Seit fünfzig Jahren lebt Schwester Christine in einem der ärmsten Bezirke Londons im Schatten des neuen Finanzdistrikts. Einst entfernte sie eigenhändig eine Flagge der Terrororganisation IS aus einer berüchtigten Sozialsiedlung. Heute beliefert die 84-Jährige vereinsamte Senioren mit warmen Mahlzeiten – und kämpft gegen die sozialen Folgen von Lockdown und Pandemie.

Die Sozialsiedlung Will Crooks in Poplar im Londoner Bezirk Tower Hamlets steht im Schatten der Wolkenkratzer des neuen Finanzdistrikts Canary Wharf.
Zielstrebig führt Schwester Christine Frost in die enge Küche des St-Matthias-Gemeinschaftszentrums in Poplar im Ostlondoner Bezirk Tower Hamlets. «Bis zum Mittag muss hier alles bereit sein, damit wir die 142 Mahlzeiten rechtzeitig ausliefern können», erklärt sie. Die Köchin Diane schiebt einen gigantischen Hackfleisch- und Zwiebelkuchen in den Backofen. Derweil schwitzt ihr Gehilfe Michael Cashman hinter seiner Gesichtsmaske, während er in einer Pfanne unzählige Kilo gekochter Kartoffeln zu einem Brei zerdrückt. «Ich hätte nie gedacht, dass ich mich je so sehr ob der Qualität von Kartoffeln erfreuen würde», sagt lachend der 70-Jährige, der auf eine Karriere als Schauspieler, Schwulenaktivist und EU-Abgeordneter zurückblickt und nun als Lord im britischen Oberhaus sitzt. In der Corona-Krise zählt der erklärte Atheist zum Netz von Freiwilligen, die im Dienst von Schwester Christine zweimal pro Woche hausgemachte Mahlzeiten für Bedürftige zubereiten. Unübersehbar ist, dass im St-Matthias-Zentrum nicht der Lord aus London, sondern die Ordensschwester aus Irland den Ton angibt.