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Auf der Strasse und im Netz: Esoteriker werben mit Heilungsversprechen

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Bieten Heilungsgebete an: Die Gruppe Heilung auf der Strasse Bern.

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Dana LiechtiRedaktorin SonntagsBlick

Ende 2020 weicht Alisha Kleiners (19) Lebensfreude wiederholten Panikattacken. Diagnose: Depressionen. Im Frühjahr 2021 lässt sich die junge St. Gallerin in einer Klinik behandeln. Wirklich gut sei es ihr auch danach noch nicht gegangen, sagt sie.

Kleiner ist Mitglied einer Freikirche. Im Herbst nimmt sie an einer christlichen Konferenz in Deutschland teil, wo für sie gebetet wird. Seitdem habe sie keine Panikattacken mehr: «Von einem Tag auf den anderen war ich geheilt.»

Berichte wie dieser sind im esoterischen Milieu keine Seltenheit, sagt Georg Schmid, Religionsexperte und Leiter der Informationsstelle Relinfo. In manchen pfingstlich-charismatischen Freikirchen herrsche ein ausgeprägter Wunderglaube. Heilungsgebete seien im Grunde unbedenklich. Bei psychischen oder Suchtproblemen spiele die Heilungserwartung eine grosse Rolle.

«Förderlicher Placebo-Effekt»

«Wenn ich annehme, dass es mir nach einem Gebet besser geht, kann das einen förderlichen Placeboeffekt haben», so Schmid. Werden körperliche Beschwerden auf diese Weise kuriert, handle es sich häufig um solche, die von selbst vergehen können. «Die Genesung wird dann auf das Gebet zurückgeführt.» Wichtig sei: «Seriöse Kirchen und Heilende weisen darauf hin, dass man auch wissenschaftsbasierte Medizin in Anspruch nehmen soll.» Alisha sagt, das sei bei ihr der Fall. Nach dem Gebet habe sie noch eine Weile eine Therapie besucht. Sie ist zwar überzeugt von der Kraft des Gebets, aber: «Ich glaube auch, dass Gott zusätzlich Psychiater und Ärzte braucht, um Menschen zu helfen.»

Das sehen nicht alle so. Im Zusammenhang mit Heilungsgebeten gebe es bedenkliche Akteure, sagt Georg Schmid. Etwa solche, die Versprechungen machen oder von medizinischer Behandlung abraten. «Das kann bei schweren Erkrankungen schnell gefährlich werden.» Skepsis sei auch angebracht, wenn man sich an Regeln halten müsse, um den Heilerfolg nicht aufs Spiel zu setzen.

Vorsicht bei Berichten über Krebs

Nicht wenige Organisationen und Einzelpersonen werben mit Heilungsberichten. Etwa «Heilung auf der Strasse Bern», ein Zusammenschluss von Mitgliedern christlicher Freikirchen, die einmal pro Woche im Berner Stadtzentrum ihre Gebete anbieten. Die Gruppe beschreibt im Netz, wie Gott betende Menschen von Schmerzen oder psychischen Belastungen befreit hätte.

Oder gar von Krebs: «Es kam ein Mann vorbei, der uns erzählte, dass wir vor einem Jahr für ihn gebetet hatten. Damals war eine Krebsoperation geplant gewesen. Nach dem Heilungsgebet war keine OP mehr nötig.» Bei solchen Berichten sei Vorsicht geboten, sagt Religionsexperte Schmid: Das Gebet erfolge oft unmittelbar, nachdem der Hausarzt einen Verdacht auf Krebs äussert. Bestätigt der Besuch bei einer Spezialistin diesen nicht, wird davon ausgegangen, dass das Gebet den Krebs beseitigt hat.

Stark steigendes Interesse

Dass er Menschen von Tumoren befreit habe, behauptet auch der Geistheiler Sananda, mit bürgerlichem Namen Oliver Brecht. Laut eigenen Angaben ist er ein Lichtwesen und urchristlicher Heiler. Auf seiner Website hält er fest, mittels spiritueller Geistheilung jährlich 50 000 Menschen und Tiere zu behandeln: «Bei mir gab es viele Tausende dokumentierte Heilungen», schreibt er und führt aus, wozu er angeblich fähig ist: «Heilungen von Tumoren, Epilepsie, Wirbelsäulenbegradigungen, Brustkorbbegradigungen, Schmerzen weg, die Jahrzehnte da waren.» Sananda heilt laut eigenen Angaben aus der Ferne. Seine Klienten braucht er dafür nicht zu treffen. Die Kosten? Mehrere Hundert Franken.

Das Interesse an seinem Angebot steige stark, behauptet Sananda. Sollte dies zutreffen, würde es den Szenekenner Schmid nicht überraschen: Erzählungen von Heilungen durch Gebete sowie entsprechende esoterische Angebote hätten in der Pandemie deutlich zugenommen.

«Generell suchen Menschen in Notsituationen nach Beistand, gerade, wenn sie psychisch belastet sind. Davon haben manche Esoteriker, Geistheiler und einzelne Freikirchen enorm profitiert, darunter harmlose Organisationen, aber eben auch sehr bedenkliche Figuren», so Schmid. Letztere verbreiteten nicht selten auch Verschwörungstheorien.

Vergiftung mit Chemtrails und Mikrowellen-Waffen

Sananda bezeichnet auf seiner Website Pharmabranche und Medien als Mafia und Lügner. Er behauptet, die Bevölkerung werde mit Mikrowellen-Waffen und Chemtrails vergiftet, zudem überwacht und unsichtbar gefoltert.

Auf seine Ausführungen angesprochen, antwortet Sananda schriftlich, er kenne viele, die nicht gut auf Pharma und Presse zu sprechen seien. Wie genau eine Geistheilung funktioniert, dazu äussert sich der laut eigenen Angaben gelernte Polizist nicht. Er zwinge niemanden, ihm einen Auftrag zu geben und rate auch nicht von medizinischen Angeboten ab, sondern sehe sich als Ergänzung. «Auch habe ich noch nie jemandem versprochen, ihn zu heilen.»

Dasselbe teilt auch die Gruppe «Heilung auf der Strasse Bern» mit: «Wir machen keine Versprechungen, sondern bieten ein freiwilliges kostenloses Angebot, das von jedem Passanten und jeder Passantin ohne Voraussetzungen wahrgenommen werden kann.»
Menschen, die ihr Angebot nutzen, weise man zudem darauf hin, Medikamente nicht abzusetzen, bevor sie mit einem Arzt gesprochen haben.