Switzerland
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Blocher greift ein: Ab Herbst sammelt er für die Neutralitäts-Initiative Unterschriften

81 Jahre alt ist er – aber kein bisschen müde. SVP-Doyen Christoph Blocher treibt die Volksinitiative zur Neutralität entschieden voran. Parallel dazu beobachtet er sehr genau, wie seine SVP in Form ist.

Othmar von Matt / ch media

Christoph Blocher macht entschieden vorwärts mit seiner Volksinitiative zur Neutralität.

Christoph Blocher macht entschieden vorwärts mit seiner Volksinitiative zur Neutralität.Bild: Keystone

Jetzt geht es Schlag auf Schlag mit der Volksinitiative zur Neutralität, die SVP-Doyen Christoph Blocher plant. Nächste Woche gibt es ein grosses Treffen aller Involvierten. Dabei wird entschieden, sagt Blocher, «welchen Artikel wir in der Bundesverfassung mit welcher Definition der Neutralität ergänzen wollen».

Schon Anfang Juni soll das Initiativkomitee stehen. Im Herbst beginnt dann die Unterschriftensammlung. Im Lead steht nicht die SVP, sondern Pro Souveräne Schweiz (PSS). Die Nachfolgeorganisation der Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (Auns) wird im Oktober gegründet.

«Die Schweiz verlor sehr viel Vertrauen»

Die Schweiz habe im Ukraine-Krieg weltweit «sehr viel Vertrauen verloren», sagt Blocher, weil sie ihre umfassende Neutralität aufgegeben und entschieden habe, die Sanktionen gegen eine Kriegspartei mitzutragen. «US-Präsident Joe Biden gab im Parlament erfreut bekannt, die Schweiz sei nicht mehr neutral, dies kam auch auf der Titelseite der New York Times», sagt er. «Und Russland setzte die Schweiz auf die Liste ihrer Staatsfeinde.»

Die Initiative sei «sehr wichtig», auch wenn sie den Neutralitätsbruch im Ukraine-Krieg nicht mehr korrigieren könne. Blocher will den Begriff Neutralität in der Bundesverfassung erstmals konkret definieren. Er kommt dort zweimal ohne nähere Umschreibung vor.

Blocher will eine integrale Neutralität, wie sie die Schweiz vor dem Ersten Weltkrieg, während und nach dem Zweiten Weltkrieg praktizierte: keine Teilnahme an bewaffneten Konflikten, aber auch keine Beteiligung an Wirtschaftssanktionen gegen Kriegsparteien.

Italiens Drohung an die Schweiz als Mahnmal

Im Ukraine-Krieg schwenkte der Bundesrat nach einigem Zögern von der integralen auf die differenzielle Neutralität um: Er schloss sich den Wirtschaftssanktionen gegen Russland an und positionierte sich damit politisch.

Für Blocher ist das falsch. Er illustriert die Gefahren mit einem Beispiel aus den 1930er Jahren. Auch damals schwenkte der Bundesrat zwischen integraler und differenzieller Neutralität hin und her. 1935 besetzte Italien Abessinien. Der Völkerbund beschloss wirtschaftliche Sanktionen. «Italien drohte dann der Schweiz, die Südschweiz zu besetzen und die Grenze bei den Alpen zu ziehen, falls die Schweiz die Sanktionen mittrage.»

Die Schweiz versuchte sich herauszuhalten. «Kurze Zeit später fiel der Völkerbund glücklicherweise zusammen», sagt Blocher. «Und 1938 entschloss der Bundesrat, zur dauernden bewaffneten und integralen Neutralität zurückzukehren.» Bundesrat Rudolf Minger (damals BGB, heute SVP) habe dazu gesagt: «Endlich fällt ein Albtraum von diesem Land.»

Drei Passagen in der Bundesverfassung bieten sich an

In den Vorgesprächen, die Blocher führte, kristallisierten sich drei Passagen in der Bundesverfassung heraus, in der eine Definition der Neutralität Sinn macht:

Artikel 185: Im Artikel zur äusseren und inneren Sicherheit heisst es: «Der Bundesrat trifft Massnahmen zur Wahrung der äusseren Sicherheit, der Unabhängigkeit und der Neutralität.» Blocher bevorzugt diese Passage, um die Neutralität zu definieren – mit folgendem Satz: «Die Schweizer Neutralität ist eine dauernde, bewaffnete und integrale Neutralität.» Integral bedeute umfassend, betont Blocher.

Artikel 173: Der Begriff Neutralität taucht aber auch im Artikel zu «Weitere Aufgaben und Befugnisse» auf. Die Bundesversammlung treffe Massnahmen «zur Wahrung der äusseren Sicherheit, der Unabhängigkeit und der Neutralität der Schweiz», heisst es da.

Artikel 2: Im sogenannten Zweckartikel wird die Neutralität zwar nicht erwähnt. Es geht aber um fundamentale Werte: «Die Schweizer Eidgenossenschaft schützt die Freiheit und die Rechte des Volkes und wahrt die Unabhängigkeit und die Sicherheit des Landes.» Es gebe Leute, die den Verfassungssatz hier aufnehmen möchten, sagt Blocher.

Wer genau dem Initiativkomitee angehören wird, will Blocher nicht verraten. «Wir bauen keine Riesenorganisation auf», betont er. «Wer sich meldet, wird eingeladen.» An Bord ist auch ein Staatsrechtler. Klar ist aber: Mitmachen kann nur, wer die integrale Neutralität befürwortet.

Blocher tritt am Samstag bei der Zürcher SVP als Moderator auf

Der 81-jährige Christoph Blocher ist nicht nur in Sachen Neutralität gefragt. Sondern auch bei der SVP des Kantons Zürich. Diese erlitt eine Schlappe bei den Gemeindewahlen vom 27. März.

Am Samstag kommt es deswegen zur «Chropfleerete». Er sei angefragt worden, ob er sich dafür als Moderator zur Verfügung stelle, sagt Blocher – und hält fest: «Ich bin dazu bereit, meine Erfahrung einzubringen.»

Es sei wichtig, dass nun alle zu Wort kämen und alles auf den Tisch komme. Er hält fest, dass er als Moderator keine Antworten zur Arbeit der SVP des Kantons Zürich zu geben gedenkt. «Ich werde moderieren und nichts für die Partei entscheiden», sagt er. Zentral sei aber eine Frage: «Wo haben wir unsere Stärke? Diese müssen wir pflegen.»

Der Erfolg der letzten 28 Jahre habe Zürcher SVP gesättigt

Präsident Benjamin Fischer hat inzwischen seinen Rücktritt erklärt. Das sei unvermeidlich gewesen, lässt Blocher durchblicken. «Er ist noch jung, ist aus dem Kantonsrat zurückgetreten, tritt eine neue Stelle an, ist neu Nationalrat, will im Militär weitermachen und hat eine junge Familie», sagt Blocher. «Ohne Bezug zum Kanton Zürich ist es verständlich, dass er zurückgetreten ist.»

Blochers Analyse der Wahlschlappe ist unmissverständlich. «Die Verantwortlichen waren sich viel zu sicher, dass sie die Gemeindewahlen gewinnen», sagt er. «Das wurde mir klar, wenn ich durch den Kanton Zürich fuhr.» Der Erfolg der letzten 28 Jahre habe die Partei gesättigt.

Keinen Handlungsbedarf sieht er hingegen bei der SVP auf Schweizer Ebene. Auch nicht bei Präsident Marco Chiesa, trotz interner Kritik. «Er sorgt intern dafür, dass die Partei gut aufgestellt ist», sagt Blocher. Das sei entscheidend – und nicht, wie oft er am Fernsehen zu sehen sei. «Marco Chiesa ist vor allem in der Westschweiz und im Tessin mit seiner Muttersprache präsent», sagt Blocher. «Für die Deutschschweiz hat er seine Vizepräsidenten.» (aargauerzeitung.ch)