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Animalisches am Effinger-Theater: Die Bärenfrau tappt nicht in die Romantikfalle

Animalisches am Effinger-TheaterDie Bärenfrau tappt nicht in die Romantikfalle

Der Monolog «An das Wilde glauben» zeigt die Kraft der Fantasie. Schade nur, fehlt die Lust, sich in die Aktualität einzumischen.

Dascha von Waberer verkörpert die «Bärenfrau» unaufgeregt und mit auf Feinheiten achtendem Spiel.

Dascha von Waberer verkörpert die «Bärenfrau» unaufgeregt und mit auf Feinheiten achtendem Spiel.

Foto: Severin Nowacki

Die Frau balanciert über den Vulkan, die Arme ausgebreitet wie eine Seiltänzerin im Zirkus. Auf der anderen Seite wartet der Bär. Das Tier riecht die Wanderin, lange bevor sie im Schnee vor ihm auftaucht. Sie schaut in seine gelben Augen. Er fletscht die Zähne, sie auch. Dann beisst er zu.

Immer schon hat sie der «Ruf des Waldes» gelockt. Die französische Anthropologin Nastassja Martin erinnert sich in ihrem Essay «An das Wilde glauben» (2021), wie Raubtiere, weite Ebenen, hohe Berge und das «entfesselte Meer» für sie seit der Kindheit der Grund seien, «warum ich leben will». Später endet diese Natursehnsucht für sie fast tödlich: 2015 läuft Martin, die auf der Halbinsel Kamtschatka im ostasiatischen Zipfel Russlands die Kultur des indigenen Nomadenstamms der Ewenen erforscht, einem Braunbären vor die Tatzen.

Der «Zusammenstoss», wie Martin es nennt, hinterlässt nicht nur Wunden in ihrem Gesicht, die unter russischen und französischen Chirurgen Konkurrenzkämpfe entfachen. Sie fühlt sich dem Bären verbunden – nach Ansicht der Ewenen ist sie nun eine «miedka», ein Wesen, das «zwischen den Welten lebt». «Es gibt nichts Zufälliges mehr, es gibt nur Resonanzen», so die Wissenschaftlerin. Ihr Weltbild gerät ins Wanken.