morris Louis und Robert Natkin.
Nach der Rückkehr in die Schweiz und dem Aufbau der Galerie André Emmerich in Zürich initiierte sie die erste Schweizer Filiale des Auktionshauses Christie’s und führte diese in einer Zeit, als der Kunstboom noch in weiter Ferne lag, zu grossem Erfolg. Nicht der Ehrgeiz, nicht die Aussicht auf eine Karriere trieben Maria Reinshagen an, wie sie einmal sagte, sondern das Interesse für ein Wissensgebiet und jene Menschen, die es beleben. Grenzen oder Rückschläge akzeptierte sie auf diesem Weg nicht. Chancen, die sich boten, ergriff sie im Wissen, dass sie das Beste aus ihnen machen kann. Alles, was die Kunsthändlerin anpackte, tat sie mit Engagement und Überzeugung.
Nach dem frühen Tod ihres geliebten Mannes schaffte sie es als alleinerziehende Mutter, Kinder und Karriere erfolgreich unter einen Hut zu bringen. Als weibliche Führungskräfte noch eine Seltenheit waren, wurde Maria Reinshagen in den Verwaltungsrat von Christie’s Europa berufen. 1992 wurde sie zur Vizepräsidentin von Christie’s Schweiz und vier Jahre später zur Vizepräsidentin von Christie’s Europa ernannt. Als erste Frau überhaupt schaffte sie den Sprung in den Verwaltungsrat der damaligen Schweizerischen Bankgesellschaft (SBG), heute UBS.
Vor zwanzig Jahren trat ihr Nachfolger bei Christie’s in die grossen Fussstapfen seiner dann pensionierten Vorgängerin, die dem Unternehmen weiterhin als Beraterin zur Seite stand. Ein Leben ohne Kunst war für Maria Reinshagen unvorstellbar. In den folgenden Jahren beobachtete sie den hart umkämpften Kunstmarkt bisweilen kritisch, blieb in die Organisation grosser Ausstellungen eingebunden, finanzierte Kunstkataloge und Kunstbücher, unterstützte lokale Künstler und stand den Beteiligten mit Rat und Tat zur Seite. Das hohe Alter sei nichts für Weicheier, liess sie in späteren Jahren verlauten, aber auch: «Der Kunst und den Menschen verdanke ich ein erfülltes und wunderbares Leben.» Maria Reinshagen (84) verstarb am 18. November in Zürich.