Wenige Tage vor dem geplanten Termin sagt die ZHAW die Präsenzprüfungen ab. Eine kurzfristige Umstellung auf Online sei nicht möglich. Die Studenten sind empört.

Vorerst werden die Studentinnen und Studenten der ZHAW keine Prüfungen schreiben können.
Es ist Freitagabend. Ein Wirtschaftsstudent der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) ist im Endspurt der Prüfungsvorbereitungen. Da erreicht ihn um 18 Uhr 28 eine Mail. Der Inhalt ist rasch rekapituliert: Die Semesterprüfungen, welche diese Woche hätten stattfinden sollen, sind abgesagt. «Ich habe die Schulsachen direkt in die Ecke geschmissen und hätte am liebsten dem Rektor direkt geschrieben, was ich von dieser Absage halte», sagt er gegenüber der NZZ.
Reto Steiner, Direktor der School of Management and Law der ZHAW, schreibt an die Studentinnen und Studenten, dass die gegenwärtige Situation im Zusammenhang mit dem Coronavirus ausschlaggebend gewesen sei. «Aufgrund der hohen Zahl von Prüfungen, die von der Umstellung auf das Online-Format betroffen ist, müssen wir die Prüfungsphase kurzfristig anpassen.» Die Prüfungen würden um eineinhalb Monate auf Anfang bis Mitte März verschoben.
Warum wird erst jetzt kommuniziert? Die Empörung ist gross, laut «Tele Top» sind rund 3500 Studenten und 9000 Prüfungen betroffen. Der Wirtschaftsstudent sagt, die Planung der ZHAW sei miserabel, denn es sei absehbar gewesen, dass Präsenzprüfungen im Januar nicht möglich sein würden. Man hätte es schon länger wissen müssen, dass das Ansteckungsrisiko zu gross und die epidemiologische Lage der Schweiz zu schlecht sei.
Andere Hochschulen wie die Universität Luzern haben bereits vor Wochen auf Online-Prüfungen umgestellt. Die Universität Zürich führt 90 Prozent ihrer Prüfungen online durch. Jene mit Präsenzpflicht hätten einen praktischen Anteil, wie beispielsweise Prüfungen im medizinischen Bereich. Die ETH Zürich erklärte hingegen am Freitag gegenüber dem «Tages-Anzeiger»: «Bei schriftlichen Sessionsprüfungen ist die physische Präsenz unerlässlich.» Diese Prüfungen seien «high-stakes», also für das Weiterkommen im Studium entscheidend.
Studenten werden gefordert
Die ZHAW schreibt auf Anfrage der NZZ, die Prüfungen seien bewusst auf Anfang März gelegt worden, weil dann alle Studentinnen zurück aus der vorlesungsfreien Zeit seien. Diese Entscheidung sei am vergangenen Donnerstag getroffen worden. Die ZHAW schreibt, man müsse die Prüfungen komplett neu konzipieren, da Studenten in einer Online-Prüfung auf ihre Vorlesungsunterlagen zurückgreifen könnten und dürften. Gegenüber «Tele Top» sagte Reto Steiner, er könne den Unmut der Studenten verstehen. Jedoch sei diese Entscheidung so kurzfristig gefallen, da sich die Lage dramatisch verändert habe.
Die Leidtragenden sind die Studentinnen und Studenten, die Zeit für die Prüfungsvorbereitung investiert haben. Manche Teilzeitstudentinnen haben für die Prüfungen Urlaub bezogen. Nicht jeder Arbeitgeber wird so kurzfristig umplanen und diese Ferienzeit absagen können. Von den Studenten wird viel Flexibilität verlangt. Die ZHAW will am 5. Februar den neuen Prüfungsplan kommunizieren. Der Wirtschaftsstudent findet dies zu spät. «Wieso dauert es drei Wochen, um einen neuen Prüfungsplan aufzustellen?»
Prüfungen im März bedeuten für die Studenten der ZHAW nicht nur einen erheblichen Mehraufwand durch erneute Vorbereitung, sondern auch, dass sie gleichzeitig das neue Semester bewältigen müssen. Der Wirtschaftsstudent macht sich Sorgen, ob ihm da genügend Zeit für die Bachelorarbeit bleiben werde. Die ZHAW schreibt in ihrer Mail an die Studentinnen und Studenten am Freitag, man wolle diesen Mehraufwand für die kommende Prüfungsphase berücksichtigen.
Die ZHAW ist nicht die einzige Schweizer Hochschule, welche Schwierigkeiten mit der Planung der Prüfungen hat. Auch die Universität Freiburg verschob am Freitag kurzfristig sämtliche Bachelor-Prüfungen der medizinischen Fakultät auf den kommenden Sommer. Von dieser Massnahme sind rund 350 Studentinnen und Studenten betroffen.